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Opel: Wir wollen wissen, "wie es insgesamt auch weitergeht"

Rainer Einenkel, Chef des Opel-Betriebsrats, erwartet vom künftigen Investor den Erhalt der Arbeitsplätze. MAGNA habe es als Nicht-Konkurrent einfacher. Der österreich-kanadische Autouzulieferer hat jedoch im Falle eines Zuschlags einen Arbeitsplatzabbau nicht ausgeschlossen.

Rainer Einenkel im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Guten Tag, Herr Einenkel!

    Rainer Einenkel: Ja, seien Sie gegrüßt!

    Schütte: Der hessische Ministerpräsident Koch hat heute Morgen im Deutschlandfunk eine Rangliste aufgestellt: MAGNA an eins, der US-Finanzinvestor Ripplewood an zwei, FIAT weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Herr Einenkel, wie sieht denn Ihre Rangliste aus?

    Einenkel: Ja, gut, der Ministerpräsident von Hessen hat sicherlich ein paar mehr Informationen als die, die uns vorliegen. Wir kennen einige Überschriften, wir kennen einige Pläne, insbesondere die von FIAT, die haben ja nicht gerade zur Begeisterung beigetragen. Und wir werden sicherlich in der nächsten Woche am Dienstag auch als Beschäftigte, als Betriebsräte von MAGNA, von Ripplewood, vielleicht auch von FIAT die Pläne vorgestellt bekommen. Und dann werden wir auch eine ausführliche Bewertung vornehmen können.

    Schütte: Welche konkreten Informationen fehlen Ihnen denn noch für eine Bewertung?

    Einenkel: Wir brauchen nicht nur die Aussage, dass die Werke erhalten bleiben – das ist natürlich das Mindeste, was man benötigt –, wir brauchen auch eine Aussage, wie es insgesamt auch weitergeht. Das geht darum, dass wir auch in den Werken eine zukunftsfähige Produktion bekommen, dass die Arbeitsplätze abgesichert bleiben, dass die Menschen auch eine Perspektive haben. Ich nenn's als Beispiel: Es nützt sich nichts, wenn man sagt, das Bochumer Werk bleibt bestehen, aber letztendlich sagt man vielleicht nicht, was wir dort bauen können. Und das gilt gleichermaßen für alle anderen Werke. Also wir brauchen auch schon vernünftige Produktionszusagen und auch, was denn im Einzelnen wie gebaut wird. Dann kann man sicherlich auch eine vernünftige klare Aussage treffen.

    Schütte: Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt heute: Der Gesamtbetriebsrat Opel befürwortet ebenfalls MAGNA. Wissen Sie da in Bochum weniger als in Rüsselsheim?

    Einenkel: Der Gesamtbetriebsrat hat sich in der Form noch nicht zusammengesetzt und kann deswegen noch nicht eine gemeinsame Position geäußert haben. Natürlich hat jeder Einzelne von uns das Recht, eine eigene Meinung zu haben. Und ich habe auch in Vergangenheit gesagt, dass uns die Erfahrung mit FIAT natürlich prägt, und das war ja nicht unbedingt die glücklichste Ehe, die wir in der Vergangenheit hatten, von 2000 bis 2005. Und so gesehen hat FIAT natürlich umso mehr die Aufgabe nachzuweisen, dass man sich mittlerweile geändert hat und ein anderes Konzept vorliegen hat. Und diese beiden Konzepte ??? und Phoenix, die bekannt geworden sind, auch die sind nicht unbedingt die, die wir haben wollen. MAGNA hat's in der Richtung einfacher. Sie sind kein eigener Automobilhersteller, es gibt keine Konkurrenz, und da gibt's sicherlich auch mehr Gemeinsamkeiten. Aber das werden wir letztendlich bewerten können, wenn die Konzepte vorliegen.

    Schütte: Haben Sie Vertrauen darauf, dass General Motors oder die Bundesrepublik die Entscheidung trifft, die für die Belegschaft die beste wäre?

    Einenkel: Ja gut, wir haben unsere Erfahrungen mit General Motors gemacht, und das waren ja auch nicht die besten, auf jeden Fall in der letzten Zeit. Und die Probleme, die wir heute haben, das sind ja nicht die Probleme von Opel, sondern sind die General-Motors-Probleme, die wir jetzt ausbaden müssen in Europa, aber auch in der USA. Und deswegen sind wir sehr skeptisch, wenn General Motors irgendetwas vorschlägt, wo sie sagen, das wäre das Beste. Bei der Bundesregierung wie aber auch bei den Landesregierungen gehe ich davon aus, dass sie mithelfen gemeinsam mit den Gewerkschaften, mit der IG Metall und auch mit den Betriebsräten in den einzelnen Standorten, ein vernünftiges Konzept zu finden. Es hängt zu viel davon ab, es geht ja nicht nur um die 25.000 Arbeitsplätze bei Opel, sondern um mindestens 100.000 im Zulieferbereich und 35.000 im Kfz-Gewerbe. Und da glaube ich schon, dass die Bundesregierung wie auch die Ministerpräsidenten in der Frage sehr verantwortlich gemeinsam mit uns etwas tun werden.

