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Opfer der Digitalisierung

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Claudia Wehrle | 05.01.2003
    Wer im September vergangenen Jahres auf der Photokina in Köln war und durch die Messehallen geschlendert ist, konnte zumindest einen kleinen Eindruck davon bekommen, was heute in der Fotobranche technisch so alles möglich ist: Mit dem Handy mal schnell ein Foto machen und dann die Aufnahme an Freunde oder Verwandte schicken, kleine Videofilme mit der Digitalkamera aufzeichnen, schwenkbare Objektive benutzen, um auch aus ungewöhnlichen Blickwinkeln fotografieren zu können - dies alles sind längst keine Utopien mehr. Nie zuvor gab es mehr Möglichkeiten, Ereignisse zu dokumentieren und die Bilder hinterher zu bearbeiten und weiterzuschicken als heute. Trotz Konjunkturflaute scheint die Fotobranche zu den Wachstumsmärkten zu gehören. Kein Wunder also, wenn Ulrich Götze vom Kamerahersteller Olympus auf der Photokina ganz begeistert erklärte:

    Fotografie ist wieder im Trend. Man ist trendy mit einer digitalen Kamera. Bei privaten Veranstaltungen, Partys, Firmenveranstaltungen - das Bild, das sie sofort auf der Rückseite der Kamera sehen, überzeugt.

    Die Zahlen sprechen für sich: Fast zweieinhalb Millionen Digitalkameras sind im vergangenen Jahr verkauft worden. Das waren doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Und die Tendenz ist steigend. Die Kamerahersteller blicken deshalb optimistisch in die Zukunft. Und selbst der Fachhandel rechnet für die kommenden Jahre - zumindest in diesem Bereich- mit steigenden Umsätzen. Harald Remsperger gehört dazu. Er ist einer der beiden Geschäftsführer von GM-Foto in Frankfurt, einem Fotogeschäft, das sich auf Produkte spezialisiert hat für professionelle Anwender und für ambitionierte Hobbyfotografen.

    Ich kann jetzt nur von uns sprechen, die wir uns schon viele Jahre der digitalen Fotografie widmen, bei uns gehen zu 70, 80 Prozent nur digitale Produkte oder halt eben Produkte, die in Zusammenhang mit der digitalen Fotografie stehen.

    Es ist aber noch gar nicht so lange her, da war von solchem Optimismus in der Branche wenig zu spüren. Viele Hersteller beklagten sich damals darüber, dass die Märkte gesättigt seien, denn die meisten Kunden hatten eine oder sogar mehrere Kameras zu Hause. Egal, was an Innovationen auf den Markt gebracht worden ist - keines dieser Produkte hat Umsatzsteigerungen in ganz großem Stile herbeigeführt. Rainer Schmidt erinnert sich an die Jahre, als aus dem exklusiven Hobby für einige wenige gut Betuchte eine beliebte Freizeitbeschäftigung für ein breites Massenpublikum geworden ist. Schmidt ist Geschäftsführer beim Fotoindustrieverband in Frankfurt.

    Der Massenmarkt der Fotografie hat - wenn sie mich so fragen - im Grunde genommen seinen Siegeszug angefangen in den 60er Jahren. Wegen der vereinfachten Technik, wegen der immer stärkeren Verkleinerung von Kameras, einfach zu handhaben. Man musste keine großen Taschen mit sich herumschleppen und anderes mehr, aber auch wegen der wesentlichen Verbesserung in der Ausarbeitung von Fotografie, v.a. der Colorfotografie.



    In Deutschland müssen sie sich vorstellen, werden etwa 180 Millionen Filme pro Jahr verkauft. Es werden etwa 5,3 bis 5,4 Milliarden Color-Papierbilder ausgeprintet. Ich schätze, in der Sekunde wird es in Deutschland mindestens 200 Mal Klick machen.

    Dank moderner Produktionsmethoden waren gute Kameras bald schon für wenig Geld zu haben. Fast jeder hatte in den 60er, 70er Jahren eine Kleinbild- oder eine Spiegelreflexkamera zu Hause. Die Gehäuse waren sehr robust - und es gab wenig Anlass, sich alle paar Jahre eine neue Kamera kaufen zu müssen. Für viele Hersteller wurde es deshalb eng. Um Kaufanreize zu schaffen, experimentierten sie mit neuen Produkten: Einwegkameras wurden gebaut. Kameras mit eingebautem Blitz kamen auf den Markt. Die Kameragehäuse selbst wurden kleiner, leichter und vor allem einfacher zu bedienen. Wer eine Polaroid-Kamera benutzte, konnte seine eben gemachten Aufnahmen sofort in Augenschein nehmen, weil der ganze Prozess der Bildentwicklung in die Kamera hineinverlegt worden ist. Schmidt:

    Es kamen dazu Kassettengeräte, die darauf abzielten, das Filmeinlegen zu vereinfachen, weil das wegen der Motortechnik noch nicht so ausgefeilt war wie heute.

