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Oper "Fadinger"
Revolution der Hutmacher

Am Landestheater Linz wurde Ernst Ludwig Leitners Oper "Fadinger" uraufgeführt. Die Oper handelt von einem Landwirt und Hutmacher, der zum Anführer eines Aufstandes gegen die bayrische Obrigkeit wird. Doch die Inszenierung ist ein Totalausfall.

Von Jörn Florian Fuchs | 09.02.2014
    Wer in Wien nach einem Praterbesuch wieder in die Innenstadt möchte, der landet meist in einer Trambahn, die Börse, Burgtheater, Parlament oder Staatsoper anfährt und am Stefan Fadinger Platz endet. Die Gegend dort ist unspektakulär und lädt kaum zum Verweilen ein. Fadinger, wer mag das wohl sein, denkt man sich, vielleicht ein Geheimrat aus der K.-u.-k.-Zeit?
    Am Linzer Landestheater erfährt man die ganze Wahrheit. Oder zumindest das, was Librettist Franzobel aus den Archiven hervorgekramt und mit allerlei eigenem Material ergänzt hat. Stefan Fadinger lebte von 1585 bis 1626. Er war Landwirt, Hutmacher und zunächst wohl ein eher unauffälliger Zeitgenosse. 1625 wurde in dem oberösterreichischen Örtchen Frankenburg gegen den Willen der überwiegend evangelischen Bevölkerung ein katholischer Pfarrer eingesetzt. Die Folge waren blutige Auseinandersetzungen.
    Zur Strafe veranstaltete die Obrigkeit das "Frankenburger Würfelspiel", die Widerständler mussten dabei buchstäblich um ihr Leben würfeln. Daraufhin bewaffneten sich die Bauern und zogen in den Kampf gegen die katholischen – und bayerischen – Besatzer. Die Schlacht endete 1626, rund 12.000 Aufständische fielen, die Anführer wurden hingerichtet. An deren Spitze standen Stefan Fadinger und sein Schwager Christoph Zeller.
    Natürlich lassen sich heute die genauen Motive Fadingers sowie die historischen Abläufe nicht mehr ganz genau rekonstruieren. Daher macht es durchaus Sinn, ein wenig frei zu assoziieren. Franzobel tut dies, er erzählt etwa von Fadingers Frau Crisam, die alles andere als begeistert über die politischen Geschäfte ihres Gatten ist. Fadinger erscheint als ambivalente Figur, dem es wohl auch um die eigene Macht geht.
    Franzobel spielt mit sprachlichen Klischees, streut derbe Metaphern ein, setzt auf bodenständige Sprache. Bühnenwirksam ist das, trotz einiger Stilblüten und manch dämlichem Wortgeklingel – zum Beispiel reimt sich "Grabe" auf "Schade". Ernst Ludwig Leitners Partitur besticht im ersten Drittel des Abends durch kraftvolle Tonmischungen. Aus der Ferne wehen Drehleierklänge herein. Es gibt schöne orchestrale Schattierungen. Was aber völlig fehlt, ist eine differenzierte Gestaltung der Gesangsstimmen. Alles klingt sehr ähnlich, nur der böse, bayerische Graf von Herberstorff ist mit dem exzellenten Countertenor Daniel Lager besetzt. Allerdings fragt man sich, warum. Ein brutaler Machthaber als vokales Weichei?
    Martin Achrainer bewältigt die vor allem wegen ihrer Länge anstrengende Titelpartie gut, ein paar Farben in der Höhe fehlen. Gotho Griesmeier verleiht Fadingers Gattin vor allem Bühnenpräsenz. Gut koordiniert singen das übrige Ensemble sowie die Chöre. Leitner arbeitet zeitweise mit Reihen, nimmt sich im Gegensatz zu Arnold Schönberg und Nachfolgern jedoch arg viele Freiheiten und reichert sein Material gegen Ende mit viel Rosenkavalier-Pomp und fast wörtlichen Bachzitaten an. Dennis Russel Davies gelingt mit dem Bruckner Orchester eine glänzende Umsetzung der Partitur.
    Zum Totalausfall wird leider die Inszenierung von André Turnheim. Er zeigt irgendwie heutige Figuren in einem kleinbürgerlichen Häuschen, die zeitweise aus selbigem treten oder geraten. Peinliche Farbspritzorgien mit phallischem Riesenschlauch, ärgerliche Ideen wie das Abfackeln einer Fadinger-Puppe mittels Wunderkerzen machen den Abend zu einer oft unfreiwillig komischen Erfahrung. Man sollte diesem ambitionierten Musiktheaterneuling bald noch mal einen anderen Regisseur gönnen.