    Schütte: Ministerpräsident Koch sagt, MAGNA sei am nächsten dran an den Hoffnungen und Wünschen auch der Arbeitnehmer. Nun haben Sie einen Einblick, wie die Opelaner in Bochum vor Ort denken – sprechen die auch angesichts eines möglichen Stellenabbaus von Zehntausenden Arbeitsplätzen von Hoffen und Wünschen?

    Einenkel: Ja gut, wenn der Ministerpräsident Koch so ne Aussage macht, dann muss ich immer erst mal hinterfragen, warum tut er's denn dann. Er hat ja vor einiger Zeit auch schon einmal gesagt, dass man damit leben muss, dass es vielleicht auch zu Werkschließungen auch in Deutschland kommen müsste. Und deswegen bin ich da immer sehr skeptisch, wenn von ihm in der Form etwas gesagt wird. Ich möchte gerne die Konzepte selber sehen, die vorgelegt worden sind. Wir möchten die bewerten. Wenn es um Arbeitsplatzabbau geht, dann sicherlich sozial verträglich, da werden wir auch Lösungen finden. Aber ansonsten bin ich immer etwas skeptisch, wenn Herr Koch solche Aussagen in der Öffentlichkeit macht.

    Schütte: Herr Einenkel, MAGNA böte neue Ideen für neue Märkte – was steckt dahinter?

    Einenkel: Gut, wir haben ja viele Märkte, die mit Opel-Produkten abgedeckt werden können. Ich denke insbesondere an den russischen Markt. Und wir haben in den letzten Tagen viele Gespräche geführt mit Menschen aus Russland, die bei uns zu Besuch waren oder mit denen wir ansonsten Kontakte hatten, die haben eine große Wertigkeit in Produkte, die aus Deutschland kommen, gelegt. Und ich kann mir schon sehr gut vorstellen, dass das ein Markt ist, den wir mit Opel-Produkten, die in Deutschland gebaut werden, noch abdecken können. Und in diese Richtung denkt sicherlich auch MAGNA, und das wäre sicherlich auch eine Möglichkeit, gemeinsam mit der Sberbank und Gaz, die im Gespräch sind, vielleicht auch diesen Markt zu öffnen, speziell auch für Produkte, die in den deutschen Werken hergestellt werden.

    Schütte: Die Pleite des Mutterkonzerns General Motors scheint kaum noch abwendbar. Opel solle herausgehalten werden, deshalb gibt es eine Treuhandlösung. Welche Probleme erwarten Sie trotzdem für den Fall, dass GM demnächst in die Insolvenz geht?

    Einenkel: Gut, wir sind ja in vielen Punkten miteinander vernetzt und verquickt, das geht immer noch um die Frage der Patente und Lizenzen. Da hoffe ich, dass wir schnellstmöglich zu einer Entscheidung kommen, dass diese für uns notwendigen Zusagen, nämlich dass wir die in Deutschland beziehungsweise für Europa zurückbekommen, auch getätigt wird. Es geht um Produktionsverflechtungen, es geht um Entwicklungsverflechtungen und vieles mehr. Also es wird nicht so einfach sein, wenn GM in die Insolvenz geht, dann plötzlich ganz alleine eigenständig hier weiterarbeiten zu können. Da muss ganz vieles an Hausaufgaben gelöst werden. Das muss aber vorrangig auch zwischen der deutschen Regierung und der amerikanischen Regierung getan werden. Da hoffe ich, dass man möglichst schnell auch zusammenkommt, dass man auch aus der Phase des Diskutierens in die Phase des Entscheidens und des Machens kommt, damit wir auch unsere europäische Adam Opel AG, die wir gerne haben wollen, auch langsam einmal hier auf die Beine stellen können.

    Schütte: Wir hören vom Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, Herrn Franz, die Belegschaft im Stammwerk Rüsselsheim und im Testzentrum im hessischen Rodgau-Dudenhofen, die werde im Mai und Juni jeweils eineinhalb Tage arbeiten, ohne dafür Geld zu bekommen, eben bis der staatliche Überbrückungskredit, bis die Bürgschaften greifen. Ist das auch ein Beispiel für den Standort Bochum?

    Einenkel: Nein, ich glaube, das kann man auch nicht miteinander vergleichen, weil jeder Standort eigene Belastungen zu tragen hat. Die Bochumer Beschäftigten haben auch in den vergangenen Jahren bereits ganz viel an Vorleistungen gebracht. Wir haben auf übertarifliche Lohnbestandteile verzichtet, wir sind seit Anfang des Jahres in ständiger Kurzarbeit, und das führt dazu, dass wir in der Richtung auch ziemlich viel an Leistungen haben abgeben müssen. Die Rüsselsheimer werden jetzt in den nächsten beiden Monaten auf insgesamt drei Tage Lohn verzichten, aber dieser Lohn wird ja in Form von freien Tagen Ende des Jahres wieder zurückgegeben. Und das sind aber jetzt Punkte, die speziell für das Werk Rüsselsheim diskutiert worden sind. Die kann man auch nicht auf jedes einzelne Werk übertragen. Da wird es aber auch noch viele Diskussionen auch bei uns geben.

    Schütte: Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender von Opel in Bochum, ich danke Ihnen für das Gespräch!