    Später wurde mit verschiedenen Negativformaten experimentiert: Anfang der 70er Jahre kamen die ersten Pocketfilme auf den Markt, die sehr viel kleinere Negativstreifen hatten als die Standard-Kleinbildfilme. Es wurde mit so genannten Disk-Formaten gearbeitet. In den 90er Jahren sollte neue Bildformate Begehrlichkeiten bei den Kunden wecken: APS hieß das Zauberwort: das Advanced Photo System. Sprich: Der Fotograf sollte die Wahl haben, ob er seine Aufnahme im Panorama- oder im Standard-Format machen möchte.

    Die meisten Marktforscher haben diese Neuentwicklungen aber falsch eingeschätzt, meint der Frankfurter Fotohändler Harald Remsperger:

    Also, viele Dinge, die neu auf den Markt kommen, wo Fachleute meinen, da schreit die Welt danach, haben sich im Nachhinein eben auf Seiten der Verbraucher doch ganz, ganz anders ausgewirkt.

    Ob es jetzt das Pocket-Format war, das wieder verschwunden ist, ob es das Disk-Format war, das wieder verschwunden ist und zuletzt hat man mit dem APS-Format einen Flop erzielt, was mittlerweile auch die Industrie eingesteht. Die Marktanteile an APS sind so verschwindend gering, dass auch zukünftig da nicht in dieses Format investiert werden wird, weder von der Geräteindustrie, noch von der Filmindustrie.

    Adrian Selinger hat in den vergangene Jahren vieles ausprobiert. Er ist begeisterter Hobbyfotograf, braucht seine Kamera aber auch hin und wieder für seinen Beruf:

    Pocket war immer zu schlecht. Wenn man da Vergrößerungen hergestellt hat, waren die zu körnig. Und als dann diese Diskfilme kamen, das hat mich dann schon alles gar nicht mehr interessiert. Das APS-Format hab ich mir angeschaut, was die Vorteile davon sein sollen, war dann aber sehr enttäuscht, als ich realisiert habe, dass es keine Diafilme in diesem Format gibt und hab dann eigentlich die Vorteile auch in einem schlechten Verhältnis gesehen, eine zweite Welt anfangen zu müssen.

    Die große Revolution in der Fotobranche sollte erst mit dem Einzug der digitalen Technik stattfinden. 1981 wurde die erste Kamera vorgestellt, die ohne Film auskam, weil sie einen Videoclip als Bildsensor nutze und die Daten der einzelnen Bilder auf Disketten speicherte. Als in den kommenden Jahren die PCs immer weiter verbreitet, immer billiger und vor allem immer leistungsfähiger wurden, war der Siegeszug der digitalen Fotografie nicht mehr aufzuhalten. Anders als bei den meisten Innovationen vergangener Jahre stieß die neue Technik auf große Akzeptanz bei den Verbrauchern. Fotohändler Harald Remsperger erklärt sich das nur so:

    Es gibt kaum noch einen Haushalt, wo nicht ein PC steht. Es gibt kaum noch einen Arbeitsplatz, wo derjenige nicht mit einem Computer konfrontiert wird. Und das alles führt dazu, dass man dieser modernen Elektronik, dieser modernen Computertechnik und dieser modernen digitalen Fotografie einfach aufgeschlossener gegenübersteht als das noch vor ein paar Jahren der Fall war.

    Die Euphorie war groß. Auf einmal schien all das möglich zu sein, was früher nur für teuer Geld bei Fachlabors bestellt werden konnte. In der Anfangszeit glaubten viele, dass fast alle Fehler bei der Aufnahme durch nachträgliche Bildbearbeitung wieder wett gemacht werden können, egal, ob die Belichtung korrigiert oder der Bildausschnitt geändert werden soll. Sprich: Der Fotograf muss nicht gut sein - Hauptsache die Technik ist auf dem neuesten Stand. De facto ist es so, dass die digitale Technik unheimlich viele Möglichkeiten bietet, um die Aufnahmen hinterher zu verfremden. Rainer Schmidt vom Fotoindustrieverband nennt nur ein paar Beispiele:

    Ich kann meinen Kindern, die blonde Haare haben, grüne Haare machen. Ich kann sie vom Meer in den Wald versetzen, ich kann Hintergründe einsetzen. Ich kann Ausschnitte machen. Alles dies, was auch ein Grafiker am Bildschirm elektronisch machen kann, kann ich nun als Amateurfotograf auch.

