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Opiumanbau bedroht die Entwicklung Afghanistans

Auf diesen Zusammenhang hat erneut erst vor wenigen Tagen der Internationale Währungsfonds in einer Studie hingewiesen. Hilfsorganisationen bemühen sich intensiv darum, die Bauern in Afghanistan für den Anbau anderer Früchte zu gewinnen - und das durchaus mit Erfolg. Denn das Ergebnis der Weizenernte in diesem Jahr kann sich sehen lassen, wie Johannes Berger erfahren hat.

Von Johannes Berger |
    4,4 Millionen Tonnen Weizen sollen afghanische Bauern bei der diesjährigen Ernte eingefahren haben - weit mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Die Zahlen stammen von der Welternährungsorganisation FAO. Sie hatte in den letzten Wochen 30 von 32 afghanischen Provinzen einen Besuch abgestattet. Der Erntesegen von insgesamt fünf Tonnen Getreide reiche fast aus, um die schätzungsweise 22 Millionen Afghanen mit dem wichtigsten Grundnahrungsmittel zu versorgen, schätzt die Welternährungsorganisation.

    Vor einigen Jahren sah das noch ganz anders aus. Zwischen 1999 und 2001 herrschte in Afghanistan eine verheerende Dürre. Selbst für eine künstliche Bewässerung reichte das Wasser nicht aus. Die Folge waren Missernten, die Menschen hungerten.

    In diesem Jahr regnete es genug; zudem speiste schmelzender Schnee aus dem Hindukusch die Flüsse und Bewässerungssysteme. Ohne die würde kaum ein Körnchen Weizen wachsen.

    Es gibt aber noch andere Gründe für die bessere Ernte: Die FAO macht in ihrem Bericht besseres Saatgut und eine effektivere Schädlingsbekämpfung dafür verantwortlich - und die Beratung durch internationale Hilfsorganisationen. Vor allem UNO-Experten mit Laptop und Aktentaschen tummelten sich auf den Feldern, um die Bauern vom Mohnabbau abzubringen.

    Das ist leichter gesagt als getan: Die Weizenpreise sind im Keller: Ein Hektar Land mit Weizen erlöst bestenfalls 1 500 Dollar; beim Opium ist es das Zehnfache. So mancher finanzielle Anreiz verpuffte zudem: So vergab die Regierung in Kabul im letzten Jahr jedem Bauern, der sein Opiumfeld zerstörte, eine Prämie von 1 700 Dollar pro Hektar - einmalig. Nach einem Jahr Weizenanbau stellte dann so mancher Bauer in diesem Jahr wieder auf Opium um. Die Kompensationszahlungen verschwanden oft in den Taschen von korrupten Beamten.

    Zwar können sich die Bauern nach drei Jahren Dürre immer noch nicht auf gleichmäßige Regenfälle verlassen, und noch immer werfen die künstlich bewässerten Felder mehr Weizen ab als der Regenfeldbau.

    Weil aber schon im letzten Jahr die Ernte ganz gut ausgefallen sei - so die FAO - , hätten die Bauern für dieses Jahr die Anbaufläche für Weizen im Regenfeldbau gleich um 77 Prozent ausgeweitet.

    Die Landwirtschaft ist der bei weitem wichtigste Wirtschaftssektor in Afghanistan. Die Bauern erwirtschaften über die Hälfte des Bruttosozialprodukts. Im internationalen Vergleich liegt das Pro-Kopf-Einkommen mit umgerechnet 170-200 Dollar jedoch immer noch sehr niedrig. Die gute Getreideernte hat aber schon dazu geführt, dass mehr Menschen Zugang zu Nahrungsmitteln haben. Denn auf den Märkten fällt der Getreidepreis. Zudem hat die internationale Aufbauhilfe einen leichten Wirtschaftsaufschwung ausgelöst, so dass viele Menschen über mehr Geld verfügen.

    Für die Bauern selbst ist die gute Getreideernte allerdings nicht nur ein Segen. Mancherorts fallen die Preise bereits unter die Produktionskosten, und die Bauern haben Schwierigkeiten, genügend Geld für die nächste Aussaat zu beschaffen, berichtet die FAO. Ihre Betriebe sind in der Regel nur zwischen einem und zwei Hektar groß und damit zu klein, um wirklich profitabel zu sein. Ein ausgebautes Kreditwesen gibt es nicht, und so fehlt es an Anreizen, in die nächste Getreideernte zu investieren.

    Und damit schließt sich der Opium-Teufelskreis. Regionale Machthaber und ihre Kolonnen geben noch immer großzügige Kredite für den Schlafmohnanbau - und streichen dann später einen Teil der Gewinne ein. Die Finanzierung dieses illegalen Sektors ist ausgeklügelt. Das erhöht für die Bauern den Anreiz, wieder auf Opium umzusteigen - umso mehr, als die Gewinnmargen immer noch weit höher sind als im Weizenanbau. Die Drogenhändler sind zwar auch nicht an einem unbegrenzten Opiumanbau interessiert, weil das die Preise und Gewinne drückt. Aber auch dieses Jahr wurde in Afghanistan trotz der Rekordernte beim Weizen auch wieder eine Rekordernte an Opium eingebracht.