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Optimismus auf dem Bücherberg?

Henke: Also, über die Notwendigkeit der Messe lässt sich trefflich streiten. Nur hat sie natürlich als ein Forum, wo unglaublich viele Menschen aus diesemc Sektor, aus der lesenden Welt, aus der intelektuellen Welt zusammen sind, einfach einen publizistischen Effekt, den man nicht unterschätzen darf, und von der Branche selbst wird auch gesagt: Die Geschäfte, die hier getätigt werden, die lohnen allemal das Ausstellen, auch wenn mit kleinen Seitenhieben auf die teuren Frankfurter Hotels darüber geklagt wird, dass die Investitionen für die einzelnen Verlage schon immens sind. Immerhin aber mussten die Frankfurter heute Morgen eingestehen, dass sie etwa vier Prozent Anmeldungen zur Teilnahme an dieser Messe verloren haben. Trotzdem sind 6375 Aussteller aus 110 Ländern gekommen und das ist natürlich gigantisch. Also, die Messe wird an ihrem Rang überhaupt nicht kratzen müssen. Aber natürlich wurde bei der Pressekonferenz auch darauf verwiesen, dass wir insgesamt in einer schwierigen Wirtschaftslage sind. Man hat nicht mehr die Ausrede, das seien Folgen des 11. Septembers, sondern man sieht natürlich, dass einige dieser Probleme auch selbstgemacht sind in der Buchbranche. Ich sprach auch mit dem neuen Messechef, Volker Neumann, der mir erklärt hat, dass die Verlage es versäumt haben, salopp gesagt, etwas auf die hohe Kante zu legen, ein bisschen Fett anzusetzen, von dem man nun zehren kann, und die unglaublich große Zahl der jedes Mal auf den Markt gebrachten neuen Titel - es waren im vergangenen Jahr wieder mal gerade mal nicht 90000 -, die ist in Zeiten wirtschaftlicher Krisen einfach zu riskant, und der Buchhandel und die Verlage werden umdenken müssen.

Katja Lückert im Gespräch mit Barbara Henke |
    Lückert : Haben sich denn nicht auch viele auf die Umsätze durch Bestseller verlassen?

    Henke: Das ist auch eine Tendenz, von der der Aufsichtsratvorsitzende der Messe, Hubertus Schenkel, annimmt, dass sie weitergehen wird. Es ist jetzt schon international gesehen so, dass etwa 80 Prozent des Umsatzes insgesamt von Bestsellern kommt, und die tragen eben andere Publikationen mit, und er befürchtet, dass es in Zukunft auch einen gewissen Druck auf das Aushandeln von Autorenhonoraren geben wird. Ebenso werden sich Sortimenter wahrscheinlich überlegen müssen, wie groß wirklich die Zahl der Bücher sein kann, die sie ständig auf Lager oder abrufbereit haben.

    Lückert : Und so viele Harry Potters kann man auch nicht machen.

    Henke: Ja, Harry Potter ist natürlich ein Sonderphänomen, mit, ich glaube 150 Millionen verkauften Exemplaren bisher, aber das Erstaunliche wiederum an dem Sieg von Harry Potter und an dem unglaublichen Erfolg von J.K. Rowlings Büchern ist – da kann die deutsche Branche nun wieder zufrieden sein: Mit diesem Boom des Jugendbuches Potter ist keineswegs ein Dämpfer für das deutsche Kinder- und Jugendbuch gekommen. Die Lizenzen im Ausland, die Übersetzungen guter deutscher Kinderbücher lassen nicht nach, und man hofft natürlich auch in diesem Herbst wieder, in diesem Sektor gute Geschäfte machen zu können.

    Lückert : Litauen ist Gastland in diesem Jahr. Ein Land, dessen Autoren im Westen kaum bekannt sind. Wie wird sich Litauen auf der Messe präsentieren?

    Henke: Erste Gespräche mit litauischen Autoren – einige sind ja des Deutschen mächtig – haben gezeigt: Die Litauer verfügen über eine gewisse Selbstironie und Humor, und so, wie sie sich hier präsentieren, mit einem ansprechenden Pavillon, der uns in die Geschichte der Sprache, in die Geschichte des Landes, nicht zuletzt in die lange, lange fremdbestimmte Zeit der Litauer, die ähnlich wie Polen immer von Russland dominiert wurden und zuletzt eben von der UDSSR. Diese ersten Eindrücke scheinen doch der Hoffnung Nahrung zu geben, das auch für dieses kleine Land aus den balitschen Staaten dieses Forum und die Teilnahme hier eine gewisse Popularität bringen könnte.

    Lückert : Das Konzept der Länderschwerpunkte ist oft diskutiert worden. Wie sieht es der neue Buchmessen-Chef, Volker Neumann: Will er es beibehalten?

    Henke: Für das nächste Jahr ist entschieden, dass Russland da sein wird, aber Volker Neumann, der neue Messechef will sich ja ohnehin, nicht zuletzt im Blick auf ein besseres Marketing und eine effizientere Organisation der Buchmesse für die kommenden Jahre neue Schwerpunkte überlegen, und die erste Tendenz, die er ausmacht, ist, er möchte gerne ganze Regionen präsentieren, also etwa den asiatischen Raum oder den afrikanischen Raum.

    Lückert : Wenn Sie sagen, bessere Präsentationen, neue Schwerpunkte der Buchmesse: Wo könnten die liegen?

    Henke: Also, aus dem, was ich von Neumann gehört habe – der wünscht sich zum Beispiel, dass die Frankfurter Buchmesse ein Pflichttermin für Gymnasiasten und für Literaturstudenten sein müsste. Da höre ich so ein bisschen heraus, dass die strikte Trennung zwischen Fachbesuchertagen und dem kleinen ja noch sehr kurzem Wochenende, an dem die Öffentlichkeit rein kann, ein bisschen aufgehoben werden könnte, denn man will ja auch die nachfolgenden Generationen neugierig machen aufs Lesen. Ich glaube, in die Richtung werden seine Aktivitäten gehen.

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