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Open Source
Software für die Flüchtlingserfassung vermeidet Mehrarbeit

Ein Open-Source-System aus der Katastrophenhilfe könnte Mehrfacherfassungen und zeitaufwendige Doppelarbeit bei Asylverfahren vermeiden. In Mannheim haben freiwillige Programmierer die Software Sahana erfolgreich an die Bedürfnisse der dortigen Flüchtlingsaufnahmestelle angepasst. Ein Vorbild auch für Bund und Länder?

Peter Welchering im Gespräch mit Uli Blumenthal | 13.01.2016
    Flüchtlingsunterkünfte der BEA Benjamin-Franklin-Village in Mannheim (Baden-Württemberg)
    Flüchtlingsunterkünfte der BEA Benjamin-Franklin-Village in Mannheim (Baden-Württemberg) (picture alliance / dpa / Deniz Calagan)
    Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommt - so ist immer wieder zu hören - mit der Registrierung einfach nicht nach. Verantwortlich dafür sind auch fehlende Schnittstellen zur Software der Bundespolizei und daraus resultierende Mehrfacherfassungen. IT-Experten und Rotkreuzhelfer in Mannheim haben ein Erfassungssystem entwickelt, dass außer der Registrierung auch das komplette Asylverfahren begleiten kann. Grundlage der Entwicklung ist eine Open-Source-Software, die bereits erfolgreich in der Katastrophenhilfe eingesetzt wird.
    Mehrfacherfassungen und Doppelarbeit sollen damit bei Asylverfahren der Vergangenheit angehören. Seit Langem besteht genau darin das Problem: Teilweise werden Daten eines Flüchtlings fünfmal separat erfasst, weil sie nicht ordentlich zwischen den Behörden ausgetauscht werden können. Darauf machen Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit 2005 immer wieder aufmerksam.
    Inzwischen hat man auch im Innenministerium erkannt, dass das Problem bei den Schnittstellen liegt. Die fehlen nämlich beim Dokumentenmanagementsystem des BAMF. Im neuen Datenaustauschverbesserungsgesetz sind dafür einige Millionen Euro vorgesehen, eine technische Lösung ist dort aber nicht beschrieben. Die Mannheimer sind da mit ihrer Lösung schon einen Schritt weiter, denn darin werden offene Schnittstellen genutzt. Grundlage des Systems ist hier eine offene Software namens Sahana, die von Freiwilligen schon 2004 entwickelt wurde und seitdem gepflegt wird. Sie ist schon bei vielen Katastropheneinsätzen beispielsweise in Pakistan, auf den Philippinen, in Nepal und Japan erfolgreich eingesetzt worden. Sahana unterstützt die Helfer nicht nur bei der Personenregistrierung - eine der drängendsten Sorgen der Ämter in Deutschland - , sondern bietet auch ein Notunterkunftsmanagement, ein Helfermanagementsystem, eine Terminverwaltung und Lageverzeichnisse.
    Dank der offenen Schnittstellen könnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen oder auch die Bundespolizei mit ihren Systemen eine Mehrfacherfassung der Stammdaten von Flüchtlingen vermeiden und direkt auf bereits erfasste Daten zugreifen. Die offenen Schnittstellen von Sahana liefern hier einen Lösungsansatz, und das haben die freiwilligen Programmierer in Mannheim auch gezeigt. Vor allen Dingen: Sie haben für die Anpassung nur vier Tage gebraucht.
    Nun kann man ein Computersystem für eine einzelne Aufnahmeeinrichtung nicht gleich auch als bundesweites System für die Flüchtlingsregistrierung einsetzen. Womöglich ließe sich aber das beim BAMF bereits eingeführte Dokumentenmanagementsystem um die Sahana-Schnittstellen für den Datenaustausch erweitern. Das wäre weniger ein technisches, als ein organisatorisches und politisches Problem: Bundespolizei, die 16 Bundesländer mit ihren Aufnahmestellen, Hunderte Ausländerbehörden in den Städten, das BAMF und nicht zuletzt das Innenministerium stellen gewissermaßen ein Bündel an Fürstentümern dar, deren Partikularinteressen einer einfachen und zentralen Lösung im Weg stehen. Vor allen Dingen im Bundesinnenministerium herrschen zudem noch Vorbehalte gegenüber Open-Source-Lösungen.
    Das Gespräch können Sie mindestens sechs Monate nachhören.