Ein Gewitterbild mit Regen und Blitzen am Nachthimmel, darunter eine verstopfte achtspurige Schnellstraßenbrücke - schon der Buchdeckel macht deutlich, dass "Tatort Klimawandel - Täter, Opfer und Profiteure einer globalen Revolution" nicht nur Informationen liefern will, sondern auch eine packende Lektüre. Der Journalist Bernhard Pötter nähert sich dem Klimawandel mit einer Reportageserie: Zwei Jahre lang recherchierte er an vielen Orten der Erde, um, wie er es nennt, Spuren im "globalen Kriminalfall Klimawandel" zu sichern.
Vielleicht sollte Bernhard Pötter als nächstes einen Krimi schreiben, denn seine Neigung zur Kriminalliteratur zieht sich wie ein roter Faden durch den "Tatort Klimawandel". Die Reportagen gliedert er in die Rubriken "Täter", "Opfer", "Profiteure" und "Heiße Spuren, falsche Fährten" und das Literaturverzeichnis heißt "Sachdienliche Hinweise". "Klimazeugen" machen ihre Aussagen zwischen den Kapiteln, "Klima-Steckbriefe" beleuchten die Klimabilanzen einzelner Länder von Brasilien bis zum Vatikan. Dem reißerischen Stil vieler Krimiautoren bleibt Pötter sogar bei Naturschilderungen treu:
"Der kleine, grüngraue Vogel kauert sich zusammen. Seine großen blanken Augen starren nach oben. Regungslos duckt sich das Weibchen des Trauerschnäppers über seine Eier. In dem Mischwald aus Buchen, Kiefern und Eichen um sie herum wäre die werdende Vogelmutter mit ihrer perfekten Tarnung kaum zu sehen."
Das soll Spannung erzeugen - und tut es auch. Gespannt ist man nicht zuletzt darauf, wie der Autor denn dieses Mal die Kurve zum Klimawandel schafft. Beim Trauerschnäpper ist es der Zusammenhang von Vogelzug und Futterangebot: Weil wichtige Beutetiere wie die Raupe des Kleinen Frostspanners durch den Klimawandel früher auftreten, wird die Nahrung für den Trauerschnäpper im Frühjahr knapp - die Bestände sind drastisch geschrumpft.
Es ist ein Verdienst Pötters, den Blick auf die Opfer des Klimawandels zu lenken: Der Trauerschnäpper gehört dazu, aber auch Menschen etwa in den Trockensavannen Ostafrikas, wo es bei Auseinandersetzungen um die knapper werdenden Weideplätze und Tränken immer wieder Schließereien mit Toten und Verletzten gibt. Kann man solche Ereignisse wirklich auf den Klimawandel zurückführen? Man kann, meint Bernhardd Pötter, auch wenn meist mehrere Dinge zusammenkommen.
"Ausbruch und Wucht der Auseinandersetzungen werden oft durch den globalen Klimawandel verursacht und verstärkt. Und auch die Konsequenzen werden globalisiert: Gegenden, die in Anarchie versinken, liefern keine Rohstoffe, sondern exportieren Chaos, Terror und Flüchtlinge bis in die Industrienationen. Der Klimawandel wirkt wie ein Brandbeschleuniger für Konflikte, die sich an Not und Hunger, an Ressourcengier, Armut und Fremdenhass entzünden."
Was treibt die Heizer im Treibhaus Erde? Antworten darauf liefert der "Tatort Klimawandel" im Abschnitt über die Täter - vom Braunkohlestandort Niederaußem im Rheinland über brennende Urwälder am Amazonas bis zu Exxon Mobil in den USA. Täter wie du und ich: Auch Touristen gehören dazu, die den Urlaubsflug auf die kanarischen Inseln oder die Recherchereise nach Indien als ihr gutes Recht empfinden und dabei ihren Beitrag zum Ruin des Planeten Erde leisten.
"Auf dem Boden bleiben heißt die Lösung", meint Pötter lakonisch, denn anders als Heizung, Stromversorgung oder Mobilität am Boden ließen sich Flugreisen kaum klimaverträglich gestalten.
