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Optimierung beim Weißen Gold

Materialforschung. - Der Alchemist Johann Friedrich Böttger in Dresden steht am Beginn der europäischen Porzellanproduktion, die aus seinen Bemühungen erwachsene Porzellanmanufaktur Meissen für deren Spitzenbereich. Dresdener Forscher haben jetzt untersucht, ob die Manufaktur in ihren ersten Jahrzehnten die Porzellanrezeptur veränderte.

Von Frank Grotelüschen | 31.05.2012
    China vor fast 2000 Jahren, die Ära der Han-Dynastie. Während dieser Zeit, so glauben manche Experten, wird das Porzellan erfunden. Das weiße Gold wird zum Exportschlager: Für edle Vasen und feines Geschirr zahlt der europäische Adel Unsummen. Jahrhunderte lang hält China das Monopol auf die Porzellanherstellung. Europa kontert erst spät.

    "Das Hartporzellan in Europa wurde 1708 von Johann Friedrich Böttger erfunden","

    sagt Christian Neelmeijer, Physiker am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf,

    ""Johann Friedrich Böttger arbeitete im Dienste von August dem Starken. Er hatte eigentlich vorgegeben, Gold erfinden zu können. Das hatte natürlich nicht funktionieren können. Aber es war ihm gelungen, das Hartporzellan auf den Markt zu bringen, was letztlich für Sachsen, Meissen und die ganze Umgebung auch ein Gold ist."

    1710 gründet August der Starke die Porzellan-Manufaktur Meissen – eine Marke, die bis heute weltweit bekannt ist. Das Originalrezept, das Arkanum, hält das Unternehmen seit nunmehr 300 Jahren streng geheim.
    "Dieses Geheimrezept vereinigt, wie ich die einzelnen Bestandteile mischen und den Brennprozess führen muss, bis zu welchen Temperaturen. Dieses Arkanum kennt die Meissener Porzellanmanufaktur. Und es sind nur sehr wenige auserwählte Leute, die das überliefert bekommen haben."

    Doch wie strikt hat die Manufaktur das Arkanum eingehalten? Oder ist das heutige Rezept gar nicht mehr das originale, also das von Johann Friedrich Böttger? Um das zu beantworten, untersuchte Neelmeijer 32 historische Stücke aus der Meissener Manufaktur – manche davon aus dem frühen, andere aus dem späten 18. Jahrhundert. Um ihre chemische Zusammensetzung herauszufinden, beschoss der Physiker das Porzellan mit schnellen Wasserstoffkernen, sogenannten Protonen.

    "Wenn ich viele solcher Protonen bündele und ähnlich einem Wasserstrahl auf ein Objekt richte, bekomme ich von diesem Objekt Antworten in Form von Sekundärstrahlung. Die kann ich mithilfe geeigneter Messgeräte erfassen. Und als Gesamtbild bekomme ich eine zerstörungsfreie Zusammensetzungsanalyse des Porzellans."

    Wären alle 32 Meissener Porzellanschätzchen nach ein- und demselben Rezept gefertigt worden, hätte die Protonenstrahlapparatur 32 Mal dasselbe Ergebnis ausspucken müssen. Dem aber war nicht so. Die Stücke aus dem frühen 18. Jahrhundert zeigten eine andere Zusammensetzung als die aus dem späten. Neelmeijer:

    "Wenn wir die Hauptbestandteile hernehmen, Siliziumoxid und Aluminiumoxid, kann man beobachten, dass das Aluminiumoxid vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ende ganz leicht angehoben wird, währenddessen das Siliziumoxid leicht abgesenkt wird in der Konzentration."

    Ein Trick, der das Porzellan noch weißer und damit brillanter machte. Im Laufe des 18. Jahrhunderts hatte die Porzellanmanufaktur das ursprüngliche Rezept also nach und nach optimiert. Und noch etwas stellte Neelmeijer bei seinen Versuchen fest:

    "Die Begleitelemente und die Spurenelemente schwanken ziemlich stark. Das hat was damit zu tun, dass die verschiedenen Bestandteile von verschiedenen Fundstellen entnommen werden."

    Die Fördergebiete für manche Rohstoffe waren mit der Zeit erschöpft. Notgedrungen musste sich die Manufaktur dann nach neuen Bezugsquellen umschauen. Und das wirkte sich natürlich auch auf die chemische Zusammensetzung des Porzellans aus. Also: Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde das Geheimrezept mehrfach modifiziert. Kann man bei den späten Stücken dann überhaupt noch von Original Meißner Porzellan sprechen?

    "Aber selbstverständlich kann man das! Das sind geringfügige Modifikationen in der Zusammensetzung. Der Brennprozess, das zweite Stück des ganzen Arkanums, ist sicher erhalten geblieben."

    Nun wäre es interessant, auch späteres Porzellan aus Meissen unter die Lupe zu nehmen – Produkte aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Dann, so Christian Neelmeijer, könnte man prüfen, ob die Manufaktur das Originalrezept auch später noch modifiziert hat.