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Optik nach Wunsch

Medizin. - Bei Patienten mit Grauem Star trübt sich die Linse ein, so dass am Ende entweder Blindheit oder eine Künstliche Linse steht. Im Knappschaftskrankenhaus in Bochum verwenden Ärzte seit April eine neuartige Linse, mit der sie nicht nur den grauen Star, sondern auch bestimmte Sehschwächen korrigieren.

Von Joachim Budde | 12.12.2008
    "So, jetzt wird die Linse gefaltet, in eine spezielle Halterung eingelegt, dann gefaltet. So und durch diesen Schnitt wird sie jetzt ins Auge eingebracht."

    Oberarzt Fritz Hengerer schaut konzentriert ins Binokular. Das Mikroskop leuchtet das Auge der Patientin, die vor ihm auf dem Operationstisch liegt, mit hellem gelbem Licht aus. Er hat die trübe Augenlinse der älteren Frau mit einem Ultraschallgerät abgesaugt und setzt eine künstliche Linse ein.

    "So, die Linse ist drin. Alles gut gegangen."

    In zwei Punkten unterscheidet sich der Eingriff im Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer von der Routine: Der Operationssaal ist abgedunkelt, und aus dem Licht des Mikroskops wird der ultraviolette Anteil herausgefiltert. An die künstliche Augenlinse darf kein UV-Licht gelangen, sonst wird sie unbrauchbar. Denn das ist das besondere daran: Der Arzt kann nach der Operation mit UV-Licht die Brecheigenschaften der Linse verändern und damit Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit und Hornhautverkrümmung ausgleichen – ganz wie es die Patienten wünschen. Hengerer:

    "Wir haben sehr viele Patienten, die den Wunsch haben, ohne Brille in die Ferne zu sehen, sprich, auch Auto zu fahren als ein Beispiel für die Anwendung, es gibt aber auch Patienten, die gerne den Wunsch haben, ohne Brille jetzt dauerhaft zu lesen. Auch das lässt sich realisieren. Allerdings brauchen diese kurzsichtigen Patienten dann nach der Operation, auch wenn die Linse beleuchtet ist, eine Brille für die Ferne."

    Wenn das Auge nach zwei bis drei Wochen ausreichend verheilt ist, kann Hengerer mit der Einstellung beginnen. Die Linse enthält kleine Silikonmoleküle, die sich zu größeren verketten, wenn sie mit UV-Licht in Berührung kommen. Dadurch lässt sich die Brechkraft verändern. Wird beispielsweise nur die Mitte der Linse bestrahlt, entstehen dort größere Moleküle. Innerhalb der nächsten 24 Stunden strömen kleine Teilchen aus anderen Bereichen der Linse nach, sie verteilen sich wieder gleichmäßig. Ergebnis: Die Linse wird in der Mitte dicker und bricht das Licht stärker. In bis zu drei Behandlungen tastet sich der Arzt an die optimale Einstellung heran. Im April wurde die Linse am Knappschaftskrankenhaus erstmals eingesetzt – eine Premiere in Deutschland. Bis die Einstellung abgeschlossen ist, müssen die Patienten von früh bis spät eine UV-Schutzbrille tragen.

    Für Edelgard Kollmann nähert sich der Tag, an dem sie diese Brille in der Schublade verschwinden lassen darf. Hengerer testet, wie genau die Sehschärfe der Patientin bereits eingestellt ist.

    "Können Sie die Acht da vorne sehen?"

    "Ja."

    "Gut."

    "Drei, Fünf, Acht."

    "Also, Sie sehen ohne Brille schon 80 Prozent, das ist prima, das heißt, wir kriegen das jetzt mit der letzten Beleuchtung auf 100 Prozent ohne Brille."

    Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Behandlungsplatz kaum von dem, der bei jedem Augenarzt steht – wäre da nicht der Computer, der das UV-Licht steuert. Hengerer setzt der Patientin eine Kontaktlinse aufs Auge, die das UV-Licht auf die neue Linse beschränkt. Die Rückseite der Linse ist zudem mit einem Filter beschichtet – auf diese Weise gelangt das aggressive UV-Licht weder auf das Auge noch auf die Netzhaut. Hengerer:

    "Von daher ist die Behandlung ein sehr sicheres Verfahren, was bei bisher gut 80 Prozent unserer Patienten, die wir bisher damit behandelt haben, dazu führt, dass sie ohne Brille in die gewünschte Entfernung sehr scharf sehen können."

    Edelgard Kollmann starrt in das Gerät und befolgt die Anweisungen des Arztes.

    "Kleines bisschen nach rechts schauen, ein bisschen nach links gucken, wieder ein kleines bisschen nach rechts, stopp. So ist gut, so bleiben. Jetzt ist die Maschine bereit, und ich kann auslösen."

    40 bis 50 Jahre ist die Linse Hengerer zufolge haltbar – so lange also wie herkömmliche künstliche Linsen. Sie kostet allerdings mehr – viele Kassen verweigern die Übernahme. Nach 91 Sekunden ist für Edelgard Kollmann die heutige Behandlung vorbei. Bei der letzten werden die restlichen beweglichen Silikonteilchen verkettet. Danach kann UV-Licht die Linse nicht mehr verändern. Hengerer:

    "Gut, Sie können den Kopf zurücknehmen. Das heißt, Sie tragen jetzt über das Wochenende wieder Ihre Lichtschutzbrille wie gewohnt, und wir sehen uns am Montagnachmittag, Uhrzeit sagen wir Ihnen gleich noch. – Alles klar."