Griechenland ist eine preußische Kadettenanstalt. Der ferne Krieg in Troja hat auf die Daheimgebliebenen abgefärbt. Der Chor besteht aus Kindern, Mädchen vor allem in Uniform und Knobelbechern, denen ein feldgrauer Zuchtmeister die Heldensagen eindrillt. Doch als Agamemnon, der Sieger vor Troja, zurückkehrt, ist er kein glänzender Held, sondern ein traumatisiertes Wrack, das die eigene Tochter Iphigenie dem Kriegsglück aufgeopfert hat.
Bevor ihn Klytaimnestra, eine fiebrige Salonschlange im falschen Weiß der Unschuld, als Rächerin der Tochter mordet, posieren die beiden noch, das Kriegskind Elektra zwischen sich, wie einst die Clintons mit der Tochter. Von solchen unaufdringlichen Parallelen lebt der erste, intensivste Teil von Karin Neuhäusers "Orestie". Mühelos beherrscht die Inszenierung die riesige Bühne und füllt sie im zweiten Teil mit großen Bildern, die an andere Heldensagen erinnern: Orest in schwarzer Hose, schwarzem Rolli, ist Hamlet, der Zögerer und Zauderer, in dem die Schwester Elektra erst den erwarteten Retter nicht zu erkennen vermag - bis die Erinnerung an glückliche Kinderzeiten die Enttäuschung überspielt.
Dem nur halb komischen Putzfrauentrio, das nun den Chor abgibt, gewinnt die Regie genug Ahnung von Nibelungenunheil ab, um die Orestie, das erste Drama des Abendlands, auf das immergleiche Verhängnis der Gewalt durchsichtig zu machen. Denn an die frohe Botschaft des Aischylos, dass am Ende das archaische Gesetz der Blutrache abgelöst wird vom Prinzip demokratischer Rechtsstaatlichkeit, kann Karin Neuhäuser nicht glauben. Und, ja, es ist ein weiblicher Blick auf das Geschehen, der solchen Unglauben bestärkt. Erst unauffällig, dann immer deutlicher zieht sich ein roter Faden vom trojanischen Eifersuchtsdrama um Helena über den Mord an Iphigenie bis zur Entmachtung des Mutterrechts.
Seine Vertreter, die Rachegöttinnen, sind allerdings keine angenehmen Zeitgenossen. Blutbeschmierte Hooligans beiderlei Geschlechts, lassen sie sich nur notdürftig einbinden in Athenes aufgeklärten Pakt, zähmen als künftige Schützerinnen ihrer Stadt. Die Erinnyen, nun als "Eumeniden" euphemistisch zu "Wohlmeinenden" umgedeutet, behalten das letzte Wort - und das lautet, in der Übertragung von Dietrich Ebener: "Einig im Hass". Die Gewaltspirale, so viel ist sicher, wird sich weiter drehen - das nächste Mal im Kampf mit irgendeinem Feind von außen.
Kein Wunder, dass die gemordete Klytaimnestra triumphierend wieder aufersteht und Blutfontänen aufspritzen aus dem Unschuldsweiß der angeblich befriedeten Szenerie. "Gewalt und kein Ende - Fragezeichen" - so lautet die Themenstellung der Pythia-Christiansen-Talkshow, in die Karin Neuhäuser den dritten Teil der Orestie eingekleidet hat, und das Fragezeichen ist überflüssig.
Überflüssig allerdings auch der grelle Spaßgesellschaftston, der sich hier breitmacht. Auf der einen Seite die gewaltbereiten Außenseiter, chancenlos im Spiel um die Deutungsmacht, auf der anderen die Götter als sonnenbebrillte Popschönlinge mit strähnigem Blondhaar, dazwischen im Pepitakostüm die Moderatorin - gut, auch im wahren Leben liegen Medienherrschaft, Geschmacklosigkeit und prollige Gewaltlust näher beieinander, als einem lieb sein kann. Aber so aufs Theater gebracht, ist das nicht mehr als ein wohlfeiler Kurzschluss, plakativ und unscharf. Immerhin - das ist nur das kürzeste Stück eines fünfeinhalbstündigen Abends, der genug Spannung aus der Beiläufigkeit gewinnt und genügend Bilder mit Strahlkraft, um die Lust am Denken wach zu halten.
