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Optimierungsproblem optimal gelöst

Medizin. - Dass sich die Zahl 15 in die Faktoren 5 und 3 zerlegen lässt, lernt man schon sehr früh in der Schule. Trotzdem sorgte genau diese Rechnung vor einigen Monaten für ein Aufhorchen unter den Physikern, aber auch unter den Computerexperten. Denn es war Forscher vom MIT Media Lab in Boston gelungen, diese Rechnung mit einem besonderen Computer auszuführen: mit einem so genannten Quantencomputer. Inzwischen haben sie noch eine zweite grundlegenden Quanten-Berechnung geschafft: Eine – ebenfalls sehr einfache - Optimierungsrechung.

    Von Jan Lublinski

    Matthias Steffen ist ein junger deutscher Physiker, der die meiste Zeit seines Lebens im Ausland verbracht hat.

    Ich bin in Brasilien geboren worden. Mit 3 Jahren ging es nach Deutschland. Mit 13 gings nach Singapur. Dann bin ich zur Schule bis zum Bachelor Degree nach Atlanta gegangen und dann nach Stanford für mein Masters und mein PhD.

    Und so kommt es, dass er sein wissenschaftliches Spezialgebiet nur in englischer Sprache darlegen kann. Er befasst sich mit Quantencomputern auf der Basis von speziell designten chemischen Molekülen arbeiten.

    Diese Moleküle können als kleine Computer verwendet werden. Die Atomkerne in den Molekülen verhalten sich wie winzige Magneten: Wenn starke Magnetfelder eingeschaltet werden, können sie sich in zwei Richtungen ausrichten: nach oben oder nach unten – was einer 0 oder einer 1 entspricht. Und wenn man diese winzigen Magneten mit bestimmten Radiofrequenzen bestrahlt, kann man aus einer 1 eine 0 machen und umgekehrt. Und wir können außerdem zwei solche Bits zusammenbringen und so einen logischen Schalter bauen – bei dem zwei Atomkerne gewissermaßen mit einander sprechen.

    Diese elementaren Schalter unterscheiden sich allerdings von dem, was man von herkömmlichen Computern her kennt: Es handelt sich nicht um gewöhnliche Bits sondern um Quanten-bits, kurz Qubits. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Bits können Qubits viele Rechenoperationen gleichzeitig ausführen. Die Quantenmechanik machts möglich. Mit Hilfe von neuen Algorithmen sollen nun bislang unvorstellbare Rechengeschwindigkeiten möglich werden. Zum Beispiel das Zerlegen von großen Zahlen in ihre Faktoren. Eine Aufgabe, an der herkömmliche Computer kläglich scheitern, sobald sie mit etwas längeren Zahlenkolonnen konfrontiert werden. Matthias Steffen und seinen Kollegen im Team von Isaac Chuang am MIT-Media-Lab haben vor einigen Monaten mit Hilfe von 7 Qubits die erste Quantencomputer-Faktorisierung ausgeführt: Sie konnten berechnen, dass die Zahl 15 sich in die Faktoren 5 und 3 zerlegen lässt. Ein kleiner Schritt für die Mathematik, ein großer für die Quantencomputer-Welt. Seither hat Matthias Steffen seine Experimente weiter vorangetrieben und beweisen können, dass er mit seinen Computer-Molekülen auch ein sogenanntes Optimierungsproblem angehen kann: Die Suche nach dem höchsten Punkt in einer Landschaft: Also Frage, ob es sich bei einem Berg, auf den man zuläuft, wirklich um den höchsten Berg handelt – das sogenannte globale Maximum - oder doch nur um einen kleineren Gipfel, ein sogenanntes lokales Maximum.

    Bei unserem ersten, sehr einfachen Maximierungsproblem hatten wir sowohl ein lokales als auch ein globales Maximum eingebaut. Mit dem klassischen Optimierungsalgorithmus, der sozusagen nur bergauf läuft, finden wir in der Hälfte aller Rechnungen nur das lokale Maximum. Unser Quantencomputer dagegen findet immer die richtige Lösung: Den höchsten Berg. Wenn der Quantencomputer zunächst das lokale Maximum findet, so springt er irgendwann hinüber zum globalen Maximum. – Im Gegensatz zum klassischen Algorithmus, der dieses Problem nur in der Hälfte aller Fälle richtig löst.

    Ähnlich wie die Rechnung 15 ist gleich 5 mal 3 ist auch diese sehr einfache Optimierungsrechnung nur ein erster Schritt. Vielleicht werden Quantencomputer irgendwann so schwierige Aufgaben wie das Travelling-Salesman-Problem bearbeiten: Sie könnten einem Handlungsreisenden, der sehr viele Städte hintereinander abklappern muss, den optimalen Weg empfehlen. Wenn die Entwicklung in diesem Forschungszweig genauso rasant weiterläuft wie in den vergangenen Jahren, werden eines Tages Quantenprozessoren den herkömmlichen Rechnern zur Seite gestellt werden – weil sie spezielle Rechnungen wesentlich schneller ausführen können. Aber über diese möglichen Anwendungen will Matthias Steffen nicht lange spekulieren. Er will zunächst die grundlegende Frage beantworten, ob es wirklich möglich ist, einen Quantencomputer zu bauen, der tatsächlich den herkömmlichen Elektronenhirnen überlegen ist.

    Wenn es uns gelingt, einen größeren Quantencomputer zu bauen, wenn wir also in der Tat mit der Quantenwelt manche Aufgaben sehr viel schneller lösen können als auf herkömmlichem Wege, dann haben wir etwas Fundamentales gezeigt. Sollte uns dies aber nicht gelingen, dann ist das auch ein wichtiges Ergebnis: Dann wissen wir, dass der Unterschied zwischen unserer Welt und der Welt der kleinsten Teilchen gar nicht so groß ist. Und auch in diesem Fall hätten wir etwas grundlegend Neues über die Physik gelernt.