Die letzte Szene war wieder einmal symptomatisch. Nachdem das Jahrmarkspublikum auf der Bühne in seinem verwirrenden, jedenfalls fernsehgeprägten Getrubel und Getue den Einbruch der Realität zu bemerken schien, schaute es dann aber doch wie gelähmt auf das, was Canio da in der Mitte vor der Bushaltestelle mit der aufgepfropften Werbefläche tat: Der Bajazzo steigerte sich in seinen Eifersuchts-Tiraden; bedrohlich hantierte er mit dem gelben Schlauch, mit dem zuvor kräftig herumgespritzt worden war; er meinte es offensichtlich ernst und erdrosselte Nedda, die eben noch so ansprechend gesungen hatte.
Nicht Tonio beendet nun die Versuchsanordnung mit dem berühmten Satz "La Commedia è finita", sondern Santuzza, die übrig geblieben ist (in und) aus der "Cavalleria rusticana": "The world is not enough", ruft sie den Leuten auf der süditalienischen Straßenparty zu - und das Treiben um Liebe und Ehre, Lust und Spaß kommt an einer Gischtwelle von Beifall und Buh zum Stillstand. Den Sängern pegelt sich der Beifall zu; ungeteilt sogar, wenn sie sich einzeln präsentieren.
Indem Leandra Overmann, die Sopranistin der Santuzza-Partie, dann aber den Regisseur auf die Bühne holt, entlädt sich der angestaute (und von Teilen der Presse vorab geschürte) Unmut. Gegen den Haupttrend im Publikum springt zur Rechten wie zur Linken je ein älterer Herr zur frenetischen Beifallsbekundung auf. Das provoziert nun wieder einen Mann der Ablehnungsfront, der ebenfalls aufspringt und mit erhobenem Stinkefinger Schmähreden in Richtung des Orchestergrabens schleudert. Und so weiter. Das Hannoveraner Gesellschaftsspiel besitzt so noch ein gutes Viertel Stündchen lang einen gewissen Unterhaltungswert. Was war geschehen, das die Gemüter wieder so in Wallung brachte? Musik zuvorderst - und so deftig kredenzt vom jungen estnischen Dirigenten Mihkel Kütson, dass manche Gemütswallung nachvollziehbar blieb.
Calixto Bieito verschränkte die beiden Kurzopern von Mascagni und Leoncavallo - und durchaus auf plausible Weise. Er nutzt zunächst den "Bajazzo"-Prolog, mit dem die Absichten und Grundzüge einer "veristischen" Musikdramatik erläutert werden. Die Ankündigung des Tonio (der auch Alfio ist) wird wörtlich genommen: "Ich habe Ihnen das Konzept erklärt", singt er - und just das scheint auch Bieito zu wollen.
Zwar erklärt er nicht groß, aber er zeigt Geschichte von den Begierden der kleinen Leute als etwas umstandslos Aktuelles: Jederzeit könnte sich derartiges und in etwa so rüde abspielen im Proll-Milieu - diese miese Nummer des Turiddu, der seine Geliebte Santuzza täuscht und abhängt, es mit Lola treibt, die er Alfio ausgespannt hat, um einschlägige Videos zu drehen. Nun gut, warum auch nicht. Clown Beppo aus dem "Bajazzo" ist schon dabei - so wie nachher im Stück von den Pagliacci die offensichtlich überlebensfähige Borderline-Patientin Santuzza weiter herumgeistert.
Genau besehen sorgt Bieito für eine eigentlich recht umsichtige Übertragung der in der ländlichen Rückständigkeit des 19. Jahrhunderts angesiedelten grausamen Geschichten, deren Brutalität er nicht beschwichtigt. Über den Hang, die Erinnerungs-Arbeit durch permanenten Hyper-Aktivismus der Akteure zu bewerkstelligen, darf und soll im einzelnen durchaus gerechtet werden: Da geht kein Dialog ohne Handgreiflichkeit ab - es wird an den Haaren gezogen und an die Gurgel gefasst, die Kleider werden aufgerissen und ein dicker Pinsel markiert Gesichter wie Türen gelb (mit der Farbe der Eifersucht); Gürtel drohen und peitschen, Handtücher schlagen drein und die vielen Plastikstühle dienen dazu, umgestoßen zu werden. Wie die Bierdosen. Und wofür Bananen gut sind im Kontext sexueller Obsessionen kann jeder erraten.
