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Ordnende Hand in der Pflanzenwelt

Carl von Linné wurde im 18. Jahrhundert zum großen Namensgeber der Natur. Tausende wissenschaftlicher Bezeichnungen in botanischen und zoologischen Bestimmungsbüchern gehen auf den Schweden zurück.

Von Regina Bartel | 23.05.2007
    Im Frühling treiben sie aus, schießen aus dem Boden, blühen und verblühen: die Hainbuche, Cárpinus betulus, die Sumpfdotterblume, Cáltha palustris, das Buschwindröschen, Anemone nemorosa, das Wiesenschaumkraut, Cárdamine pratensis. In botanischen und zoologischen Bestimmungsbüchern findet sich hinter diesen und Tausenden von wissenschaftlichen Bezeichnungen einzelner Spezies der Buchstabe L. Er steht für Carl von Linné, den schwedischen Botaniker, der im 18. Jahrhundert ein System in die Wissenschaft von Tieren und Pflanzen brachte, das sich weltweit durchgesetzt hat und bis heute gültig ist.

    Carl von Linné, der am 23. Mai 1707 als Carl Linnaeus geboren wurde, sollte nach dem Willen seiner Eltern in die Fußstapfen des Vaters treten und Pfarrer werden.

    "Aber oft geschieht es, dass das Interesse der Eltern für das künftige Glück der Söhne, mag es auch sein, dass es das höchste und zärtlichste ist, nebst den aufgewandten Kosten zu Nichte und für die Gesellschaft wie das Kind zum Schaden wird, wenn es sich zu einem Kampfe gegen die Natur heranwagt, oder wenn es auch nur ganz wenig von dem Wege, den die Natur angewiesen hat ablenkt. [...] So erging es unserem Karl","

    schreibt der spätere Bischof Johannes Browallius 1734 über seinen Jugendfreund.

    Erst als Carl von Linné Förderer findet, die seinen Hang zur Naturwissenschaft unterstützen, darf er die Studienrichtung wechseln und wird Mediziner. Einige Jahre reist er durch Europa, erlangt in Holland den Doktortitel und lässt sich 1738 als Arzt in Stockholm nieder, bis er 1741 die Professur der theoretischen und praktischen Medizin an der Universität in Uppsala antritt.

    Ein Jahr später tauscht er mit einem Kollegen die Lehrfächer, übernimmt die Vorlesungen in Botanik und ist somit auch Direktor des botanischen Gartens, ein Garten in dem um 1750 weit über 1000 Pflanzenarten kultiviert werden.

    Linné kann sich seiner schon früher veröffentlichten Vorstellung von der richtigen Ordnung der Natur ausführlich widmen. Ganz der distanzierte Wissenschaftler, schreibt er über sich selbst in dritter Person:

    ""Nun begann Linnaeus ein größeres Werk, nämlich die Species Plantarum auszuarbeiten [...] da er ein großes Herbarium besaß und so viele Gärten und Sammlungen anderer gesehen hatte, mit einem Worte so viele Pflanzen, als kein einziger in seiner Zeit. Durch ein solches Buch konnte jeder erfahren, was schon entdeckt oder neu war, wenn es vorkam und wie es richtig benannt werden sollte, welches sonst nicht thunlich war."

    Es entsteht die so genannte binäre Nomenklatur. Zum einen will Linné die Pflanzen nach einem Sexualsystem geordnet sehen, zum anderen sollen sie eindeutige Namen bekommen, so dass die Arten überall auf der Welt bestimmt und verglichen werden können.

    Linné lebt hundert Jahre vor Charles Darwin: Dass die Arten in der Schöpfung als etwas unveränderliches angelegt sind, steht für ihn außer Frage, aber er ordnet die Pflanzen und Tiere bereits nach Verwandtschaften. Bei den Pflanzen richtet er sich nach dem Aufbau der Blüte.

    "Das Wesen der Befruchtung ist das wichtigste Kennzeichen der Lebewesen. Alle Teile der Blume sollen als Kennzeichen verwendet werden zur Charakterisierung einer Gattung, wie die Buchstaben eines Alphabets."

    Es geht in Linnés Ordnungssystem, Systemae naturae, darum, Gemeinsamkeiten im Aufbau der Blüte zu finden und diese Pflanzen zu Gattungen und Familien zusammenzufassen.

    Charles Darwin schreibt 1859 in "Die Entstehung der Arten":

    "Gemeinsame Abstammung ist nach meiner Ansicht das geheime Band, welches die Naturforscher unter dem Namen natürliches System unbewusst gesucht haben."

    Linné, der 1762 in den Adelsstand erhoben und so zum Herrn von Linné wird, legt mit seinem Natursystem einen Grundstein für die spätere systematische Biologie und die Evolutionstheorie. Den Menschen, den er 1758 als wissenden Menschen, als Homo sapiens betitelt, ordnet er bereits den Primaten zu und behandelt ihn als zoologisches Objekt.

    Carl von Linné gibt seinen Lehrstuhl 1777 an seinen Sohn ab. Am 10. Januar 1778 stirbt er in seinem Wohnhaus am botanischen Garten in Uppsala.