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Optisch und inhaltlich überarbeitet

In dieser Woche hat die "taz" ihren 30. Geburtstag gefeiert, begangen wird dieser mit einem Relaunch der Tageszeitung, einer neugestalteten Wochenendausgabe und einem großen Kongress. Unter anderem beschäftigte sich heute eine Diskussion mit dem Thema: "Was ist heute noch kritische Öffentlichkeit" - eine Frage, die vor 30 Jahren noch einfach zu beantworten war.

Von Michael Meyer | 18.04.2009
    "Die taz ist im Herzen der Gesellschaft angekommen", sagte der stellvertretende Chefredakteur Peter Unfried in dieser Woche, als die optisch und inhaltlich überarbeitete "taz" vorgestellt wurde. Und genau das ist das Problem, werfen einige Leser und "taz"-Kenner der Zeitung vor: Nicht nur das sehr gefällige neue Layout spricht dafür, dass sich die "taz" immer weiter von ihren linken Ursprüngen entfernt hat und im Meinungsmainstream angekommen ist. "Taz"-Mitbegründer Tom Schimmeck hat schon seit Jahren so seine Zweifel, ob die Zeitung sich noch immer ihren links-alternativen Ursprüngen verpflichtet fühlt – auch die "taz" berichte kaum mehr über große gesellschaftliche Modelle:

    "Meine persönliche These ist, das hat etwas damit zu tun, dass gerade im Journalismus, und gerade in diesem Tagesjournalismus die Utopie, die Vision wie 79 bei Helmut Schmidt eigentlich verächtlich gemacht ist. Wenn Sie gesehen haben wie in der rot-grünen Zeit diejenigen, die kleine Anmerkungen zum Thema Agenda hatten, systematisch niedergeschrieben wurden, zum Beispiel hauptsächlich vom "Spiegel" auch, da hat jeder Einzelne einen Vierspalter bekommen und wurde einfach so weggewatscht. Es gibt eine Verhöhnung geradezu von Leuten, die nachfragen, die anders denken wollen, das sehen Sie ganz häufig."

    Doch dieser Vorwurf ist falsch und ungerecht, findet taz- Chefredakteurin Bascha Mika, denn die Gesellschaft habe sich nun einmal geändert, sei in die Mitte gerückt – und dorthin sei die taz ihren Lesern gefolgt.

    "Das Problem von uns Medienmachern ist natürlich, wir können ja nur Antworten geben, die in der Gesellschaft vorhanden sind. (….) Aber wir haben ja das Problem, wo nichts ist, darüber können auch wir nicht schreiben. Deswegen ist es kein Wunder, dass eigentlich alle Medien, vor allen Dingen auch die Qualitätszeitungen, auf der Suche sind, auch die ‚taz’, nach den besonders klugen Köpfen, nach den besonders innovativen Denkern, die ein Stück weiter sind als das allgemeine Wissen in der Gesellschaft."

    Positiv anzurechnen ist der "taz", so meinen Beobachter, dass in der "taz" nach wie vor auch Themen wie Rechtsradikalismus oder Entwicklungen in Afrika behandelt werden, wenn sie einmal nicht hoch auf der Agenda der anderen Medien stehen. Jedoch berichtet auch die "taz" nicht immer kontinuierlich über gesellschaftliche Prozesse, findet Maria Kniesburges, Chefredakteurin der verdi-Zeitschrift "publik". Anfang des Jahrzehnts habe die gesamte deutsche Presse es beispielsweise versäumt, über die wirtschaftlichen Interessen bei der Reform des Arbeitsmarktes zu berichten:

    "Da gab es ein ziemliches Mainstream-Syndrom in der Presse, auch in den Medien, die ich schätze und lese – die Aussage, die gemeinsame hieß: Wir leben über unsere Verhältnisse, die Reformen müssen sein und, und, und. Und wer da ausscherte war böse und gemein, unmodern ein Anachronismus und was auch immer alles Böses. Das war schade, dass da nicht debattiert wurde, was eigentlich mit dieser Gesellschaft passiert."

    Teil des Problems der kritischen Öffentlichkeit ist die insgesamt veränderte Medienlandschaft, meint die ehemalige "taz"-Chefredakteurin Klaudia Wick. Privatfernsehen und Internet haben eine Vielzahl von neuen Stimmen auf den Markt gespült – und heute habe man eigentlich das gegenteilige Problem wie vor 30 Jahren, als die "taz" gegründet wurde und es im Vergleich nur wenige Medien gegeben habe. Heute sei es hingegen nötig, in der schier unübersehbaren Vielfalt der Medienlandschaft Orientierung für die wirklich wichtigen gesellschaftlichen Themen herzustellen:

    "Ich glaube, wir brauchen diesen Trichter. Diese Vielfalt ist eine ganz ambivalente Sache meiner Meinung nach. Und die Zeiten, in denen das gut funktioniert hat, diese Höhepunkte, in denen hat diese Fokussierung stattgefunden, und zwar nicht im Sinne einer Gleichschaltung von Medien, sondern im Sinne von Gleichschaltung der Interessen, das etwas anders und besser werden soll."