Bevor ihn Klytaimnestra, eine fiebrige Salonschlange im falschen Weiß der Unschuld, als Rächerin der Tochter mordet, posieren die beiden noch, das Kriegskind Elektra zwischen sich, wie einst die Clintons mit der Tochter. Von solchen unaufdringlichen Parallelen lebt der erste, intensivste Teil von Karin Neuhäusers "Orestie". Mühelos beherrscht die Inszenierung die riesige Bühne und füllt sie im zweiten Teil mit großen Bildern, die an andere Heldensagen erinnern: Orest in schwarzer Hose, schwarzem Rolli, ist Hamlet, der Zögerer und Zauderer, in dem die Schwester Elektra erst den erwarteten Retter nicht zu erkennen vermag - bis die Erinnerung an glückliche Kinderzeiten die Enttäuschung überspielt.
Dem nur halb komischen Putzfrauentrio, das nun den Chor abgibt, gewinnt die Regie genug Ahnung von Nibelungenunheil ab, um die Orestie, das erste Drama des Abendlands, auf das immergleiche Verhängnis der Gewalt durchsichtig zu machen. Denn an die frohe Botschaft des Aischylos, dass am Ende das archaische Gesetz der Blutrache abgelöst wird vom Prinzip demokratischer Rechtsstaatlichkeit, kann Karin Neuhäuser nicht glauben. Und, ja, es ist ein weiblicher Blick auf das Geschehen, der solchen Unglauben bestärkt. Erst unauffällig, dann immer deutlicher zieht sich ein roter Faden vom trojanischen Eifersuchtsdrama um Helena über den Mord an Iphigenie bis zur Entmachtung des Mutterrechts.
Seine Vertreter, die Rachegöttinnen, sind allerdings keine angenehmen Zeitgenossen. Blutbeschmierte Hooligans beiderlei Geschlechts, lassen sie sich nur notdürftig einbinden in Athenes aufgeklärten Pakt, zähmen als künftige Schützerinnen ihrer Stadt. Die Erinnyen, nun als "Eumeniden" euphemistisch zu "Wohlmeinenden" umgedeutet, behalten das letzte Wort - und das lautet, in der Übertragung von Dietrich Ebener: "Einig im Hass". Die Gewaltspirale, so viel ist sicher, wird sich weiter drehen - das nächste Mal im Kampf mit irgendeinem Feind von außen.
Kein Wunder, dass die gemordete Klytaimnestra triumphierend wieder aufersteht und Blutfontänen aufspritzen aus dem Unschuldsweiß der angeblich befriedeten Szenerie. "Gewalt und kein Ende - Fragezeichen" - so lautet die Themenstellung der Pythia-Christiansen-Talkshow, in die Karin Neuhäuser den dritten Teil der Orestie eingekleidet hat, und das Fragezeichen ist überflüssig.
Überflüssig allerdings auch der grelle Spaßgesellschaftston, der sich hier breitmacht. Auf der einen Seite die gewaltbereiten Außenseiter, chancenlos im Spiel um die Deutungsmacht, auf der anderen die Götter als sonnenbebrillte Popschönlinge mit strähnigem Blondhaar, dazwischen im Pepitakostüm die Moderatorin - gut, auch im wahren Leben liegen Medienherrschaft, Geschmacklosigkeit und prollige Gewaltlust näher beieinander, als einem lieb sein kann. Aber so aufs Theater gebracht, ist das nicht mehr als ein wohlfeiler Kurzschluss, plakativ und unscharf. Immerhin - das ist nur das kürzeste Stück eines fünfeinhalbstündigen Abends, der genug Spannung aus der Beiläufigkeit gewinnt und genügend Bilder mit Strahlkraft, um die Lust am Denken wach zu halten.