Wer Lösungsvorschläge sucht, findet sie versteckt in zwei Kapiteln über "Profiteure" sowie "Heiße Spuren, Falsche Fährten". Darin verpackt Pötter sowohl Reportagen über Lösungsansätze wie den Emissionshandel als auch über Profiteure der Erwärmung wie die schwedische Forstwirtschaft. Eine klare Struktur ist hier zwar nicht mehr zu erkennen, die einzelnen Reportagen entwertet dies aber nicht.
Verwunderlich ist, dass die internationale Klimapolitik und Konferenzdiplomatie so wenig Raum einnimmt. Zumal der Klimawandel für Pötter vor allem ein Politikversagen ist, das im Weltklimarat thematisiert werden müsste:
""Die politische Debatte um Täter, Opfer und Profiteure des Klimawandels müsste also in diesem Gremium angesiedelt sein - dass sie nicht geführt wird, ist der Machtlosigkeit der Wissenschaft und der Skrupellosigkeit der Politik zu verdanken."
Was bei Pötter zu kurz kommt, die Suche nach Lösungen, steht im Mittelpunkt des Sammelbandes "Zukunftsmarkt Klimaschutz" von Stephan Kosch. Fündig wird er auf den Weltmärkten, die es klimafreundlich umzugestalten gelte:
"Tagtäglich fliegen von den Finanzplätzen der Welt aus rund neun Billionen Euro an Kapital rund um den Globus auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Was wäre, wenn dieses Geld zur Rettung der Welt eingesetzt würde? Nicht, weil das Kapital plötzlich die Moral entdeckt. Sondern, weil es auf diesem Weg Profit machen kann."
Viele Menschen, Unternehmen und Organisationen haben sich schon auf diesen Weg gemacht, ihre Geschäftsmodelle lässt Kosch mehr oder weniger kritisch unter die Lupe nehmen. Denn es ist längst nicht alles Gold, was glänzt auf den Märkten des Klimaschutzes. Überzeugend schildert dies zum Beispiel Daniela Setton im Kapitel über Energiefinanzierung durch die Entwicklungsbanken: Im Widerspruch zur öffentlichen Selbstdarstellung gehe nach wie vor der größte Teil der Investitionen in fossile, also klimaschädliche, Kraftwerke.
Stephan Kosch hat also keine Jubelarie auf den Markt des Klimaschutzes zusammengestellt. Vieles stecke noch in den Anfängen und manche Grünanlage habe wenige Licht- und viele Schattenseiten. Zum Beispiel manche Klimaprojekte in Entwicklungsländern, für die sich Unternehmen in Industriestaaten Emissionsrechte gutschreiben lassen, im Fachjargon CDM-Projekte genannt, das englischsprachige Kürzel steht für Mechanismen zur sauberen Entwicklung.
"Bei einer erheblichen Anzahl von CDM-Projekten steht zu befürchten, dass sie global betrachtet für zusätzlichen Kohlendioxid-Ausstoß sorgen und so die Klimaerwärmung forcieren."
Manchmal fehlt allerdings die nötige Distanz zu den Akteuren - der Beitrag über Unternehmen im Umwelt-Check stammt aus der Feder zweier führender Vertreter der Ratingagentur Oekom Research, die selbst solche Prüfungen vornimmt und das Kapitel über die Renaissance der Stadtwerke auf einem ökologisch umgestalteten Energiemarkt aus der des Geschäftsführers der Stadtwerke Marburg.
Gut recherchierte und durchdachte Aufsätze stehen also neben distanzlosen Selbstdarstellungen von Akteuren auf dem Zukunftsmarkt Klimaschutz - ein roter Faden ist schwer zu entdecken. Und auch die Aufteilung in die Kategorien "Wer bezahlt" und "Wer profitiert" wirkt willkürlich: Verbraucher, die den höheren Energiepreisen durch Einsparungen teilweise ausweichen können, stehen unverständlicherweise als Profiteure des Klimawandels da. Die Gesamteinschätzung überlässt Kosch dem SPD-Politiker Michael Müller, der seine Vision einer ökologischen Modernisierung entwirft. Welche Rolle Stephan Kosch den Märkten bei der Lösung des Klimaproblems insgesamt zutraut, bleibt deshalb offen.
