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Onlineplattform
Unterrichtsmaterial gegen Antisemitismus

Auf vielen Berliner Schulhöfen sind judenfeindliche Beschimpfungen zu hören. Eine neue Onlineplattform will Lehrern bei der frühen Antisemitismus-Prävention helfen. Dafür stellt sie gratis im Netz Lehrmaterial zur Verfügung - und gibt auch ganz konkrete Tipps für den Alltag.

Von Manfred Götzke |
    Der Spruch "Gegen jeden Antisemitismus!" prangt an einer Toilettenwand der Philipps-Universität in Marburg.
    Antisemitismus ist auf Berliner Schulhöfen oft zu finden (picture alliance / dpa/ Arne Dedert)
    "Ich hasse die. Die sind einfach so schlimm. Die sind Bastarde einfach. Die sind Problem, die sind das Problem."
    Ganz ohne Umschweife sagen Ahmed und Erkan, zwei türkischstämmige Berufsschüler aus Köln-Kalk, was sie von jüdischen Mitbürgern halten. Nicht viel.
    "Bruder, ich hab was gegen Juden, ich mag Juden einfach nicht. So wie die meisten Deutschen keine Türken mögen."
    Auch in Berlin und in anderen Teilen Deutschlands vergeht mittlerweile kaum eine Woche, ohne dass antisemitische Vorfälle in Schulen publik werden - Beschimpfungen wie "Du Jude", nicht selten auch körperliche Gewalt. Lehrerinnen und Lehrer sind mit solchen Übergriffen oft überfordert, wenn sie sich im Unterricht oder auf dem Schulhof ereignen.
    Unterrichtsmaterial im Netz
    "Die zweite Säule neben unserer pädagogischen Arbeit ist das, was heute im Mittelpunkt steht, diese Onlineplattform…"
    Die "Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus" hat deshalb ein Online-Portal entwickelt, das Lehrer in solchen Situationen weiterhelfen – sie vor allem aber weiterbilden soll.
    "Unser Ziel war, einen Platz zu schaffen, der niedrigschwellig und bundesweit Zugang schafft, für Lehrkräfte, sich zum Thema Bildungsarbeit und Antisemitismus zu informieren und auch konkret Bildungsmaterialien für die eigene Praxis runterladen zu können und damit zu arbeiten."
    Anne Goldenbogen klickt sich in der Landeszentrale für politische Bildung vor rund 20 Gästen durch das Portal. Sie leitet bei der Kreuzberger Initiative das Projekt "Anders Denken". Schon seit fast vier Jahren - also bereits bevor der Antisemitismus unter Jugendlichen zum allgegenwärtigen Phänomen wurde - arbeitet sie an Konzepten für die antisemitismuskritische Bildungsarbeit. Und zwar gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern. Das Portal ist ein Ergebnis davon.
    "Sie finden da drei Bereiche vor, ein großer Bereich 'Informieren', wo sie unterschiedliche Texte finden können, dann gibt es den Bereich 'Orientieren', der eher der Debatte gewidmet ist, und dann gibt es den Bereich 'Agieren', da gibt es Bildungsmaterialien für Schüler ab 14 Jahren, man kann sich die Zielgruppe genauer aussuchen und man kann unterschiedliche thematische Schwerpunkte auswählen".
    Prävention steht im Mittelpunkt
    Wenn Lehrer in ihrer Schule ganz konkret mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert werden, rät sie vor allem dazu: nicht skandalisieren.
    "Auch nicht in Aufregung zu verfallen, sondern sich den Sachverhalt ganz genau anzugucken, mit den Beteiligten auch erstmal ins Gespräch zu kommen, wenn es um konkrete Vorfälle geht, was passiert ist und welche Motivationslagen dahinter lagen und auf der Grundlage zu entscheiden was zu tun ist."
    Goldenbogen und ihren Projekt-Mitarbeitern geht es aber vor allem darum, dass es gar nicht erst zu solchen Vorfällen kommt und die Lehrer, wie sie es nennt, Feuerwehr spielen müssen. Sie geht mit ihrem Projekt dafür selbst immer wieder in die Schulen.
    "Wir haben pädagogische Konzepte, die jeweils sechs Schulstunden haben und sich ausgewählten Schwerpunktthemen widmen, zum Beispiel Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt oder der Erinnerungskultur. Die Schülerinnen und Schüler stehen im Mittelpunkt und wir arbeiten da anders als Schulen, weil es uns nicht darum geht, am Ende das richtige Ergebnis zu haben, sondern weil es uns darum geht, Reflexionsprozesse anzuregen."
    Genauso könne ein Schulklima entstehen, in dem es eben gar nicht erst zu Ausgrenzung, Mobbing, Rassismus und Antisemitismus kommt.