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Online-Spiel EteRNA
Puzzeln für die Wissenschaft

RNA, die Ribonukleinsäure, übernimmt regulatorische Aufgaben im Zellstoffwechsel. Unbekannt ist noch, nach welchen Regeln sich die RNA-Ketten zu dreidimensionalen, biologisch aktiven Strukturen falten. Mithilfe eines Puzzlespiels im Internet wollen Wissenschaftler das herausfinden und werden dabei von einer kleinen Gruppe Amateur-Wissenschaftler unterstützt.

Von Magdalena Schmude |
    Zwei Laptops stehen sich gegenüber. Hände tippen darauf.
    Mit anderen Spielern um die Wette puzzeln: Beim eteRNA-Online-Spiel wird jede Woche über die besten Lösungsvorschläge abgestimmt. (picture alliance / dpa - Aliisa Piirla)
    Bevor Fernando Portella begann, Molekülstrukturen zusammen zu puzzeln, hatte er mit Biologie nicht viel zu tun. Seit der Software-Ingenieur vor etwa zwei Jahren auf das Online-Spiel EteRNA stieß, ist das anders:
    "Es gab keinen Tag, an dem ich nicht mindestens eine oder zwei Stunden damit verbracht habe, manchmal sogar mehr. Ich bin einfach nicht mehr davon weggekommen."
    Bei EteRNA bekommt der Spieler Punkte dafür, dass er aus einer langen Kette aus Nukleotiden, den Bausteinen der RNA, ein vorgegebenes Molekül faltet. Der Spieler legt fest, in welcher Reihenfolge die Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil aufeinander folgen. Das bestimmt die dreidimensionale Struktur des gesamten Moleküls, weil die verschiedenen Basen miteinander wechselwirken. Adenin bindet an Uracil, Cytosin an Guanin. So bilden sich Knicks oder Schleifen, aus denen die Gesamtstruktur entsteht.
    Fernando Portella ist mittlerweile einer der besten der etwa 37.000 EteRNA-Spieler weltweit. Genau wie er war auch Jeehyung Lee, Informatik-Doktorand an der Universität Pittsburgh, zunächst wenig an RNA interessiert, als er das Spiel entwickelte.
    "Um ehrlich zu sein: Ich war nicht direkt an RNA interessiert, sondern wollte aus einem wissenschaftlichen Problem ein Spiel machen. Ich wollte ein Spiel entwickeln, bei dem die Leute Moleküle erschaffen, die dann tatsächlich im Reagenzglas hergestellt werden, damit man sehen kann, wie diese Moleküle in der Natur funktionieren. Und RNA war perfekt dafür."
    Mit anderen Spielern um die Wette puzzeln
    Hat ein Spieler 10.000 Punkte gesammelt, bekommt er Zugang zum zweiten Teil des Spiels, dem RNA-Lab. Dort arbeiten die erfahrenen Spieler an Molekülen, die die Wissenschaftler gerne synthetisch herstellen würden, deren Bauplan sie aber nicht kennen. Denn dafür muss die genaue Reihenfolge der Nukleotidbasen bekannt sein. Die EteRNA-Community findet diese Sequenz für die Forscher heraus. Der besondere Reiz: Jede Woche puzzeln die Spieler um die Wette und stellen ihre Lösungsvorschläge dann den anderen Spielern zur Abstimmung vor. Die Struktur mit den meisten Stimmen wird in einem Labor an der Universität Stanford synthetisiert.
    "Nachdem die RNA synthetisiert ist, behandeln wir sie mit einem chemischen Reagenz, um zu sehen, wie gut sie sich in die vorhergesagte Struktur faltet. Das Ergebnis sind Werte zwischen null und hundert Prozent, je nachdem, wie stark das Molekül der Zielstruktur ähnelt."
    Die Vorschläge der erfahrenen Spieler erreichen dabei regelmäßig über neunzig Prozent Übereinstimmung mit dem vorgegebenen Molekül. Damit übertreffen die EteRNA-Spieler alle bisher verfügbaren Computerprogramme für die Vorhersage der Nukleotidsequenz von RNA-Molekülen. Durch das Feedback, das die Spieler aus den Syntheseexperimenten bekommen, lernen sie ständig dazu. Im Internet hat sich eine lebhafte Gemeinschaft gebildet, die sich über die besten Lösungsstrategien austauscht und daraus Design-Regeln ableitet. Das hilft auch den Forschern, die mit den Erfahrungen der Spieler ein neues Vorhersageprogramm entwickeln.
    "Es war sehr wichtig, eine Gemeinschaft zu bilden, um die Lösungsstrategien der Spieler zu bekommen. In der Community können die Spieler ihre unterschiedlichen Herangehensweisen austauschen und darüber diskutieren, was richtig oder falsch ist. Ich denke, dass wir nur deshalb unsere eigenen Strategien verbessern konnten."
    "EteRNA zu einer offenen Forschungsplattform machen"
    Für Jeehyung Lee ist EteRNA der Beweis, dass sich die menschliche Intuition in Verbindung mit wissenschaftlichen Methoden effektiv nutzen lässt, um komplexe Probleme zu lösen. Davon sollen auch andere Forscher profitieren.
    "Wir versuchen, EteRNA zu einer offenen Forschungsplattform zu machen. Dann können andere RNA-Forscher die Strukturen, die für sie interessant sind, dort einstellen und die Spieler entwerfen den Bauplan für sie."