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"Operation Last Chance"

Nicht zufällig haben die Initiatoren der "Operation Last Chance" den Tag vor dem offiziellen Gedenken an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gewählt, um ihre Aktion in Deutschland auf den Weg zu bringen.

Von Margarete Limberg | 26.01.2005
    Die Jagd auf NS-Täter ist noch nicht zu Ende. Das Simon Wiesenthal Centre ist sicher, dass es noch Tausende NS-Verbrecher gibt, die nie zur Rechenschaft gezogen wurden, die noch unbehelligt unter uns sind. Aber die Zeit drängt, und deshalb hat das Simon Wiesenthal Centre in Jerusalem ein Projekt konzipiert, in dem die Mithilfe der Bevölkerung eine entscheidende Rolle spielt. Die "Operation Last Chance" setzt eine Belohnung von 10.00 Euro aus für Hinweise, die zur Anklage und Verurteilung von NS-Verbrechern führen. So sollen Zeugen gefunden werden, um bisher unbestrafte NS-Täter vor Gericht bringen zu können. Das Argument, das seien doch nun alles alte, kranke Leute, die man in Ruhe lassen solle, lässt Efraim Zuroff nicht gelten. Er ist der Nachfolger des legendären Nazi-Jägers Simon Wiesenthal und Direktor des Wiesenthal Zentrums in Jerusalem:

    Ich möchte eines klarstellen, die Tatsache, dass einer der der Justiz 40 oder 50 Jahre entgehen konnte, macht aus einen NS-Kriegsverbrecher keinen rechtschaffenen Bürger . Die Jahre, die vergangen sind, verringern seine Schuld in keiner Weise. Und solange diese Männer gesund und prozessfähig sind, gibt es keinerlei Grund , ihnen nicht den Prozess zu machen.

    Es geh auch nicht um Rache, betont Ariel Rubin, dessen Stiftung die Operation Last Chance mit finanziert. Die Nazis haben seine Eltern die Flucht getrieben und Verwandte ermordet . Aber, so sagt er, es gehe um Gerechtigkeit.

    Es geht um Gerechtigkeit. Der jetzt 80 jährige Wachmann habe seine Frau und seine Enkel. Wir haben keine Großmütter, die uns unser kulturelles Erbe überliefern können. Aber es geht um Gerechtigkeit, das war so und das wird auch in Zukunft immer so sein.

    Natürlich sind sich Zuroff und seine Helfer über die Schwierigkeiten im Klaren, nach so langer Zeit einen NS-Täter zu überführen. Aber es gelingt allen Schwierigkeiten zum Trotz auch heute noch. Seit die Operation Last Chance Anfang 2001 in acht ehemaligen kommunistischen Ländern und Österreich begann, wurden 329 mutmaßliche Verdächtige namhaft gemacht, gegen 74 wurde ein Verfahren eröffnet, 27 wurden verurteilt.

    Man begann in den baltischen Staaten, weil dort die Zahl der Opfer und die Zahl der einheimischen Kollaborateure besonders groß war, dann folgten andere ehemals kommunistische Staaten und Österreich.

    In diesen Ländern sei der Mangel an politischem Willen, NS–Täter zu verfolgen ein Teil des Problems, besonders in Österreich. In Deutschland hingegen fehle es nicht am politischen Willen.

    Das allerdings ist kein Grund zur Selbstzufriedenheit.
    Das Simon Wiesenthal Centre vermutet auch hier noch Tausende bisher nicht zur Rechenschaft gezogener Nazi-Verbrecher, denn, so sagt Zuroff, die Justiz habe allzu viele, die sich darauf beriefen, lediglich einen Befehl ausgeführt zu haben, laufen lassen.

    Bisher hat die "Operation Last Chance" hier fünf Namen von Verdächtigen erhalten. Gesucht werden eine KZ-Wächterin aus Majdanek und eine Gruppe von Männern, die am 8.Juli 1944 im französischen Annemasse eine junge Frau gefoltert und ermordet haben. Ganz oben auf der Liste der Gesuchten steht der Arzt Aribert Heim, der als KZ–Arzt einige hundert Menschen ermordet und an Häftlingen medizinische Experimente durchgeführt haben soll. Er wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Eines ist klar, ohne die Mithilfe der Bevölkerung hat die Operation Last Chance keine Chance.