    Mehr noch: Durch die digitale Technik hat man den Effekt einer Sofortbildkamera. Man kann ein Objekt so lange fotografieren, bis man mit dem Ergebnis auch wirklich zufrieden ist ohne gleich für jede Aufnahme viel Geld bezahlen zu müssen. Was nicht gefällt, wird sofort wieder gelöscht. Und nicht zu vergessen natürlich der eine ganz große Vorteil: Man kann die Aufnahmen in einen Computer überspielen und dann per E-Mail innerhalb weniger Sekunden um die ganze Welt schicken.

    Viele, die mit den neuen Digitalkameras herumexperimentierten, waren zunächst aber erst einmal von der neuen Technik enttäuscht:

    Das muss man sich wirklich vorstellen: Das war, wie wenn die Fotografie neu erfunden worden wäre,

    erinnert sich Adrian Selinger.

    Als ich das erste Mal damit zu tun hatte, waren die Ergebnisse, man muss schon sagen, lausig. Ich habe dann festgestellt, dass diese Kameras offensichtlich von Elektronik-Herstellern hergestellt wurden, die von der optischen Seite völlig zurückgeblieben waren, das heißt, man hat eigentlich eine relativ teure und aufwendige Elektronik mit einer billigen Glasscherbe kombiniert. Und das Ergebnis hat mich dann wieder an die Sofortbildära erinnert. Man hat zwar das Bild sofort in der Hand, aber eigentlich ist es zu nichts zu gebrauchen.

    Die Kameras waren teuer. Der Batterieverbrauch war hoch. Die Auflösung war schlecht. Selinger:

    Und dann kam natürlich alles andere dazu: Die Farbtreue war nicht mehr da. Die Bilder waren nicht mehr scharf. Sie waren verzeichnet, alles was man sich vorstellen kann. Dann hat natürlich von der Technik her genervt, dass die Aufnahme nicht in dem Moment gemacht wird, wo man auf den Auslöser drückt, sondern dass es dort die berüchtigte Auslöseverzögerung gibt, das heißt, bei bewegten Motiven war das dann schon wo ganz anders, als wo man es haben wollte. Da gibt es noch viel mehr Beispiele, was am Anfang ein Rückschritt war gegenüber der weit entwickelten analogen Fotografie.

    Dies alles ist jetzt ein paar Jahre her. Mittlerweile gibt es leistungsstarke Akkus. Viele Kamerahersteller arbeiten eng mit Objektivherstellern zusammen. Die Preise gleichen sich an. Digitale Kameras sind in den letzen Jahren billiger und zugleich leistungsfähiger geworden, meint Holger Hagedorn vom Arbeitskreis Digitale Fotografie.

    Inzwischen kann man durch die Bank sagen, dass die Digitaltechnik der analogen Technik gleichgezogen hat, so dass die Qualität der Bilder kein Argument mehr ist, das eine oder andere zu wählen. Die Vielseitigkeit der Digitalen Geräte ist allerdings viel größer. Sie brauchen heutzutage nicht mal mehr unbedingt eine Computer um die Bilder zu übertragen und zu bearbeiten, sondern sie können heute die meisten Kameras direkt an einen Tintenstrahldrucker anschließen und quasi sofort die geknipsten Bilder zu reproduzieren.

    Durch die zunehmende Verbreitung der digitale Technik befindet sich die Fotobranche in einem gewaltigem Umstrukturierungsprozess. Namhafte Hersteller wie Eastman Kodak müssen ihre Umsatz- und Gewinnprognosen drastisch nach unten korrigieren, weil klassisches Filmmaterial nicht mehr so stark nachgefragt wird wie das noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen ist. Traditionsunternehmen wie der deutsche Kamerahersteller Leica rutschen in die roten Zahlen. Dass Leica gute Produkte auf den Markt bringt, wird von vielen Fotografen zwar nicht in Frage gestellt. Es gilt heute immer noch als etwas Besonderes, mit einer Leica zu fotografieren. Leica-Kameras genießen Kult-Status. Aber: Die große Nachfrage geht in eine andere Richtung. In den vergangenen Jahren hatte es Leica versäumt, mit digitalen Produkten auf den Markt zu kommen. Auch das machte sich negativ bei den Umsatzzahlen bemerkbar. Sanierungskonzepte sollen nun helfen, dass Leica wieder schwarze Zahlen schreibt. Das ist bislang nur teilweise gelungen: Im vergangenen Jahr gab es erneut einen Rückschlag: Statt wie geplant Gewinne zu erwirtschaften, sind Verluste in Höhe von 1,5 Millionen Euro angefallen - heißt es aus dem Hause Leica:

