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Ombudspersonen
Die Hüter ehrlicher Wissenschaft

Ein Drittel aller Forscher geben bei anonymen Befragungen zu, schon einmal in einer Studie getrickst zu haben - Fälle für die Ombudspersonen, die in Deutschland erste Anlaufstelle beim Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten sind. Bei ihrem Symposium in Bonn diskutierten die Vertrauensleute, wie es um die Grundsätze guten wissenschaftlichen Arbeitens in Deutschland bestellt ist.

Von Von Anneke Meyer | 22.05.2015
    Auf einem Tablet und auf Papier sind verschiedene Diagramme abgebildet
    Die Ombudspersonen sehen die Entwicklung des Wissenschaftssystems in den letzten Jahren als Nährboden für Fehlverhalten. (©istock/teekid)
    "Wir müssen nicht schmollen, dass es irgendwo Fehler gibt, aber wir müssen transparent mit ihnen umgehen, damit gezeigt wird. Aha! Problem erkannt, versucht was gegen das Problem zu tun."
    Rund 60 Fälle hat Wolfgang Löwer dieses Jahr bearbeitet. Etwa 140 weitere Anfragen gingen an lokale Ombudspersonen der Universitäten. Zahlen, die seit Jahren langsam aber stetig steigen. Für Wolfgang Löwer eigentlich eine gute Entwicklung - hin zu einem wachsenden Problembewusstsein. Andererseits sehen die Ombudspersonen die Entwicklung des Wissenschaftssystems in den letzten Jahren als Nährboden für Fehlverhalten.
    "Natürlich ist die Drittmittelsucht, die Verknüpfung von Zeitarbeitsverträgen mit Forschungserfolgen, ... Und jetzt schlagen die Experimente fehl. Drehe ich dann ein bisschen an den Schrauben, dass das doch hin kommt? Das sind natürlich alles Punkte, wo moralische Gefährdungen wachsen."
    Genau wegen solcher moralischen Stolperfallen sind aus Sicht des Wissenschaftsrates Regeln, die wissenschaftliches Fehlverhalten verhindern sollen, nicht genug. Das Ratgeber-Gremium der Bundesregierung betont, auch die Selbstverständlichkeit mit der sorgfältig und ergebnisoffen geforscht wird, müsste gestärkt werden. Ein Aspekt, dem von Seiten der Universitäten aus eher wenig Beachtung geschenkt wird. Umfrageergebnisse zeigten, dass nur 40 Prozent der teilnehmenden Universitäten eine Richtlinie für gute wissenschaftliche Praxis hatten. 46 Prozent kannten immerhin die entsprechende Denkschrift der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft.
    Ganz anders sieht es im benachbarten Dänemark aus. Dort haben sich alle Universitäten gemeinsam auf eine Richtlinie zur guten wissenschaftlichen Praxis geeinigt. Der Anstoß dazu kam vom Dänischen System zur Sicherung der Integrität, für das Thomas Nørgaard arbeitet.
    "Der größte Unterschied zwischen dem Dänischen und dem Deutschen System ist, dass wir eine gesetzliche Grundlage haben. Ich denke, dass verleiht den Entscheidungen mehr Gewicht."
    Dänemark ist eins von nur drei Ländern in ganz Europa, das eine rechtlich legitimierte Institution zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft hat. Für Deutschland hält Wolfgang Löwer ein solches System nicht für denkbar.
    "Wir hängen daran, dass es dezentrale Lösungen sind und sagen, es ist Aufgabe der Wissenschaft, selbst diese Qualitätskontrolle zu handhaben, es ist keine ministerielle Aufgabe, auch keine zentralstaatliche Aufgabe. Wir wollen gerne Tatsachenaufklärung, Vorbeugung, Unterrichtung und so weiter, als Leitungsaufgabe der Universitäten sehen."
    Statt für gemeinsame Leitlinien plädiert er dafür, individuelle Maßnahmen zu nutzen. Auch so könne die wissenschaftliche Moral gestärkt werden.
    "Diese Mentalität, alles in Zahlen zu übersetzen, die dann Qualität ausdrücken sollen, braucht man für bestimmte Großzusammenhänge. Aber umso eher das an eine individuelle Beurteilung heran geht, umso problematischer wird das. Dem könnte man Rechnung tragen und dadurch etwas Druck aus dem Kessel nehmen. Also lesen statt zählen wäre eine gute Empfehlung"