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Oper der Affen

In ferner Zukunft: Die Menschheit ist so gut wie untergegangen. Auf der Erde regieren jetzt die Affen, und zwischen den Ruinen der mit der Kulturmenschheit natürlich auch untergegangenen Opernhäuser mag sich dann eine düstere Geschichte zutragen, die von fern an ein vergessenes melodramma namens "Rigoletto" erinnert. Ein Astronaut und übriggebliebener homo sapiens gerät in die gemeine Gesellschaft am Hofe des Affenkönigs; ein Außerirdischer, der seine heimliche Tochter und ein-und-alles an den behaarten Verführer verliert und dessen Rache tragisch endet: tot hält er am Ende im Arm, was er vor allem beschützen wollte. - Bei Verdi war das einst ein Opernkrimi, ein seltener Fall von Wahrheitsfindung durch Musik, und als es noch Opernhäuser gab, spielte man dort gern "Rigoletto", der schönen Musik wegen, aber doch auch weil hier quasi echte Menschen in wirklicher Verstrickung zu sehen waren: Verblendete, Verliebte, Verkommene:

Von Holger Noltze |
    Aber was wissen die Affen noch von der Oper. So mochte Doris Dörrie gedacht haben, als sie Rigoletto auf den Planet der Affen versetzte. Und als ihr am Schluss ein außerordentlicher Buhsturm entgegenschlug, hat sie vielleicht noch gedacht: es handele sich dabei um den Reflex auf eine gelungene Provokation. Welch ein Irrtum. Denn Frau Dörrie mag dem, was sie etwas spitzfingrig die "Opernwelt" nennt, zu Recht einen gewissen Analphabetismus vorwerfen, was die Populärmythen der Moderne angeht; Verdis "Rigoletto" aber verspielt sie nicht, weil sie die Hofgesellschaft des Herzogs von Mantua in Affenkostüme steckt, Kubrick, Star Wars und King Kong rauf und runter zitiert. Sondern weil einem die unablässig wuselnden Affen, auch der mehr täppische als tragische Rigoletto vom andern Stern herzlich schnuppe bleiben. In den Kulissen von Dörries Affentheater wird mit Laserschwertern gefuchelt, werden Spiegel vorgehalten, wird sich lasziv an Laternenmasten gerieben; am Ende schneit es Kunstschnee - genau wie in dem Klischee von Oper, das hier so cool aufgepopt werden sollte. Es kommt aber kein Pop heraus, und Wahrheit schon gar nicht, sondern kruder Unsinn, dummschlaues Allusionstheater.

    Zu allem Unglück kommt, dass Zubin Mehtas streckenweise seltsam flüchtiges Dirigat Impulse aus dem Orchester bis kurz vor Schluss weitgehend schuldig bleibt, auch an der Koordination mit der Bühne hapert es. Mark Delavans Rigoletto, mit hörbarer Anstrengung vor allem in der Höhe, vermochte das Drama des Vaters kaum zu transportieren. Für den erkrankten mexikanischen Startenor Ramon Vargas sang der Chilene Tito Beltrán den Herzog mit zuverlässigen Spitzentönen, aber einfarbig. So lag es an Diana Damraus Gilda, mit sicherer Intonation, Piano, Beweglichkeit und schwebenden Glockentönen, diesen traurigen Verdi-Planeten wenigstens momentweise zum Strahlen zu bringen. Bis sich der Himmel über Doris Dörries Opern-Science fiction wieder verdüsterte und man hoffte, dieser Münchener "Rigoletto" möchte ein Ausblick auf eine möglichst ferne Zukunft bleiben.