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Oma aller Tyrannosaurier

Paläontologie. - Der bekannteste Raubsaurier, wohl der prominenteste Dinosaurier überhaupt ist Tyrannosaurus rex. Das gewaltige Tier lebte erst gegen Ende der Dinosaurierherrschaft, doch seine Vorfahren durchstreiften bereits 90 Millionen Jahre zuvor die Kontinente. In China sind jetzt Fossilien dieser wesentlich bescheideneren Raubtiere entdeckt worden. In der aktuellen "Nature" berichten die Entdecker darüber.

Von Dagmar Röhrlich |
    Vor 160 Millionen Jahren lauerte Guanlong wucaii hungrig zwischen den Bäumen. Ohne sich zu rühren wartete der Urahn der Tyrannosaurier darauf, dass ein unerfahrenes Saurierbaby ein wenig näher kam - dann schoss er vor, packte es mit seinen großen Sichelklauen und biss in seine Kehle.

    "In seiner Schnauze saßen U-förmige Zähne, scharf wie Steakmesser. Wie bei allen späteren Tyrannosauriern waren seine Nasenknochen oben auf der Schnauze verwachsen. Anders als alle späteren Formen hatte er drei gut entwickelte Finger an seinen Händen. Bei seinen Nachfahren war einer zunächst sehr viel dünner, und die klassischen Formen wie T-Rex hatten sogar nur noch zwei Finger. Guanlong besaß ebenfalls noch gut entwickelte Vorderbeine, während sie bei den späten Tyrannosauriern extrem reduziert waren, so klein, dass sie noch nicht einmal ihren Mund damit erreichen konnten."

    Wahrscheinlich war die Reduzierung der Arme schlicht eine statische Notwendigkeit, weil das Tier sonst wegen seines Riesenschädels nach vorne umgekippt wäre. Thomas Holtz von der University of Maryland beschreibt, dass der von chinesischen Paläontologen gefundene Guanlong nicht an der Spitze der Nahrungskette stand, er war kein Löwe, vielmehr eher so etwas wie ein Schakal. Anders als die späten Tyrannosaurier war er mit drei Metern recht klein, war aber wohl ein flinker Läufer. Zu seiner Beute gehörten die Jungtiere anderer Saurier, aber auch kleine pflanzenfressende Saurier, die wie die Zebras, Gnus oder Antilopen heute nur in der Herde Schutz finden und ansonsten recht wehrlos sind.

    "In seiner Umgebung lebten andere, sehr viel größere Räuber, vor denen er sich in acht nehmen musste. Das gilt übrigens für die meiste Zeit der Tyrannosaurier-Geschichte. An den Knochen können wir ablesen, dass ein Guanlong mit sieben Jahren ausgewachsen war. Wir haben zwei Fossilien gefunden, und das größere Individuum starb mit etwa zwölf Jahren, also im besten Alter, wenn man davon ausgeht, dass sie es auf 20 Jahre bringen konnten. Unser kleineres Exemplar erwischte es bereits mit sechs Jahren. Was Guanlong wucaii von allen anderen Tyrannosauriern und auch von T-Rex deutlich unterscheidet, ist ein große, bizarr geformter Knochenkamm auf seiner Schnauze, der so ähnlich aussieht wie heute bei einem Kasuarvogel."

    Der jüngere hatte nur einen kleinen Kamm. Der des größeren war hingegen sehr gut entwickelt, beschreibt es Thomas Holtz:

    "Das legt nahe, dass diese Struktur vielleicht ein Äquivalent für das Geweih der Hirsche gewesen ist, vielleicht sollte es die sexuelle Attraktivität steigern oder diente als Statussymbol. Vielleicht war es aber auch eher so etwas wie die Hörner bei den Antilopen, die ihre Artgenossen daran erkennen."

    Der Knochenkamm war hohl und zu Lebzeiten wohl mit Luftsäcken ausgekleidet, wahrscheinlich, damit er nicht zu schwer wurde und beim Beißen störte. Dieser große Kamm war jedoch nur sehr schmal, vielleicht so dick wie eine Tortilla, ein zerbrechlicher Schmuck also. Es scheint paradox, dass ein primitives Raubtier eine empfindliche Nasenkrone trug. Eigentlich passt das gar nicht zu so einem Geschöpf. Holtz:

    "Deshalb konnte er - anders als die späteren Tyrannosaurier - seine Beute nicht mit seinen Kiefern packen und mit ihnen einen Kampf veranstalten. Statt dessen wird er sie mit den Händen gepackt und dann Fleisch aus ihm herausgerissen haben."

    Die Paläontologen haben auf den Nasenknochen einiger Tyrannosauroiden kleine Beulen oder hornartige Schilde gefunden, aber keinen so großen Nasenschmuck. Holtz:

    "Kämme oder Hörner scheinen damals bei den Raubsauriern jener Zeit große Mode gewesen zu sein. Auch Guanlongs größter Feind trug ein solches Horn. Manchmal waren in der Geschichte des Lebens Stacheln auf dem Rücken modern, manchmal Kämme, später bei den Säugetieren Säbelzähne. Mal findet man sie gar nicht, dann tauchen sie plötzlich gehäuft auf, verschwinden wieder, um später neu zu erscheinen. Man weiß nicht warum, aber es gibt diese Moden und nicht nur unter Sauriern."