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Olympiastützpunkt kooperiert mit Arbeitsagentur
Sporttalente in Mecklenburg-Vorpommern halten

Neubrandenburger Talenten soll es künftig leichter fallen, sich für eine Spitzensportkarriere im heimischen Klub zu entscheiden: Dafür sind der Olympiastützpunkt und die Agentur für Arbeit Neubrandenburg eine deutschlandweit einmalige Kooperation eingegangen. Auch andere Klubs in Mecklenburg-Vorpommern wünschen sich Maßnahmen gegen die Landflucht talentierter Sportler.

Von Silke Hasselmann |
    Wegweiser zu Olympiastützpunkt in Mecklenburg-Vorpommern.
    Hier geht's lang: Olympiastützpunkte in Mecklenburg-Vorpommern wollen Sporttalente in der Region halten. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Schwerin im vorigen September. Der Direktor des Sportgymnasiums verabschiedet jene 66 Sportlerinnen und Sportler von der "Eliteschule des Sports", die sich für das Bundesfinale 2016 von "Jugend trainiert für Olympia" qualifiziert hatten. Darunter: Acht Leichtathletinnen aus der Gruppe von Trainer Nils-Uwe Bernhardt.
    Einst selbst aktiver Weit- und Dreispringer, hatte Bernhardt noch zu DDR-Zeiten das Trainer-Diplom erworben und Medaillenhoffnungen herangezogen. Auch er beobachtet schon seit langem, dass die Kaderdecke immer dünner wird. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es generell weniger Kinder und Jugendliche als noch zu DDR-Zeiten. Andererseits sehen viele talentierte Sportschüler davon ab, als Erwachsene nach Weltmeistertiteln und Olympiamedaillen zu streben, sagt Nils-Uwe Bernhardt.
    "Heutzutage hast du etwas mehr Zeit und man gibt dir auch mehr Zeit, dass man sagt: Okay, ich habe hier fünf, sechs Athletinnen. Früher war´s so: Von den sechs müssen mindestens fünf ganz nach oben wandern. Und das ist heutzutage nicht mehr. Heute bist du wirklich froh, wenn du von den fünf oder sechs alle hier am Sportgymnasium halten kannst, ohne dass sie aus dem Sport rausgehen würden. Und wenn dann eben zwei oder drei sagen: 'Ich möchte auch nach der Schule weiter Leichtathletik betreiben. 'Na, dann hat man ja schon im Prinzip alles gewonnen, was man will."
    Viele Sporttalente verlassen Schwerin
    Ein großes Problem: Nach ihrem Abitur am Sportgymnasium verlassen die meisten der gut ausgebildeten Talente die Stadt Schwerin und damit auch den Schweriner Sportclub, denn die Landeshauptstadt verfügt über keine Universität oder Hochschule. Und darauf seien die meisten orientiert, so Trainer Bernhardt.
    "Wir haben aber 'ne Fachschule. Wir haben auch super Ausbildungsbetriebe. Da müsste einfach 'ne größere Kooperation entstehen. Ich sag jetzt mal: 2024 - wir wollen zwei Olympionikinnen dorthin bringen. Stadtwerke oder Sparkasse oder wer auch immer - kann ich meine Athletin bei euch arbeiten lassen und ihr stellt sie ein, so wie es bei Franka Dietzsch in Neubrandenburg ja bestens vorgelebt wurde?"
    Die dreifache Diskus-Weltmeisterin war während ihrer aktiven Karriere bis 2009 bei der Sparkasse Neubrandenburg angestellt und konnte sich doch ganz dem Sport widmen.
    Der bisherige Tiefpunkt für Mecklenburg-Vorpommern kam voriges Jahr: Für die olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro konnten sich nur sechs Sportler aus dem Land qualifizieren. Darunter kein einziger aus der einst verlässlichen Neubrandenburger Schmiede von Spitzen-Leichtathleten und Kanurennsportlern.
    Einzigartige Kooperationsvereinbarung
    Doch nun will man nicht länger hinnehmen, dass bereits gut ausgebildete Sportler die Stadt oder die Region verlassen, weil sie anderenorts bessere Ausbildungs- und Arbeitsplatzchancen für sich vermuten. Der Olympiastützpunkt Neubrandenburg und die dortige Arbeitsagentur haben nun eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, die bundesweit ihresgleichen sucht. Denn auch im relativ wirtschaftsschwachen Mecklenburg-Vorpommern viele gebe es mittlerweile viele gute Unternehmen, die Auszubildende und Fachkräfte suchen. Spezielle Berater der Arbeitsagentur sollen ihnen klarmachen, dass es eine langfristig lohnenswerte Investition wäre, wenn sie Olympioniken von morgen bei sich aufnehmen würden. Stichworte: Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Teamgeist. Andererseits, so Behördenchef Thomas Besse:
    "Wir arbeiten natürlich mit dem Sportgymnasium wie mit jeder anderen Schule auch zusammen: Wir machen Berufsberatung, Berufsorientierung in den Schulen. Aber hier ist einfach der Effekt eingetreten, dass aufgrund der Besonderheit, dass die jungen Sportler in der Ausbildung länger mal abwesend sind, sie gedacht haben, sie haben in anderen Regionen Deutschlands bessere berufliche Chancen. Und das ist auf keinen Fall mehr so. Die Unternehmen in dieser Region suchen händeringend nach tollen jungen Menschen für eine Ausbildung. Und da können wir die Region mit dem Olympiastützpunkt unterstützen, dass wir den jungen Menschen Perspektiven aufzeigen, dass sie hier im Olympiastützpunkt bleiben und nicht nach Bayern oder Potsdam gehen."
    Gut so, findet unter anderem Claudine Vita, Neubrandenburgs derzeit größte Hoffnung im Stoß- und Wurfbereich. Noch firmiert die 20jährige unter "Schülerin" und hofft, nach dem Ende des gestreckten Abiturs einen Ausbildungsplatz zu finden, der es ihr ermöglicht, beim SC Neubrandenburg zu bleiben. Denn sie hat dort sportlich viel vor:
    "Dieses Jahr sind wieder U 23-Europameisterschaften. Da ist es auf jeden Fall im Diskus gewinnen und im Kugelstoßen 'ne Medaille holen. Und bei den Aktiven ist dann die WM in London, und da will ich dabei sein. Und wenn's geht, auch unter den ersten Zwölf landen."