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Open-Source-Software
Wie sinnvoll sind Ausschlussklauseln?

Mit Ausschlussklauseln für Open-Source-Software wollen Entwickler ihre Produkte vor unrechtmäßiger Nutzung durch Militär oder Geheimdienste schützen. Sie fürchten, dass Menschen damit Schaden zugeführt werden könnte. Kritiker argumentieren, mit solch einer Klausel sei die Software keine freie Software mehr.

Von Jan Rähm | 09.04.2016
    Ein Passwort wird auf einem Laptop über die Tastatur eingegeben. Die Hände auf der Tastatur tragen schwarze Stulpen. Auf dem Monitor sind die Worte "Enter Password" zu lesen. Im Hintergrund erkennt man verschwommen weitere Bildschirme.
    Mit Ausschlussklauseln wollen Softwareentwickler bestimmten Personengruppen die Nutzung ihrer Produkte verbieten. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Die quelloffene Kryptographieplattform Qabel verspricht Verschlüsselung von Anfang an für Dienste wie Cloud, E-Mail oder Messenger und auch Industrieanwendungen. Doch obwohl Qabel quelloffen ist, ist es keine sogenannte "Freie und Open Source Software". Denn: Qabel verbietet Geheimdiensten und Militär die Nutzung seiner Lösung. Doch warum? Peter Leppelt, Geschäftsführer von Qabel:
    "Es ist mehr oder weniger als Statement zu verstehen, dass wir einfach nicht wollen, dass unsere Software, dass unser Werk, das woran wir arbeiten, für Dinge verwendet wird, die Menschen schaden oder irgendwie einschränken. Und nach den Enthüllungen von Edward Snowden schien es uns einfach notwendig, dass irgendjemand irgendetwas tut an der Stelle und irgendjemand muss ja irgendwo anfangen und dann dachten wir uns, machen wir das doch."
    Schutz vor Softwaremissbrauch
    Damit stieß das junge Projekt in das reinste Wespennest. Es gab Kritik aber auch Zustimmung von allen möglichen Seiten. Denn: die Frage gärt schon lange in der Entwicklergemeinschaft. Sicherheitsforscher und Chaos-Computer-Club-Mitglied Thorsten Schröder fasst die Einstellung vieler Entwickler so zusammen.
    "Ich finde halt, dass manche Dinge wichtiger zu bewerten sind und ich möchte halt entscheiden können, ob das Militär meine Software benutzen darf oder nicht."
    Einer der größten Kritiker einer solchen Ausschlussklausel ist die Free Software Foundation. Sie argumentiert, mit einer solchen Klausel sei die Software einfach keine freie Software mehr. Die müsse nämlich vier Freiheiten erfüllen, erklärt der Präsident des europäischen Ablegers der Vereinigung Matthias Kirschner.
    "Das ist einmal, dass die Software von jedem Menschen für jeden Zweck verwendet werden darf. Das ist, dass die Software weiterverbreitet werden darf. Das ist, dass die Software verstanden werden darf, also die Funktionsweise der Software. Dafür ist dann der Quellcode notwendig. Und dass die Software verändert werden kann und auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden muss. Das heißt, die Kernfreiheit ist, dass sie diskriminierungsfrei von jedem Menschen für jeden Zweck verwendet werden darf."
    Lizenzverweigerung für moralisch fragwürdige Zwecke
    Aber gibt es auch gute Gründe, jemanden von der Verwendung des selbst geschriebenen Programmcodes auszuschließen? Thorsten Schröder sagt ja:
    "Teilweise wurde Software nachweislich von Firmen oder Militär auch genutzt, um damit anderen Leuten Schaden zuzufügen. Ein Beispiel ist Collin Mulliner, der hat sehr viel Sicherheitsforschung auf dem Gebiet Android Mobil-Plattform gemacht und da auch viele Frameworks und Code geschrieben hat. Diese Software wurde von der Firma Hacking Team eben verwendet für ihre eigenen Produkte und diese Produkte, die Hacking Team herstellt, die werden an Government von verschiedenen Staaten verkauft, die teilweise eben auch mit der Demokratie das nicht so genau nehmen."
    Hacking Team erlangte eine gewisse Berühmtheit, als durchgestochen wurde, dass mit der Software des Unternehmens nicht nur in Unrechtsregimen Menschen überwacht und ausspioniert wurden. Mit unklaren Folgen für Leib und Leben der Betroffenen. Das wollen Thorsten Schröder und andere Entwickler so nicht hinnehmen und deshalb moralisch fragwürdigen Zwecke die Lizenzierung verweigern. Doch, ob die so Ausgeschlossenen sich an die Lizenzbestimmungen halten? Matthias Kirschner von der Free Software Foundation Europe bezweifelt das.
    "Menschen, die bereit sind, andere Menschen zu töten, halten die sich nachher an eine Lizenz? Das sehe ich sehr kritisch. Ich glaube, dass Menschen, die in Kauf nehmen, dass andere Menschen getötet werden, dass die nicht in die Lizenz reinschauen und sagen, oh ich darf das aber nicht für militärische Zwecke verwenden und dann benutzen die das nicht."
    Militär- und Geheimdienstklausel ebnet Weg für weitere Einschränkungen
    Thorsten Schröder vom Chaos Computer Club hält dagegen.
    "Ich habe so immer noch die Möglichkeit, eine politische Debatte in die Öffentlichkeit zu tragen und dass ist eigentlich so das wichtigste Anliegen dabei. Das heißt, ich kann dabei darauf aufmerksam machen in der Öffentlichkeit, dass hier weiß ich irgendein Militär oder eine kommerzielle Firma die Spionagesoftware herstellt, bewusst gegen meine Bestimmungen, Nutzungsbestimmungen verstoßen hat um das einzusetzen."
    Matthias Kirschner befürchtet allerdings, eine Militär- und Geheimdienstklausel in Lizenzen freier Software würde den Weg frei machen, für viele weitere Einschränkungen.
    "Da gibt es ganz viele Wertesysteme, die jeder Mensch hat. Und die er ja eigentlich verhindern will, dass andere Menschen mit der Software, die man geschrieben hat, solche Sachen machen, die ich auch alle verstehen kann und die ich auch alle für sehr legitim halte, wo dann aber die Frage ist, was erlaubt man noch in Lizenzen und was erlaubt man nicht. Und die Kernforderung von freier Software ist es immer gewesen, dass es diese Freiheit gibt, dass es diskriminierungsfrei verwendet wird."