"Ich dachte mir: was ist das denn?! Ich habe schon bei anderen Olympischen Spielen mitgemacht und so schlecht bin ich noch nie behandelt worden. Das ist wirklich traurig."
So fasst die Spanierin Montserrat Gea ihre Erfahrungen mit dem Organisationskomitee der Olympischen Spiele zusammen. Diesen Sommer hätte die Spanierin bei den Reitsportveranstaltungen in Tokio helfen sollen. Dass es dazu nicht mehr kommen wird, erfuhr sie in einer kurzen Email:
"Sie haben uns eine Nachricht geschickt, die im Prinzip sagte: Wenn du bis zum 3. Mai keinen neuen Brief erhältst, bist du draußen. Bitte klicke dann hier, um dein Engagement zurückzuziehen. Das war alles. Ich kenne Leute, die 1.000 Dollar ausgegeben haben – für die Unterbringung im letzten Jahr! Sie haben das Geld nicht mehr zurückerhalten. Es fühlt sich alles so an, als würden sie einen nur ausnutzen."
Normalerweise sind Volunteers unverzichtbar
Montserrat Gea ist Englischlehrerin in Barcelona und eine von 110.000 Freiwilligen, die bei den Spielen von Tokio hinter den Kulissen mithelfen sollten. Diese so genannten Volunteers waren eingeplant zum Kontrollieren der Tickets, Zuweisen der Plätze, zur Unterstützung der internationalen Presse und prominenten Gäste. Ohne sie, so heißt es bei den Olympischen Spielen jedes Mal, wäre die größte Sportveranstaltung der Welt nicht machbar.
Aber diese Olympischen Spiele werden anders. Inmitten der Pandemie haben die Tokioter Organisatoren entschieden, Gäste aus dem Ausland auszuschließen. Dies sei sicherer, weil so das Infektionsrisiko noch relativ geringgehalten werde. Und ohne Besucher aus dem Ausland, braucht man auch nicht mehr so viele Helfende aus dem Ausland. Deswegen sind jetzt fast alle Volunteers, die nicht aus Japan kommen, ebenso ausgeladen.
Art und Weise der Absage führt zu Enttäuschung
Das führt zu Enttäuschung. Denn wie Montserrat Gea haben die Volunteers aus allen möglichen Ländern ihren Jahresurlaub genommen und Geld gespart. So auch der US-Amerikaner Mario dePavia aus Texas:
"Ich bin ein bisschen frustriert durch die Art und Weise, wie das gemacht wurde. Fairerweise muss man sagen: Die Organisatoren waren immer freundlich zu uns, wenn es um die Vorbereitungen ging. Da haben sie uns schon mit Respekt behandelt. Auch im Bewerbungsprozess. Aber es war auch sehr enttäuschend, dass man uns Volunteers nicht früher informiert hat als die Öffentlichkeit. Und es ist frustrierend, wenn man dann im April plötzlich gecancelt wird."
Zu Beginn der Vorbereitungen, so berichten viele Volunteers, wurden die Freiwilligen immer als Truppe eingeschworen. Denn sie sollen uniformiert auftreten, immer helfen und als freundliche Gemeinschaft rüberkommen. Nun aber werde zwischen hilfsbereite Menschen ein Keil getrieben. Das beobachtet jedenfalls der 20-jährige Mario dePavia, der im Radsportbereich für ausländische Gäste zuständig gewesen wäre – und jetzt überflüssig ist:
"In dieser letzten Email von den Organisatoren stand auch, dass ein paar wenige Auserwählte weiterhin kommen dürfen. Ich hab zum Beispiel von einer Person gehört, die spezielle Fähigkeiten im Umgang mit Pferden hat. Sie kann nach Tokio. Aber für all die anderen fühlt sich das mies an. Als würde die eigene Hilfe nichts mehr bedeuten."
Kein Altruismus, aber viel Einsatz
Viele der Volunteers hinterfragen jetzt ihre Hilfsbereitschaft. Zwar haben sich die wenigsten von ihnen aus purem Altruismus beworben. Sie wollten dabei sein bei einem historischen Ereignis wie Olympia und Leute aus aller Welt kennenlernen. Aber Opfer haben sie für dieses Abenteuer trotzdem gebracht: Bis auf ein tägliches Nahverkehrsticket und ein Mittagessen bezahlen die Olympiaveranstalter ihren Volunteers nichts.
Und dabei bleibt es auch. Auf die Anfrage, ob die Freiwilligen unterstützt werden, wenn sie nun auf Kosten sitzen bleiben, antwortet das Organisationskomitee in einer Email nur dies:
"Zum Zeitpunkt der Bewerbung haben wir alle Volunteers um ihr Einverständnis gebeten, dass sie ihre Kosten für Reise und Unterkunft selbst tragen. Daher wird 'Tokyo 2020' für keine Kosten aufkommen."
Das habe wenig mit der allseits bekannten japanischen Höflichkeit zu tun, sagt Victor, ein Volunteer aus Moskau, der ebenfalls für ausländische Gäste zuständig sein sollte. Ob die ausgebooteten Freiwilligen als Dankeschön für ihre Bereitschaft nun einen Gutschein erhalten – oder wenigstens den versprochenen "Tokyo 2020"-Trainingsanzug?
Statt "danke" heißt es "sayonara"
"In einem Wort: nein. Wir erhalten keine Unterstützung, keine Gutscheine, keinen Trainingsanzug, nichts. Wir sind für sie nur noch verzichtbare Ausländer. Sobald wir nicht mehr gebraucht werden, heißt es 'sayonara'."
Über 15 Jahre hat Victor vor allem in Russland immer wieder bei kleineren Events als Freiwilliger gearbeitet. Er schätzte das freundliche Miteinander. Die Spiele in Tokio, für die er jahrelang gespart hat, sollten der Höhepunkt seiner Volunteer-Karriere werden. Aber jetzt geht es ihm wie vielen anderen auch:
"Was hat mir das alles gebracht? Naja, verschwendete Zeit und Nerven, geplatzte Träume und ein bisschen Wut. Anders kann ich mein Volunteeringabenteuer rund um die Spiele 2020, das vor drei Jahren begonnen hat, nicht zusammenfassen."