Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Orchesterwerke von Sir Arnold Bax
Ein eherner Romantiker

Er bezeichnete sich selbst als ehernen Romantiker: Sir Arnold Bax. Das BBC Philharmonic Orchestra aus Manchester hat beim Label Chandos drei Werke des Komponisten auf CD veröffentlicht. Am Dirigentenpult stand mit Sir Andrew Davis ein ausgewiesener Experte fürs britische Repertoire.

Von Jochen Hubmacher | 05.04.2015
    Blick auf die Zufahrt zum Connor Pass auf der Halbinsel Dingle in der Provinz Kerry im Süden Irlands. Im Hintergrund erhebt sich der Brandon Mountain.
    Irland: Sir Arnold Bax liebte das Land und zeigte politisch viel Sympathien für die Unabhängigkeitsbewegung. (picture-alliance / dpa - Andreas Keuchel)
    Aus: Vier Orchesterstücke, K: Arnold Bax - 4. The Dance of Wild Irravel, CD Tr. 4
    Man könnte meinen, Arnold Bax habe bei Maurice Ravels "La Valse" abgekupfert. Doch, wenn überhaupt, dann kann es nur umgekehrt gewesen sein. Denn der "Dance of Wild Irravel" aus den vier Orchesterstücken von Arnold Bax erklang erstmals 1913, also sieben Jahre bevor Ravel seinen orchestralen Abgesang auf die Wiener-Walzer-Seligkeit der Öffentlichkeit präsentierte.
    "Wild Irravel ist lediglich die Personifizierung einer Zigeunerstimmung. Ich versuchte, einen Namen zu finden, der auf keine bestimmte Nationalität hindeutete."
    Meinte Arnold Bax einmal, als er auf den seltsamen Titel angesprochen wurde. Bax liebte es, sich verrückte Namen für seine Stücke auszudenken. Oft ließ er sich dabei vom Klang der irisch-gälischen Sprache inspirieren. Wie überhaupt Irlands Landschaft und Kultur auf den Engländer Bax einen immensen Einfluss ausübten. 1911 zog der Komponist mit seiner Frau sogar in ein Haus im Dubliner Nobelvorort Rathgar.
    "Von den hinteren Fenstern hatte man einen klaren Blick auf parkartig bewaldetes Land. Und dahinter auf den vollständigen Ring der ungezähmten Dubliner Berge. An jedem klaren Tag konnte das Auge an diesem Amphitheater geliebter Hänge entlang streifen, über den Cairn von Niall Glundubh auf Tibradden, vorbei am geisterhaften Kilmashogue, hinab in die bewaldeten Senken von Glendhu, wieder hinauf entlang dem rotbraunen Streifen blattloser Bäume zu den düsteren Ruinen von Kilikee. Bis der Blick endlich auf Seefin ruhte, einem perlgrauen Trugbild von einem Berg, dessen Gipfel womöglich mit den Schneewehen vom Sturm der vergangenen Woche glitzern mochte. Und tief in diesen Hügelfalten, 50 Kilometer weit entfernt, lag Glendalough of the Seven Churches, mit seinen ehemals sieben Klosterkirchen ein zauberischer Ort heiliger Düsternis."
    Aus: Vier Orchesterstücke, K: Arnold Bax, 3. From the Mountains of Home, CD Tr. 3
    "From the Mountains of Home" - Von den Bergen der Heimat: So überschreibt Arnold Bax das dritte seiner vier Orchesterstücke. Entstanden sind sie in den Jahren 1912 bis '13 und wurden jetzt von BBC Philharmonic unter der Leitung von Sir Andrew Davis erstmals komplett auf CD eingespielt.
    Arnold Bax war nicht nur ein Bewunderer der irischen Landschaft und der irischen Kultur, er hegte auch große Sympathien für die irische Unabhängigkeitsbewegung. Zur Erinnerung: Der größte Teil Irlands erlangte erst 1921 nach einem blutigen Bürgerkrieg die Unabhängigkeit von England. Ein Konflikt, der vor allem in Nordirland noch bis in die 1990er-Jahre hinein immer wieder aufflammte.
