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Ordnung für das Internet

Man gerät leicht an die Frustrationsgrenze, wenn man im Internet wirklich gezielt nach Informationen sucht. Zwar helfen Suchmaschinen beim Auffinden spezieller Inhalte, doch meist findet man sich im Chaos der vielverzweigten Webstruktur nur mühsam zurecht. Und noch schwieriger ist es, wenn man verschiedene Informationen miteinander verknüpfen will, zum Beispiel bei der Reiseplanung im Internet. Das alles soll durch eine neue Strukturierung der Informationsangebote viel einfacher werden. Doch die Semantic Web-Technologie des World Wide Web Consortiums setzt sich nur langsam durch.

    Von Pia Grund-Ludwig

    Die Versprechungen der Forscher auf der Konferenz des World Wide Web Comitee klangen ziemlich verlockend: Man mit dem Semantic Web könnte lästige Routineaufgaben wie die Koordination von Terminen oder das Zusammentragen von Reiseunterlagen einfach seinem Computer überlassen. Eine Anfrage würde beispielsweise so aussehen: "Ich möchte mit meiner Familie in den Sommerferien drei Wochen ans Mittelmeer fliegen, um zu Surfen." Um mit einem solchen Auftrag etwas anzufangen, benötigt der Rechner eine Beschreibung der Inhalte. Er müsste erkennen, dass der Begriff Sommerferien in diesem Zusammenhang eine Zeitangabe ist. Und er sollte auch verstehen, dass mit Mittelmeer die an das Mittelmeer angrenzenden Länder gemeint sind. Dazu ist aber Vorarbeit notwendig, nämlich eine exakte Beschreibung der einzelnen Begriffe. Technologien des Semantic Web erlauben es, solche Beschreibungen maschinenlesbar zu erstellen. Bausteine sind das Datenaustauschformat XML, das den Zugriff auf unterschiedliche Anwendungen erlaubt und das Ressource Description Framework RDF, mit dem sich die Inhalte beschreiben lassen. Diese Technologien sind vorhanden, setzen sich aber im Moment noch nicht so richtig durch. Tim Berners-Lee, Erfinder vieler Basistechnologien des World Wide Web wie der Verlinkung und der ersten Browseroberflächen, kennt die Suche nach einer Killerapplikation schon:

    Das Problem mit dem Semantic Web ist ähnlich wie beim World Wide Web vor zehn Jahren. Weil es ein Netz ist, benutzen es viele unterschiedliche Leute für viele unterschiedliche Dinge, die aber zusammenfinden sollen. Das schwierige dabei ist, es die Lawine anzustoßen, damit sie den Berg hinterrollt. Wenn sie rollt, wird sie größer und größer. Für das Semantic Web müssen wir nun eine kleine Zahl von Anwendungen finden, die aus irgendeinem Grund die Leute dazu bringen, es zu benutzen.

    Welche Anwendungen das sein werden, lasse sich im Moment kaum sagen, so Berners Lee, Web-Services hätten jedoch das Potenzial dazu:

    Ich denke, Web Service sind ein guter Kandidat, da sie für Unternehmen wichtig sind. Ich denke aber auch an Einzelnutzer: Es könnte Leute geben, die mit dem Semantic Web ihr tägliches Leben organisieren, ihre Kalender, ihre Kontoauszüge, ihre Photoalben und persönliche Informationen zusammenführen. Das kann nützlicher sein, wenn alles zusammenpasst und sich die Anwendungen effektiv miteinander unterhalten können.

    Doch nicht nur beim Zusammenführen von Anwendungen, auch bei der Suche in Search Engines könnten semantische Technologien helfen. Angenommen, ein Benutzer sucht Schallplatten eines Pianisten namens Bernhard Müller. Bei einer semantischen Suche würde der Computer erkennen, dass alle Bernhard Müllers, die bei Konzerten auftreten und auf Musikportalen auftauchen auch dann in Frage kommen können, wenn nicht unbedingt erwähnt ist, dass sie auch Klavier spielen. Suchmaschinen erkennen solche Zusammenhänge nur begrenzt. Im Moment gibt es freilich noch das Problem von Henne und Ei: Jemand muss die Inhalte einordnen. Ohne Annotation keine Anwendung, ohne Anwendung keine Annotation, meint Stuart Feldman. Er ist bei IBM für die Entwicklung von Internet-Technologien zuständig und warnt vor zu viel Optimismus in Sachen Semantic Web. Die Datenfülle von nicht kommentierten HTML-Seiten sei enorm, und semantische Annotationen würden sich nur bei neuen Angeboten durchsetzen, meint Feldman:

    Wir haben schon viele Milliarden Seiten, die in HTML geschrieben sind. Es gibt keine großen Anreize, diese Milliarden Seiten in XML zu konvertieren oder Annotationen in RDF zu erstellen. Es wird sich bei neuem Material durchsetzen und dort, wo Leute es für sinnvoll halten, modernere Markierung für Beziehungen zu setzen, denn das erfordert das Semantic Web.

    So geht Moment nicht einmal der Visionär Tim Berners-Lee davon aus, dass sich das Web in überschaubaren Zeiträumen ändern wird:

    In zwei Jahren wird es ähnlich aussehen wie im Moment. Es wird mehr Semantic-Web-Inhalte geben, vielleicht zehnmal oder hundertmal so viel. Ich weiß nicht, ob das Semantic Web so explodieren wird wie das Web es getan hat, aber ich denke, das Wachstum wird sich fortsetzen.