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Opernpremiere in Gelsenkirchen
Nino Rotas "Florentinischer Hut"

"La Strada", "Dolce Vita", "Achteinhalb" – für eine ganze Reihe von Kinowelterfolgen hat der italienische Komponist Nino Rota die Filmmusik geschrieben. Über 150 Filme hat er vertont. Allerdings verstand der 1911 geborene Rota sich durchaus als klassischer Komponist. Seine turbulente Oper "Der Florentiner Hut" ist nun in Gelsenkirchen zu sehen.

Von Ulrike Gondorf | 21.11.2016
    Szene aus der Premiere "Il cappello di paglia di Firenze"( Der Florentiner Hut) von Nino Rota im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen
    Heiteres Durcheinander um einen Hut: Rotas "Florentiner Hut" in Gelsenkirchen (Pedro Malinowski)
    Musik: Rota, Florentiner Hut
    Monsieur Fadinard ist ein Pechvogel. Auf dem Weg zu seiner Hochzeit frisst sein Pferd einen Strohhut, den eine Dame im Grünen achtlos abgelegt hatte. Allerdings vergnügte die sich in freier Natur gerade mit ihrem Liebhaber und nun kann sie nicht nach Hause zu ihrem rasend eifersüchtigen Mann, dem sie den Verlust des Huts erklären müsste. Also zwingen die beiden den armen Fadinard, für Ersatz zu sorgen.
    Musik: Rota, Florentiner Hut
    Und Fadinard jagt vergeblich nach einem Florentiner Hut durch die ganze Stadt, durch die Läden und die Boudoirs von Damen, die er im Besitz solcher Hüte wähnt. Hinter sich immer die Braut, den grantelnden Schwiegervater und die ganze Hochzeitsgesellschaft, die nichts versteht, sich mal im Restaurant, mal bei Fadinard zu Hause wähnt und es sich entsprechend gemütlich macht.
    Musik: Rota, Florentiner Hut
    Weltkarriere mit turbulenter Farce
    Eugene Labiche hat die Geschichte erfunden, der ausgefuchste Konstrukteur von Salonkomödien, in denen anständige Bürger sich in infernalische Verwicklungen bringen, weil sie einen kleinen Fehler vertuschen wollen. Nino Rota hat die Farce 1945 als Vorlage seiner Oper "Der Florentiner Hut" gewählt, mit Mitte Dreißig, vor dem Start seiner Weltkarriere als Filmkomponist. Dramaturg Stephan Steinmetz vom Musiktheater im Revier:
    "Es gibt eine Generation von Komponisten, die mit Film aufwuchs, die ihre Karriere mit dem Film begonnen hat. Die haben alle als klass Komponisten begonnen, dann hat sich gezeigt, dass sie Fähigkeiten haben, die für den Film genau richtig sind, und so ab den 50er Jahren wurde Rota nur noch als Filmkomponist wahrgenommen. Daneben hat er ein großes klassisches Werk geschrieben, er leitete das Konservatorium in Bari, er hatte immer die Anbindung an die klassische Musik und daneben wurde er berühmt als Filmkomponist."
    Vor allem in kongenialer Partnerschaft mit Federico Fellini. Von 1952 bis zu seinem Tod 1979 war Rota der einzige Komponist, mit dem Fellini zusammengearbeitet hat.
    Sie hören, was Rota ganz besonders konnte: in bestimmte Situationen hineingehen und mit präzisen, sehr ökonomischen Mitteln eine Stimmung, eine Situation, einen Charakter bilden. Die Kunst der Instrumentation, die wir in den Filmen erleben, die spürt man auch hier, es ist sehr genau gesetzt, Melodie, Rhythmus, Instrument.
    Musik: Rota, Florentiner Hut
    Huldigung an Belcanto-Zeit
    Dass Rota 1945 am Ende des 2. Weltkriegs einen Stoff aus der Belle Epoque wählt und eine Musik komponiert, die gar nichts Neutönerisches hat, stattdessen Rossini, Offenbach, Verdis "Falstaff" und Puccinis "Gianni Schicchi" huldigt, das mag einen wundern. Vielleicht hat es dem Erfolg der Oper auch im Weg gestanden, dass sie so aus der Zeit gefallen war. Aber nach mehr als 70 Jahren scheint die Debatte darüber ziemlich gegenstandslos. Rotas "Florentiner Hut" ist ein lebendiges, temperamentvolles und höchst unterhaltsames Stück. Das beweist der Abend in Gelsenkirchen, die die junge Regisseurin Sonja Trebes inszeniert hat.
    Es ist ein ungeheures Tempo, das Rota und Labiche vorgeben, eine Handlung jagt den nächsten, eine Idee, ein Einfall jagt den nächsten. Man sagt ja immer, die Tragödie macht beim Proben am meisten Spaß und die Komödie ist harte Arbeit, so ist es auch.
    Mit vielen Ideen, einer klaren Profilierung der Figuren und präzisem Timing ist Sonja Trebes diese Arbeit gelungen. In einem witzigen Bühnenbild von Dirk Becker, in dem ein gemalter plüschiger Theatervorhang variable Ausblicke freigibt auf die Stationen der hektischen Jagd nach dem Hut. Das größte Kapital des Abends aber ist das sehens- und hörenswerte Ensemble. 13 Solistenrollen hat das Stück, alle sind aus dem Ensemble des Musiktheaters im Revier besetzt.
    Sängerisches Konditionstraining
    Die Kollegen, die viel Rossini gemacht haben, waren sicherlich vertrauter damit, dass man sehr viel Text hat, der Inhalt hat, ich muss alles verstehen, was ich tue, was ich sage und darauf reagieren. Unser Hauptdartseller, der ist von den 2.15 ca 2 Stunden auf der Bühne, Non- Stopp, und der hat Text, Text, Text und muss rennen, wie es die Geschichte verlangt, der hat wirklich was zu tun an dem Abend.
    Musik: Rota, Florentiner Hut
    Ibrahim Yesilay als Fadinard ist nicht nur sportlich, er hat auch sängerisch Kondition und Format. Der junge Tenor lässt aufhorchen mit einer ebenmäßigen, farbenreichen Stimme, die in der Höhe wunderbar aufblüht - eine richtige Entdeckung.
    Musik: Rota, Florentiner Hut
    Die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Thomas Rimes lässt Rotas kleinteiliger, geschwinder, witziger Musik genau die Sorgfalt und Liebe zum Detail angedeihen, die gerade das vermeintlich Leichte erst schweben und pulsieren lässt. Ein Abend, an dem man heiter und beschwingt nach Hause geht.