    Wir wussten von Anfang an bei der Planung des Jahres, dass bestimmte Umsätze nicht kommen würden. Die Kompensation war geplant über das Kernprogramm. Wir haben dann aber ein sehr schlechtes drittes Quartal - das ist der Zeitraum Oktober bis Dezember - hinnehmen müssen, in denen die Käufer insbesondere in USA aber auch in Europa explizit in Deutschland fast gestreikt haben und das war dann im positiv verlaufenden vierten Quartal Januar bis März nicht mehr aufholbar.

    Bei anderen Traditionsunternehmen in der Fotobranche sieht die Situation noch viel düsterer aus. So musste im Sommer vergangenen Jahres Deutschlands älteste Fotohandelskette, Photo-Porst, Insolvenz beantragen, weil Neuentwicklungen auf dem Markt viel zu lange falsch eingeschätzt worden sind. Die Umsätze bei Photo-Porst gingen daraufhin mehr und mehr zurück. Schließlich fehlte das notwendige Geld für Neuinvestitionen und für den Ausbau digitaler Techniken und Dienstleistungen. Selbst Unternehmen, die sich auf die neuen Technologien in der Fotobranche eingestellt haben, sind vor Rückschlägen nicht gefeit: PixelNet zum Beispiel ist vor gut zwei Jahren gegründet worden. Das Unternehmen hat sich auf das Herstellen von Papierabzügen von digital aufgenommenen Fotos spezialisiert. Ende Juni vergangenen Jahres musste wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag gestellt werden.

    Momentan ist in der Fotobranche vieles im Fluss. Was vor ein paar Jahren noch undenkbar schien, dass nämlich Computerhersteller wie Hewlett Packard oder Epson als Anbieter auf den Fotomarkt drängen und dazu noch Dienstleistungen für Fotografen anbieten - dies alles ist heute eine Selbstverständlichkeit.

    Auch die Fotohändler erleben derzeit einen gewaltigen Umstrukturierungsprozess. Elektronikmärkte, der Versandhandel und das Internet entwickeln sich mehr und mehr zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die klassischen Fotogeschäfte - meint Harald Remsperger von GM-Foto in Frankfurt.

    Also ich weiß, als ich vor knapp zwanzig Jahren anfing zu arbeiten bei GM-Foto, waren so im Umkreis von etwa vierhundert Metern an die 15 Fotogeschäfte. Von denen sind jetzt, glaube ich, noch vier oder fünf übrig geblieben.

    Und der Konzentrationsprozess wird weitergehen. Prognosen zufolge wird von den vier- bis fünftausend Fotogeschäften, die es derzeit noch in der Bundesrepublik gibt, nur ein kleiner Teil übrig bleiben. Selbst die Geschäfte, die sich auf dem Markt behaupten, werden nur noch wenig gemein haben mit den Fotogeschäften, die es heute gibt: Remsperger:

    Man sieht es jetzt schon, wenn sie in klassische Fotogeschäfte gehen, ist doch ein Wandel entstanden, was die Produktpalette betrifft. Ich glaube, dass der klassische Fotoladen mehr und mehr zu einem Elektronikhandel sich verfärbt und dass wahrscheinlich es so sein wird, meine ich, dass die überleben werden oder sich gegen Großvertriebsformen und Internethandel behaupten können, die zukünftig halt ihrer Produktlinie treu bleiben und ihrer klassischen Fotografie, sei es nun analog oder digital treu bleiben

    Jeder Fotograf, der eine digitale Kamera erwirbt bei uns, wird sicherlich einen Computer brauchen. Wir stellen auch Überlegungen an, ob wir auch zukünftig Telefone, Handys mit anbieten, Handys, die halt eben zum Datentransfer geeignet sind.

