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Online-Strategie
Die "New York Times" auf digitalem Erfolgskurs

Vor zehn Jahren hat die "New York Times" angekündigt, für ihre Online-Inhalte Geld zu verlangen. Seitdem wächst die Zahl der Abonnenten, in diesem Jahr wurde erstmalig im Internet mehr Geld verdient als mit der Printausgabe. Nun will die Zeitung verstärkt im Ausland weiterwachsen.

Von Sinje Stadtlich | 30.11.2020
Ein Smartphone liegt auf einer Ausgabe der "New York Times"
Der Newsletter "The Edit" - eines von vielen digitalen Angeboten der "New York Times" (picture alliance / dpa / Henrik Josef Boerger)
Zehn Millionen Abonnenten im Jahr 2025 – dieses Ziel hatte die "New York Times" vor nicht einmal zwei Jahren ausgerufen. Mittlerweile ist das Unternehmen davon überzeugt, dass es diese Marke deutlich früher erreichen wird. Entscheidend sei dabei die "subscription first"-Strategie, sagt Stephen Dunbar-Johnson, der bei der New York Times das internationale Geschäft verantwortet: Abos haben Priorität – vor allem Digital-Abos.
"Unsere Zeitung ist ein digitales Produkt. Wir verstehen uns als Technologie-Unternehmen und investieren hier auch. Während wir unsere Redaktion in den vergangenen Jahren nochmal ausgebaut haben, um bestmöglichen Journalismus zu garantieren, haben wir gleichzeitig auch unsere Technikkapazitäten erweitert. Das ist jetzt der größte Bereich gleich hinter dem Journalismus."
17 Dollar für vier Wochen kostet ein Digital-Abo standardmäßig. Immer wieder lockt das Unternehmen allerdings mit deutlich günstigeren, ausgeklügelten Spar-Angeboten. 2020 haben die digitalen Erlöse des Unternehmens zum ersten Mal die Print-Erlöse überholt. Eingerechnet sind dabei nicht nur journalistische Angebote, sondern auch digitale Extras wie Kochen oder Kreuzworträtsel. Die neue Vorstandsvorsitzende Meredith Kopit-Levien in einer Pressekonferenz: "Digital-Abos sind jetzt nicht nur unsere am schnellsten wachsende und wichtigste Einnahmequelle, sondern sie werden auch bald die größte sein. Das ist ein Meilenstein, für den wir lange gearbeitet haben und er zeigt, wie nachhaltig unsere Strategie ist."
Kommentar zur Meinungsvielfalt in der New York Times
In der New York Times war ein Gastkommentar zu lesen, der Trump nach dem Mund redete. Doch mit der Reaktion auf diesen Meinungsbeitrag hat die Zeitung keinen Beweis ihrer journalistischen Qualität geliefert – sondern ihren Bewunderern eine Ohrfeige verpasst, wie Antje Passenheim kommentiert.
"Wir investieren weiterhin außerhalb der USA"
Das ist auch nötig, denn die Digitalsparte muss den Rückgang von Print- und Anzeigengeschäft kompensieren. Dafür muss die New York Times auch in Zukunft neue Leserinnen und Leser gewinnen. Das versucht sie auch außerhalb der USA: Schon jetzt sei mit etwa 18 Prozent ein großer Anteil des Geschäfts international, so Stephen Dunbar-Johnson.
"Unser Ziel sind 20 Prozent internationale Nutzer. Also von den zehn Millionen Abonnenten, die wir anstreben, werden das dann so zwei Millionen sein. Wir investieren weiterhin in Journalismus außerhalb der USA, wir werden die internationalen Teams für Investigation, Video und Audio aufstocken. Internationale Berichterstattung ist immer ein wichtiger Teil unserer Mission gewesen, aber jetzt ist sie auch ein entscheidender Baustein unserer Geschäftsstrategie."
Und: Print goes Podcast
Diese Geschäftsstrategie ist mittlerweile eine multimediale. Zuletzt hat die "Times" verstärkt im Audiobereich expandiert: Im Juli kaufte das Unternehmen "Serial Productions", Produktionsfirma des extrem erfolgreichen Podcasts "Serial". Außerdem produziert das Unternehmen selbst verschiedene Podcasts, allen voran "The Daily" – mit zehn Millionen Hörern monatlich.
"Etwa drei Viertel dieser Hörer sind unter 40 Jahre und ein großer Teil ist weiblich. Also ist ‚The Daily‘ für uns sehr hilfreich, um neue Zielgruppen zu erschließen und sie langfristig als Abonnenten zu gewinnen. Außerdem sind diese sehr großen Zielgruppen auch sehr attraktiv für Anzeigenkunden. Also, Audio wird in Zukunft sehr wichtig für uns sein."
Innovationen bei der "New York Times"
Die US-Tageszeitung setzt mit einer verjüngten Redaktion auf Datenjournalismus, Personalisierung und Multimedia. Klassischer Journalismus sei aber immer noch das Herzstück der Zeitung, sagte ihr Digitalchef Nick Rockwell dem Dlf. Ein Bericht von 2019.
Vorbild für andere?
Als eine der wenigen Zeitungen schafft es die "New York Times" momentan, trotz der überall in der Branche sinkenden Anzeigenerlöse nicht nur zu überleben, sondern zu wachsen. Wichtig dafür sei, sich vom Anzeigengeschäft nicht zu abhängig zu machen, sagt Dunbar-Johnson. Das sei allerdings nicht für jede Lokalzeitung so ohne weiteres möglich.
"Unser Modell ist nicht für jede Zeitung richtig. Es gibt viele mögliche Geschäftsmodelle. Ich denke, das Minimum müsste sein, dass Zeitungen ihre Leser dazu bringen, sich zu registrieren, um Inhalte zu lesen. Man muss eine Beziehung zu seinen Lesern aufbauen. Und dann kann man anfangen, unter den registrierten Nutzern verschiedene Bezahlmodelle zu testen."
Für den Journalismus war die Nachrichtenlage im Jahr 2020 ein Glücksfall. Ob sich in Zukunft auch ohne Donald Trump und ohne Pandemie der starke Zulauf zur "New York Times" halten wird, muss sich erst noch zeigen. "Natürlich war das ein Ausnahme-Jahr mit Covid und der Wahl. Aber die Nachrichtenlage wird auch in der Zukunft interessant bleiben. Wir denken, dass der Markt für Qualitätsjournalismus noch viel größer ist, wir rechnen mit insgesamt 100 Millionen potentiellen Nutzern. Also, wir glauben, wir können noch über unser Zehn-Millionen-Ziel hinauswachsen."