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Operation unter Klängen des "Boleros"

Ein künstlicher und dauerhafter Totalersatz für das menschliche Herz, das ist bis heute ein Traum geblieben. Vor 25 Jahren wagte der Medizintechniker Robert Jarvik von der Universität Utah einen ersten Operationsversuch. Die Nachricht ging um die ganze Welt.

Von Irene Meichsner | 02.12.2007
    "Dies ist ein total künstliches Herz, was bedeutet, dass es einfach eine mechanische Blutpumpe darstellt. Es ersetzt die Pumpenfunktion des natürlichen Herzens, es wird im Brustkorb genau an der Stelle eingepflanzt, von der man das natürliche Herz vorher entfernte. Angetrieben wird es durch ein externes Steuerungssystem mittels komprimierter Luft durch Luftschläuche, so dass anfangs der Patient mit einem externen System verbunden sein muss, das die komprimierte Luft hat und vom Patienten auf einem Wagen mit Rädern mitgeführt wird."

    Robert Jarvik, Medizintechniker an der Universität von Utah in Salt Lake City, glaubte sich gut vorbereitet. Ein künstliches Herz – daran arbeitete er schon seit 20 Jahren. Jarvik-7 hieß sein jüngstes Modell. Versuchstiere hatten damit mehrere Monate überlebt, die Zeit für ein erstes Experiment am Menschen schien reif zu sein. Was noch fehlte, war ein geeigneter Patient. Dazu William DeVries, der federführende Chirurg:

    "Ich glaube, der erste Patient sollte jemand sein, der wirklich keine Alternative hat als zu sterben, also mit einem extrem hohen Risiko im Falle eines Eingriffes - sei es der Ersatz einer Herzklappe oder eine Operation im Bereich der Herzkranzgefäße. Etwa 5000 Patienten sterben in den Vereinigten Staaten pro Jahr nach dieser Art chirurgischer Operation."

    Am 2. Dezember 1982 war es so weit. Der Patient: Barney Clark, ein 61-jähriger Zahnarzt aus Seattle. Sein Zustand hatte sich dramatisch verschlechtert. In einer Not-Operation ersetzten die Ärzte sein schwerstgeschädigtes Herz durch eine mechanische Pumpe. Im Hintergrund lief während der OP Maurice Ravels "Bolero".
    Die Nachricht ging um die ganze Welt. Ein fast monströses Bild: Barney Clark auf der Intensivstation, angeschlossen an ein externes, kühlschrankgroßes Antriebssystem. Die Ärzte triumphierten. Aber dann, Mitte Dezember, eine erste, fast tödliche Krise: Das Kunstherz hatte einen vorübergehenden,technischen Defekt. Jarvik räumte es vor der Presse ein:

    "In diesem Falle, was geschehen war, war, dass die Ventilscheibe entweder völlig gelöst war von dem Ventil, was wir nicht sicher wissen, oder sich nur teilweise schloss."

    Barney Clark überlebte mit seinem künstlichen Herzen 112 Tage. Mit wachsendem Schrecken folgte die Öffentlichkeit dem Wechselbad der Gefühle: Mal schien sich der Zustand des Patienten leicht zu bessern, dann war in täglichen Bulletins wieder von hohem Fieber, Infektionen und Nierenschäden die Rede, bis Barney Clark am 27. März 1983 starb. Der erste Versuch war gescheitert.

    William Schroeder, der zweite Kunstherz-Patient, wurde Ende 1984 operiert. Er überlebte 620 Tage. Immerhin. Doch er bekam in dieser Zeit vier schwere, durch Blutgerinnsel in seinem künstlichen Herzen ausgelöste Schlaganfälle, vegetierte am Ende nur noch vor sich hin. Nach seinem Tod wurde es still um den totalen Herzersatz - zu schockierend war es gewesen, diesem menschenunwürdigen Drama zuzusehen.
    Neue Techniken wurden entwickelt, neue Materialien erprobt, inzwischen gibt es sogar ein Kunstherz mit integriertem Antriebssystem. Operationen fanden und finden heute allerdings weithin unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Aus gutem Grund: Es kam weiterhin zu massiven Komplikationen. Erfolgreicher sind Systeme, die nur unterstützend arbeiten, während das eigene Herz im Körper verbleibt. Oder Geräte, die lediglich die Wartezeit bis zu einer Herztransplantation überbrücken sollen.
    Der dauerhafte Totalersatz für das menschliche Herz, einst eine Art "Heiliger Gral" moderner Medizin - er bleibt auch heute noch ein Traum.