    Und was wird aus der klassischen traditionellen Fotografie? Eine zeitlang sah es so aus, als ob mit dem Durchbruch der digitalen Technik zugleich das Ende der traditionellen Fotografie gekommen sei. Denn die digitalen Kameras, die Bilder im Chip speichern, brauchen keinen Film, keine Filmentwicklung und keine Chemikalien. Die Aufnahmen werden in die ohnehin fast überall vorhandenen Computern überspielt, mit Software editiert und möglicherweise manipuliert, dann papierlos über das Internet verschickt und zu guter Letzt auf Speichermedien der Computertechnik archiviert und verwaltet. Heute sieht es so aus, als ob sich alte und neue Techniken ergänzen können. In fast jeder Phase der Bildherstellung und Bildbearbeitung ist es möglich, in die andere Welt zu wechseln: Vom analogen Film können digitale Bilder hergestellt werden. Von Aufnahmen, die im Computer als Dateien abgespeichert sind, kann man Papierabzüge machen lassen. Und Papierbilder wiederum können eingescannt und zur Illustration von Texten verwendet werden. Adrian Selinger ist deshalb recht zuversichtlich, was die Zukunft der analogen Fotografie betrifft:

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass der klassische Kleinbildfilm verschwinden wird, genauso wenig wie auch das Mittelformat im Moment noch besteht gegenüber anderen Formaten. Ich könnte mir vorstellen, dass es Schrittchen für Schrittchen in Nischen landet, zum Beispiel, dass die Billigschiene weiterhin auf analogem Kleinbildfilm bestehen bleibt, dass der wirklich anspruchsvolle Profi weiterhin beim Kleinbild bleibt und andere Nischen, die im Moment ein bisschen schwierig abzuschätzen sind, die bleiben sicherlich bestehen: Aber ich könnte mir vorstellen, dass in ein paar Jahren die Verbreitung der analogen Kameras auf ein Bruchteil der derzeitigen Verbreitung zurückgehen wird.

    Noch wollen viele Kunde ihre Bilder in den Händen halten und ins Album kleben oder in geselliger Runde Freunden oder der Familie zeigen. Noch gibt es keine befriedigende Lösungen bei der dauerhaften und farbechten Archivierung digitaler Bilder. Doch der Siegeszug der digitalen Technik wird nicht aufzuhalten sein, meint Fotohändler Harald Remsperger:

    Ich denke, dass die Industrie schon ihr Übriges dazu beitragen wird, was zum Beispiel die Geräteherstellung betrifft, also innovative Sachen werden sicherlich nicht mehr in analoge Systeme eingebaut werden, sondern man setzt seine Forschung, seine Produktivität in einen Markt, der bei weitem noch nicht zu zehn Prozent gesättigt ist. Und wird nicht versuchen, einen Markt weiter auszubauen, der weit über 90 Prozent gesättigt ist. Also das sind einfach schon mal Dinge, die klar auf der Hand liegen. Und dadurch, dass von der Werbung, von der Präsentation her all die analogen Produkte mehr und mehr verabschieden werden, glaube ich, hat auf Dauer gesehen die analoge Fotografie keinen Bestand.

    Die gleiche Entwicklung wird in den Fotolaboren stattfinden. Selbst wenn bisher nur jeder hundertste Abzug digitalen Ursprungs ist - in acht oder zehn Jahren werden die meisten Großlabore nur noch mit der digitalen Technik arbeiten. Das bedeutet: Wenn Negativfilme oder Diafilme angeliefert werden, dann werden sie wohl vor der Bearbeitung digitalisiert werden und durchlaufen dann dieselben Prozesse wie die digitalen Aufnahmen.

    Die Fotoindustrie gehört zu jenen Branchen, die besonders hart getroffen sind von der zunehmenden Verbreitung der Digitalisierung. Doch selbst wenn Vieles in der Branche im Fluss ist, wenn Traditionsunternehmen gezwungen sind, nach neuen Strategien zu suchen, um in dem rasant sich verändernden Markt ihren Platz zu behalten und möglicherweise sogar ausbauen zu können. Die klassische Fotoindustrie ist trotz allem kein Opfer der Digitalisierung, meint Rainer Schmidt vom Fotoindustrieverband. Im Gegenteil:

    Die Digitaltechnik wird uns helfen, jüngere Zielgruppen zu erschließen. Sie wird uns helfen, Fotografie in andere Bereiche hineinzutreiben, vieles andere zu ersetzen. Ich glaube, dass Digitaltechnik den gesamten Fotomarkt und die Anwendung von Fotografie breiter machen wird.

    Und davon werden alle Bereiche der Fotografie profitieren - auch die klassische Fotografie.