Bernhard Pötter: Tatort Klimawandel, Täter, Opfer und Profiteure einer globalen Revolution
Oekom Verlag 2008
261 Seiten, 19,90 Euro
Stephan Kosch: Zukunftsmarkt Klimaschutz - Wie wir die Welt retten und dabei Geld verdienen können
Parthas Verlag 2008
212 Seiten, 19,80 Euro
Vielleicht sollte Bernhard Pötter als nächstes einen Krimi schreiben, denn seine Neigung zur Kriminalliteratur zieht sich wie ein roter Faden durch den "Tatort Klimawandel". Die Reportagen gliedert er in die Rubriken "Täter", "Opfer", "Profiteure" und "Heiße Spuren, falsche Fährten" und das Literaturverzeichnis heißt "Sachdienliche Hinweise". "Klimazeugen" machen ihre Aussagen zwischen den Kapiteln, "Klima-Steckbriefe" beleuchten die Klimabilanzen einzelner Länder von Brasilien bis zum Vatikan. Dem reißerischen Stil vieler Krimiautoren bleibt Pötter sogar bei Naturschilderungen treu:
"Der kleine, grüngraue Vogel kauert sich zusammen. Seine großen blanken Augen starren nach oben. Regungslos duckt sich das Weibchen des Trauerschnäppers über seine Eier. In dem Mischwald aus Buchen, Kiefern und Eichen um sie herum wäre die werdende Vogelmutter mit ihrer perfekten Tarnung kaum zu sehen."
Das soll Spannung erzeugen - und tut es auch. Gespannt ist man nicht zuletzt darauf, wie der Autor denn dieses Mal die Kurve zum Klimawandel schafft. Beim Trauerschnäpper ist es der Zusammenhang von Vogelzug und Futterangebot: Weil wichtige Beutetiere wie die Raupe des Kleinen Frostspanners durch den Klimawandel früher auftreten, wird die Nahrung für den Trauerschnäpper im Frühjahr knapp - die Bestände sind drastisch geschrumpft.
Es ist ein Verdienst Pötters, den Blick auf die Opfer des Klimawandels zu lenken: Der Trauerschnäpper gehört dazu, aber auch Menschen etwa in den Trockensavannen Ostafrikas, wo es bei Auseinandersetzungen um die knapper werdenden Weideplätze und Tränken immer wieder Schließereien mit Toten und Verletzten gibt. Kann man solche Ereignisse wirklich auf den Klimawandel zurückführen? Man kann, meint Bernhardd Pötter, auch wenn meist mehrere Dinge zusammenkommen.
"Ausbruch und Wucht der Auseinandersetzungen werden oft durch den globalen Klimawandel verursacht und verstärkt. Und auch die Konsequenzen werden globalisiert: Gegenden, die in Anarchie versinken, liefern keine Rohstoffe, sondern exportieren Chaos, Terror und Flüchtlinge bis in die Industrienationen. Der Klimawandel wirkt wie ein Brandbeschleuniger für Konflikte, die sich an Not und Hunger, an Ressourcengier, Armut und Fremdenhass entzünden."
Was treibt die Heizer im Treibhaus Erde? Antworten darauf liefert der "Tatort Klimawandel" im Abschnitt über die Täter - vom Braunkohlestandort Niederaußem im Rheinland über brennende Urwälder am Amazonas bis zu Exxon Mobil in den USA. Täter wie du und ich: Auch Touristen gehören dazu, die den Urlaubsflug auf die kanarischen Inseln oder die Recherchereise nach Indien als ihr gutes Recht empfinden und dabei ihren Beitrag zum Ruin des Planeten Erde leisten.
"Auf dem Boden bleiben heißt die Lösung", meint Pötter lakonisch, denn anders als Heizung, Stromversorgung oder Mobilität am Boden ließen sich Flugreisen kaum klimaverträglich gestalten.
Wer Lösungsvorschläge sucht, findet sie versteckt in zwei Kapiteln über "Profiteure" sowie "Heiße Spuren, Falsche Fährten". Darin verpackt Pötter sowohl Reportagen über Lösungsansätze wie den Emissionshandel als auch über Profiteure der Erwärmung wie die schwedische Forstwirtschaft. Eine klare Struktur ist hier zwar nicht mehr zu erkennen, die einzelnen Reportagen entwertet dies aber nicht.
