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Opposition
Inklusives Wahlrecht auch für Europawahl gefordert

Mit dem Gesetz zum inklusiven Wahlrecht sollen künftig Menschen, die auf Vollbetreuung angewiesen sind, ihr Stimme abgeben können. Die Reform soll aber erst nach der Europawahl in Kraft treten. Dagegen haben FDP, Grüne und Linke eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts beantragt - die Zeit drängt.

Von Christoph Schäfer | 20.03.2019
Eine Frau hat ihren Rollator vor die Wahlkabine in einer Schule gestellt.
Mehr als 80.000 Menschen mit Behinderung droht der Ausschluss von der Europawahl im Mai (dpa/Daniel Karmann)
Es ist nicht das erste Mal, dass die Oppositionsparteien Grüne, FDP und die Linke an einem Strang ziehen. Parlamentarischer Alltag sei es nicht, sagt der Rechtspolitiker Stephan Thomae von der FDP: "Die große Koalition zwingt uns gerade dazu. Denn was hier geschieht, grenzt an Missachtung des Gerichtes. Grenzt an Arbeitsverweigerung der Koalition."
Der Grund des Unmuts: Mehr als 80.000 Menschen mit Behinderung sollen bei der kommenden Europawahl im Mai nicht teilnehmen dürfen. Obwohl das das Bundesverfassungsgericht in einem Parallelfall an sich verlangt hat.
Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann: "Klar ist, dass Menschen, die bisher von Bundestagswahlen und Europawahlen ausgeschlossen sind, nicht nur bei der nächsten Bundestagswahl, sondern auch bei der Europawahl wählen können sollen. Und dass dieser Wahlrechtsausschluss diskriminierend und nicht verfassungsgemäß ist. Und deshalb rufen wir gemeinsam das Bundesverfassungsgericht an."
Auf einer Pressekonferenz zum Vorbereitungsstand der Bundestagswahl im Land Brandenburg wird am 02.09.2013 in der Staatskanzlei in Potsdam (Brandenburg) eine Lochschablone für Sehebehinderte und ein Stimmzettel für die Wahl gezeigt. Der Landeswahlleiter Küpper rief auf der Pressekonferenz die Bürger auf, am 22. September von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
Eine Lochschablone für Sehbehinderte bei der Bundestagswahl 2013 (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
Reform würde erst nach der Europawahl in Kraft treten
Und deshalb haben sie eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts beantragt. Schon am vergangenen Freitag hat der Bundestag über die Frage debattiert. Mit den Stimmen von Union und SPD hatte das der Bundestag beschlossen. In Zukunft dürfen auch behinderte Menschen, die in allen Angelegenheiten Betreut werden, wählen und gewählt werden.
Allerdings: Der Antrag der Regierungsfraktionen sieht vor, dass die Reformen am Bundeswahl- und Europawahlrecht erst zum 1. Juli in Kraft treten - und damit für die Europawahl Ende Mai zu spät kommt. Darauf beruft sich die Koalition auf die Venedig-Kommission des Europarates. Demnach sollen Wahlrechtsänderungen frühestens ein Jahr vor einer Wahl umgesetzt werden - sonst könnte es zu einer Verzerrung kommen.
Das Thema hatte seinen Weg in den Bundestag gefunden, da zuvor das Bundesverfassungsgericht am 29. Januar eine Entscheidung fällte. Der derzeitige Wahlausschluss der zuvor genannten Gruppe sei verfassungswidrig und muss geändert werden.
Union und SPD haben bisher nicht reagiert
Die Zeit ist knapp, die Antragsteller glauben aber trotzdem, dass die Verfassungsrichter rechtzeitig über den Eilantrag entscheiden werden, so Friedrich Straetmanns, Sprecher für Rechtspolitik der Bundestagsfraktion Die Linke:
"Bei einer einstweiligen Anordnung wird das aufgrund der drängenden Europawahl relativ schnell passieren. Aber wird werden trotzdem ein paar Wochen sicherlich für die Prüfung des Antrages einkalkulieren müssen. Aber ich gehe davon aus, dass eine Entscheidung innerhalb von vielleicht drei, vier Wochen ergehen müsste."
Aber zumindest bis Mitte April - dann müssen die Wählerverzeichnisse zur Europawahl stehen. Union und SPD haben auf den Vorstoß der Oppositionsparteien bisher nicht reagiert.