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Organic Food Chain Management

22 Studenten aus dem In- und Ausland haben jetzt an der Universität Hohenheim bei Stuttgart den Studiengang "organic food chain management" - also dem Management der ökologischen Nahrungskette begonnen. Der Studiengang ist nagelneu, englischsprachig - und er ist europaweit einmalig. Es geht darum, den Studenten zu vermitteln, wie ökologische Lebensmittel produziert, verarbeitet und vermarktet werden können.

Von Ulrike Mix |
    Begsad Dschámalov kommt aus Usbekistan. Er ist einer der 22 Studenten, die gestern mit dem Studiengang "Organic Food Chain Management" Neuland betreten haben. Warum sich Begsad Dschámalov dafür interessiert? Ganz einfach:

    " Das ist ein ziemlich neues Arbeitsgebiet in meinem Land. Wir haben viele Probleme mit Überdünung und mit der Qualität unserer Nahrung. Ich habe ein Kind. Ich würde gerne ökologische Nahrungsmittel kaufen, denn wenn man bei uns einkauft, kann man sich nicht sicher sein, was man auf dem Teller hat. In unserem Essen sind viele Rückstände von Düngemitteln – Kinder haben bei uns deshalb manchmal Magenprobleme. "

    Begsad Dschálamov will das ändern. Er will etwas in Gang bringen. Dabei soll ihm der 4-semestrige Master-Studiengang helfen.

    " