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Online zur Meisterprüfung surfen

An Hochschulen ist es nichts Ungewöhnliches mehr: Vorlesungen können im Internet mitverfolgt und die entsprechenden Skripte nachgelesen werden. Viel seltener wird das Internet allerdings in der Facharbeiter- und Handwerksausbildung genutzt. Da hat ein Projekt in Ludwigsburg geradezu Pilotfunktion.

Von Thomas Wagner |
    "So, ich logge mich jetzt ein ins Internet und dann direkt in die Online-Akademie. Also zum Beispiel gibt es hier ein Dokument, das heißt: Häufig gestellte Fragen zum Fachgespräch. Das ist also die mündliche Prüfung, die die absolvieren müssen. Das klick ich einfach an: Hier ist zum Beispiel eine Frage: Wie sieht der zeitliche Ablauf der Prüfung aus ? Dann ist die Antwort: Es gibt eine zehnminütige Präsentation, anschließend ein 20minütiges Fachgespräch."

    Wenn Dozentin Ina Wiedmann im Gebäude der IHK Ludwigsburg am Rechner sitzt, weiß sie sich im virtuellen Schulungsraum nicht alleine: Seit zwei Jahren müssen alle, die beim "VfB" die Ausbildung zum Industriemeister durchlaufen, solche Aufgabenblöcke im Internet bearbeiten - irgendwo zuhause, an ihrem eigenen Rechner, und das Tag für Tag. "VfB" hat in diesem Fall mit Fußball nichts zu tun. Die Abkürzung steht für "Verein zur Förderung der Berufsbildung", der von Betrieben, aber auch von der IHK Region Stuttgart getragen wird - und der als einer der ersten Institutionen bundesweit einen Teil der Meisterausbildung übers Internet abwickelt. Juliane Lechner ist Geschäftsführerin des Ludwigsburger Bildungsträgers:

    "Das ist das typische Blended-Learning. Das heißt: Der Teilnehmer bringt sich selber ein theoretisches Grundwissen bei über dieses Online-Modul und kann dann an die praktische Umsetzung gehen in der Gruppe. Er tut das vor seinen Mitteilnehmern, was er in der Prüfung auch tun muss."

    Konkret: Die Ausbildungsmodule im Internet können die Präsenzkurse nicht ersetzen. Wie früher auch, kommen die Teilnehmer berufsbegleitend an zwei Abenden pro Woche sowie am Samstagvormittag zusammen - und das über drei Jahre hinweg; so lange nämlich dauert die Meisterausbildung. Gleichwohl stellen die Online-Lehrangebote einen festen, eigenständigen Baustein in der Meisterausbildung dar. Sie bereiten die Teilnehmer besser als bisher auf die Abschlussprüfungen vor. Dabei sind unter anderem Fertigkeiten wie Präsentation und Gesprächsmangement gefragt . Ina Wiedmann:

    "Also die Prüfungen bei den Meistern sind inzwischen - man nennt das - 'handlungsorientiert'. Das heißt: Es wird kein reines auswendig gelerntes Wissen mehr abgefragt. Sondern die Teilnehmer müssen in der Prüfung zeigen, dass sie den Stoff verstanden haben und in Praxissituationen anwenden können."

    Die Präsenzzeiten können Dozenten und Kursteilnehmer vollständig darauf wenden, diese praxisorientierten Fähigkeiten zu trainieren. Den 'theoretischen Unterbau' lernen die angehenden Industriemeister zuhause, beim Studium der Lernmordule am eigenen PC.

    "Ein Beispiel: Sie lernen in der Theorie, wie man mit Gruppen oder mit ihren Mitarbeitern umgehen müssen, wie man die Teambildung macht, aber müssen das dann von Fallbeispielen, Rollenbeispielen, Szenarien beweisen, dass sie das auch wirklich können. Also nicht nur die Theorie im Kopf haben, sondern das ganze auch anwenden können. Oder ein anderes Beispiel: Sie lernen, wie man Vorträge hält, wie man präsentiert, aber nicht in der Theorie, sondern sie müssen das ganz konkret tun. Und deshalb nutzen wir die Lernmodule, um theoretische Grundlagen selbst zu erarbeiten , um den Stoff auch zu vertiefen . So können wir uns dann im Unterricht auf das Üben und Anwenden konzentrieren. Das ist auch das, was sich durch diese Online-Akademie auch geändert hat."


    "Frau Paulsen meinte, wir sollten ein Informationsblatt über den Tag der offenen Tür machen. Und dann wäre es gut, wenn einer von uns die ganze Sache mal präsentiert.

    Darf ich raten ? Dabei haben Sie an mich gedacht.

    Ja klar, Sie haben das Projekt geleitet. Da ist so ein Informationsblatt doch eine Kleinigkeit, oder ?

    Wieder einmal hat Peter Müller eine besondere Aufgabe: Sehen Sie auf den folgenden Seiten, was an Arbeit auf ihn zukommt."


    Bei der Gestaltung der Aufgabenblöcke setzen die Dozenten auch so genannte Soundfiles ein. In kurzen Spielszenen sollen die Teilnehmer praxisnah an ihren zukünftigen Arbeitsalltag herangeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass jeder einen Rechner hat.

    "Zu Anfang war das ein Problem. Da hatten vielleicht zwei Drittel der Teilnehmer zuhause die Möglichkeit, einen PC zu nutzen. Inzwischen zeigt sich dieses Problem eher selten. Wenn die Lehrgänge entsprechend ausgeschrieben sind, also wenn in der Broschüre genau erklärt wird, dass die Lehrgänge mit Online-Nutzung durchgeführt werden, dann schaffen sich die Teilnehmer auch für den Lehrgang entsprechend die Ausstattung an. Und hier in der Region haben mir sehr viele Teilnehmer gesagt, dass sie, wenn sie für den Lehrgang einen PC kaufen und sich einen DSL-Anschluss legen lassen, das auch steuerlich geltend machen können, dass das relativ problemlos geht, weil dieses Medium einfach für den Unterricht notwendig ist und für das Bestehen der Prüfung auch notwendig ist", "

    so Dozentin Ina Wiedmann. Nach ihrer Meinung machen gerade bei angehenden Industriemeistern solche Online-Module ganz besonders Sinn. Schließlich arbeiten die Teilnehmer bereits Fulltime in einem Betrieb.

    " "Also wir haben einmal natürlich im Meisterlehrgang sehr viele, die in der Schicht arbeiten, im Dreischichts-System. Und die können in bestimmten Unterrichtssequenzen gar nicht teilnehmen. Die werden dann über die Online-Akademie auf dem Laufenden gehalten. Viele Mitarbeiter entsenden ihre Mitarbeiter für mehrere Monate für Projektaufträge ins Ausland. Auch hier können die bei der Stange bleiben, können dem Unterricht weiter folgen. Und natürlich auch bei Krankheit oder familiären Einschränkungen - das in der Zeit natürlich auch Kontakt zum Lehrgang bestehen bleibt und man beim Stoff auf dem laufenden bleibt."

    Sowohl Geschäftsleitung als auch Dozenten des VfB Ludwigsburg sind sich einig: Das Online-Lehrangebot hat sich bewährt. Es wird mittlerweile für die Ausbildung zum Industriemeister Metall, zum Industriemeister Elektro und zum Mechantronikermeister angeboten. Allerdings finden solche Online-Module in der Meisterausbildung außerhalb von Ludwigsburg nur zögerlich Eingang in das Berufsbildungsangebot. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass damit Mehrkosten verbunden sind - einmal für die technische Infrastruktur, zum anderen für die zusätzliche Anleitung durch die Dozenten: Etwa acht zusätzliche Unterrichtsstunden müssen angesetzt werden, bis die Lehrgangsteilnehmer vollends fit sind im Umgang mit den Online-Modulen. Außerdem stehen die Dozenten im Ludwigsburger Beispiel auch in den virtuellen Chatrooms regelmäßig für virtuelle Nachfragen der Kursteilnehmer zur Verfügung. Dennoch glaubt Juliane Lechner, Geschäftsführerin des Vereins zur Förderung der Berufsbildung:

    "Ich denke, die Vorteile werden noch nicht so erkannt. Ich kann nicht verstehen, dass es sowenig genutzt wird. Ich kann nur jedem raten, dafür offen zu sein. Ich denke, die Zeit ist auch reif dafür. Wir haben nur Vorteile dadurch, und ich denke, dass es sowohl die Dozenten als auch die Teilnehmer nach gewissen Anlaufschwierigkeiten auch so sehen."