Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Optimismus trotz und wegen der Digitalisierung

Wie verändern Tablet-Computer und Konsorten unsere Lesegewohnheiten? Wie verändern sich Bibliotheken, und was bedeutet die Digitalisierung des gedruckten Buchs für traditionelle Verlage? Eine Diskussion der "Zeit-Stiftung" wagte einen Blick in die Zukunft des Lesens.

Von Ursula Storost | 14.09.2013
    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.

    So lautet ein arabisches Sprichwort. Es zeugt von der Hochachtung für Bücher. Und Bücher, so Dr. Simone Ehmig, werden auch im Elektronikzeitalter noch wertgeschätzt.

    "Nach allem, was wir aus Studien wissen, ist das Lesen nach wie vor präsent in dieser Gesellschaft. Es gibt kaum Generationsunterschiede etwa im Anteil derjenigen, die sagen, sie haben Spaß am Lesen. Es gibt auch kaum Altersgruppen, die sich unterscheiden im Kaufverhalten von Büchern. Wenn man Zahlen des Börsenvereins zum Beispiel nimmt."


    Allerdings, so die Leiterin des Mainzer Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, was sich durch die Nutzung digitaler Medien verändert hat, ist die Lesestrategie. Ob heute weniger intensiv gelesen wird, kann Monika Ziller, Leiterin der Stadtbibliothek in Heilbronn nicht beantworten. Aber

    "Die Nutzung von Bibliotheken, von öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken hat in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen. Also aus unserer Sicht kann man sicher nicht sagen, es wird im Allgemeinen weniger gelesen."

    So gesehen, könnten die Buchverlage optimistisch in die Zukunft blicken. Nicht ganz, sagt der Gründer des Frankfurter Stroemfeld Verlages KD Wolff. Bücher sind nachgefragt. Die leseinteressierten Kunden bleiben keineswegs weg.

    "Sondern die Bibliotheken bleiben weg. Als wir mit der Frankfurter Hölderlinausgabe mit den ganzen Handschriftenfaksimiles diese Sorte Publikation anfingen, 1975, da haben wir sehr rasch, innerhalb von ein, zwei Jahren über 1500 Subskriptionen auf das Gesamtwerk bekommen und davon war fast die Hälfte Bibliotheken."

    Bei der historisch-kritischen Franz Kafka Ausgabe dagegen, ebenfalls eine Faksimileausgabe, die seit 1995 verlegt wird und noch längst nicht abgeschlossen ist,

    "Da ist es inzwischen so, dass in Deutschland und in Österreich praktisch keine Bibliotheken überhaupt mehr kaufen. Die warten drauf, wann die gesetzliche Regelung so ist, dass es ihnen elektronisch umsonst zugeschmissen wird."

    Insgesamt sei festzustellen, so KD Wolff, dass die Bibliotheken sich mehr auf online verlegen. E-Books und CD-ROMs statt gebundener Bücher. Das sei platz- und kostensparend.

    "Und wenn Bibliotheken die Katalogisierung und die Bewahrung des Geschriebenen nicht mehr leisten, sondern sozusagen den Wünschen von irgendwelchen Schwarmintelligenzen nachlaufen, dann ist das eben doch ne Katastrophe."

    Die als Markt der Zukunft gefeierten E-Books, würden in Deutschland kaum nachgefragt, sagt der Verleger. Gekauft würden als E-Books allenfalls Massenwarenkrimis und spezielle Lehrprogramme von wissenschaftlichen Fachverlagen. Was Stroemfeld und viele andere kleine Verlage allerdings schwer belastet, sind schwarze Schafe im Internetbuchhandel. KD Wolff:

    "Amazon und die Tochterfirmen von Amazon, die drucken Sachen von uns einfach nach, machen nen eigenen Umschlag drum und tun so, als ob sie, wenn man sie darauf aufmerksam macht, als ob sie das nicht begriffen hätten, dass wir da Rechte haben. Amazon ist ein richtiger Raubdrucker."

    Eine Zivilklage gegen Amazon kann sich der kleine Stroemfeld Verlag nicht leisten. Eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft wurde zurückgewiesen. Es sei kein Vorsatz erkennbar. Schließlich würde Amazon die Bücher wieder aus dem Programm nehmen, wenn man den Internethändler auf das Urheberrecht hinweise.

    "Das machen sie auch tatsächlich, sie nehmen es wieder raus. Aber wir haben nicht die Zeit, dass wir jeden Tag alle Amazon-Webseiten untersuchen können daraufhin, was sie wieder von uns klauen."