Verwunderlich ist, dass die internationale Klimapolitik und Konferenzdiplomatie so wenig Raum einnimmt. Zumal der Klimawandel für Pötter vor allem ein Politikversagen ist, das im Weltklimarat thematisiert werden müsste:
""Die politische Debatte um Täter, Opfer und Profiteure des Klimawandels müsste also in diesem Gremium angesiedelt sein - dass sie nicht geführt wird, ist der Machtlosigkeit der Wissenschaft und der Skrupellosigkeit der Politik zu verdanken."
Was bei Pötter zu kurz kommt, die Suche nach Lösungen, steht im Mittelpunkt des Sammelbandes "Zukunftsmarkt Klimaschutz" von Stephan Kosch. Fündig wird er auf den Weltmärkten, die es klimafreundlich umzugestalten gelte:
"Tagtäglich fliegen von den Finanzplätzen der Welt aus rund neun Billionen Euro an Kapital rund um den Globus auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Was wäre, wenn dieses Geld zur Rettung der Welt eingesetzt würde? Nicht, weil das Kapital plötzlich die Moral entdeckt. Sondern, weil es auf diesem Weg Profit machen kann."
Viele Menschen, Unternehmen und Organisationen haben sich schon auf diesen Weg gemacht, ihre Geschäftsmodelle lässt Kosch mehr oder weniger kritisch unter die Lupe nehmen. Denn es ist längst nicht alles Gold, was glänzt auf den Märkten des Klimaschutzes. Überzeugend schildert dies zum Beispiel Daniela Setton im Kapitel über Energiefinanzierung durch die Entwicklungsbanken: Im Widerspruch zur öffentlichen Selbstdarstellung gehe nach wie vor der größte Teil der Investitionen in fossile, also klimaschädliche, Kraftwerke.
Stephan Kosch hat also keine Jubelarie auf den Markt des Klimaschutzes zusammengestellt. Vieles stecke noch in den Anfängen und manche Grünanlage habe wenige Licht- und viele Schattenseiten. Zum Beispiel manche Klimaprojekte in Entwicklungsländern, für die sich Unternehmen in Industriestaaten Emissionsrechte gutschreiben lassen, im Fachjargon CDM-Projekte genannt, das englischsprachige Kürzel steht für Mechanismen zur sauberen Entwicklung.
"Bei einer erheblichen Anzahl von CDM-Projekten steht zu befürchten, dass sie global betrachtet für zusätzlichen Kohlendioxid-Ausstoß sorgen und so die Klimaerwärmung forcieren."
Manchmal fehlt allerdings die nötige Distanz zu den Akteuren - der Beitrag über Unternehmen im Umwelt-Check stammt aus der Feder zweier führender Vertreter der Ratingagentur Oekom Research, die selbst solche Prüfungen vornimmt und das Kapitel über die Renaissance der Stadtwerke auf einem ökologisch umgestalteten Energiemarkt aus der des Geschäftsführers der Stadtwerke Marburg.
Gut recherchierte und durchdachte Aufsätze stehen also neben distanzlosen Selbstdarstellungen von Akteuren auf dem Zukunftsmarkt Klimaschutz - ein roter Faden ist schwer zu entdecken. Und auch die Aufteilung in die Kategorien "Wer bezahlt" und "Wer profitiert" wirkt willkürlich: Verbraucher, die den höheren Energiepreisen durch Einsparungen teilweise ausweichen können, stehen unverständlicherweise als Profiteure des Klimawandels da. Die Gesamteinschätzung überlässt Kosch dem SPD-Politiker Michael Müller, der seine Vision einer ökologischen Modernisierung entwirft. Welche Rolle Stephan Kosch den Märkten bei der Lösung des Klimaproblems insgesamt zutraut, bleibt deshalb offen.
Bernhard Pötter: Tatort Klimawandel, Täter, Opfer und Profiteure einer globalen Revolution
Oekom Verlag 2008
261 Seiten, 19,90 Euro
Stephan Kosch: Zukunftsmarkt Klimaschutz - Wie wir die Welt retten und dabei Geld verdienen können
Parthas Verlag 2008
212 Seiten, 19,80 Euro