Ja, so platt artikuliert sich der neue überdrückliche Theater-Expressionismus. Viele wünschen ihn zum Teufel, da sie es nun einmal kühl oder lau mögen. Andere begrüßen womöglich Calixto Bieitos emphatische Absichten, sind nur angesichts der Monotonie der Durchführung gelegentlich ungehalten. Oder auch bloß gelangweilt.
Nicht Tonio beendet nun die Versuchsanordnung mit dem berühmten Satz "La Commedia è finita", sondern Santuzza, die übrig geblieben ist (in und) aus der "Cavalleria rusticana": "The world is not enough", ruft sie den Leuten auf der süditalienischen Straßenparty zu - und das Treiben um Liebe und Ehre, Lust und Spaß kommt an einer Gischtwelle von Beifall und Buh zum Stillstand. Den Sängern pegelt sich der Beifall zu; ungeteilt sogar, wenn sie sich einzeln präsentieren.
Indem Leandra Overmann, die Sopranistin der Santuzza-Partie, dann aber den Regisseur auf die Bühne holt, entlädt sich der angestaute (und von Teilen der Presse vorab geschürte) Unmut. Gegen den Haupttrend im Publikum springt zur Rechten wie zur Linken je ein älterer Herr zur frenetischen Beifallsbekundung auf. Das provoziert nun wieder einen Mann der Ablehnungsfront, der ebenfalls aufspringt und mit erhobenem Stinkefinger Schmähreden in Richtung des Orchestergrabens schleudert. Und so weiter. Das Hannoveraner Gesellschaftsspiel besitzt so noch ein gutes Viertel Stündchen lang einen gewissen Unterhaltungswert. Was war geschehen, das die Gemüter wieder so in Wallung brachte? Musik zuvorderst - und so deftig kredenzt vom jungen estnischen Dirigenten Mihkel Kütson, dass manche Gemütswallung nachvollziehbar blieb.
Calixto Bieito verschränkte die beiden Kurzopern von Mascagni und Leoncavallo - und durchaus auf plausible Weise. Er nutzt zunächst den "Bajazzo"-Prolog, mit dem die Absichten und Grundzüge einer "veristischen" Musikdramatik erläutert werden. Die Ankündigung des Tonio (der auch Alfio ist) wird wörtlich genommen: "Ich habe Ihnen das Konzept erklärt", singt er - und just das scheint auch Bieito zu wollen.
Zwar erklärt er nicht groß, aber er zeigt Geschichte von den Begierden der kleinen Leute als etwas umstandslos Aktuelles: Jederzeit könnte sich derartiges und in etwa so rüde abspielen im Proll-Milieu - diese miese Nummer des Turiddu, der seine Geliebte Santuzza täuscht und abhängt, es mit Lola treibt, die er Alfio ausgespannt hat, um einschlägige Videos zu drehen. Nun gut, warum auch nicht. Clown Beppo aus dem "Bajazzo" ist schon dabei - so wie nachher im Stück von den Pagliacci die offensichtlich überlebensfähige Borderline-Patientin Santuzza weiter herumgeistert.
Genau besehen sorgt Bieito für eine eigentlich recht umsichtige Übertragung der in der ländlichen Rückständigkeit des 19. Jahrhunderts angesiedelten grausamen Geschichten, deren Brutalität er nicht beschwichtigt. Über den Hang, die Erinnerungs-Arbeit durch permanenten Hyper-Aktivismus der Akteure zu bewerkstelligen, darf und soll im einzelnen durchaus gerechtet werden: Da geht kein Dialog ohne Handgreiflichkeit ab - es wird an den Haaren gezogen und an die Gurgel gefasst, die Kleider werden aufgerissen und ein dicker Pinsel markiert Gesichter wie Türen gelb (mit der Farbe der Eifersucht); Gürtel drohen und peitschen, Handtücher schlagen drein und die vielen Plastikstühle dienen dazu, umgestoßen zu werden. Wie die Bierdosen. Und wofür Bananen gut sind im Kontext sexueller Obsessionen kann jeder erraten.
Ja, so platt artikuliert sich der neue überdrückliche Theater-Expressionismus. Viele wünschen ihn zum Teufel, da sie es nun einmal kühl oder lau mögen. Andere begrüßen womöglich Calixto Bieitos emphatische Absichten, sind nur angesichts der Monotonie der Durchführung gelegentlich ungehalten. Oder auch bloß gelangweilt.