    Eine wichtige, wenn auch blutige Etappe auf dem Weg zur irischen Unabhängigkeit war der gescheiterte Osteraufstand 1916 in Dublin. Arnold Bax kannte einige der Anführer, die später hingerichtet wurden. Der Komponist verarbeitete die Ereignisse zunächst literarisch. Unter dem Pseudonym Dermot O'Byrne erschien sein Gedichtband "A Dublin Ballad and other Poems", der von der britischen Zensur prompt verboten wurde. Auch in seiner 1921 uraufgeführten Fantasie für Viola und Orchester bezieht Bax politisch Stellung. Mit Zitaten irischer Volkslieder, dem Marsch der republikanischen Sinn-Féin-Partei oder der klagenden Melodie der Bratsche gleich zu Beginn des Werks.
    Aus: Phantasy für Viola und Orchester, K: Arnold Bax, 1. Satz, CD Tr. 5
    In der "Fantasie für Viola und Orchester" von Arnold Bax präsentiert sich Philipp Dukes als überragender Solist. Von London bis Glasgow, von Birmingham bis Liverpool tritt Dukes mit allen wichtigen britischen Orchestern auf. Seit rund zehn Jahren hat er eine Professur für Bratsche an der Londoner Royal Academy of Music. Er verfügt über eine ausgezeichnete Technik und einen großen, warmen Ton. Außerdem beweist er das nötige Feingefühl für die Interpretation von Volksweisen, indem er sie nicht romantisch überfrachtet. Schlicht besticht, wenn im Mittelteil der Bax-Fantasie das irische Lied "O Pretty brown-haired girl of the white breasts" erklingt.
    Aus: Phantasy für Viola und Orchester, K: Arnold Bax, 2. Satz, CD Tr. 6
    In nur zwei Tagen hat BBC Philharmonic die hier vorgestellte CD mit immerhin rund 70 Minuten Musik aufgenommen. Dafür ist das Ergebnis mehr als erstaunlich. Dem ein oder anderen Akkord, der ein oder anderen komplexeren Passage hätte ein Studiotag mehr sicher gut getan. Dann wäre, rein technisch betrachtet, aus einer sehr guten, eine restlos überzeugende Aufnahme geworden. Interpretatorisch lässt Dirigent Andrew Davies aber kaum Wünsche offen. Er bewegt sich im britischen Repertoire wie ein Fisch im Wasser.
    Aber auch einen Dirigenten von Weltrang wie Davis könnte man als Tonmeister diskret darauf hinweisen, dass es zu hören ist, wenn Einsätze für das Orchester, noch dazu in leisen Passagen, laut atmend und halb pfeifend gegeben werden. Ein Hauch von Glenn-Gould-Attitüde schwebt also über der CD.
    Zugegeben: All das ist Klagen auf hohem Niveau. Ein Niveau, das sich auch in Arnold Bax' "Ouvertüre, Elegie und Rondo" zeigt. Er hat das Werk 1927 komponiert. Das BBC Orchester aus Manchester veredelt die bisweilen etwas spröde wirkende Kontrapunktik darin mit unglaublich kultiviertem und brillantem Klang.
    Aus: Overture, Elegy, and Rondo , K: Arnold Bax, Overture, CD Tr. 8
    Orchesterwerke von Sir Arnold Bax habe ich Ihnen heute vorgestellt. Kürzlich erschienen auf CD beim Label Chandos. Eingespielt von BBC Philharmonic unter der Leitung von Andrew Davis. Für Ihr Interesse bedankt sich am Mikrofon Jochen Hubmacher.
    Aus: Overture, Elegy, and Rondo, K: Arnold Bax, Rondo, CD Tr. 8
    Besprochene CD:
    Sir Arnold Bax (1883-1953): Phantasy - Four Orchestral Pieces - Overture, Elegy, and Rondo
    Philip Dukes, Viola
    BBC Philharmonic, Ltg.: Sir Andrew Davis
    Label: Chandos
    LC: 7038
    EAN: 095115182925
    Best. Nr.: CHAN 10829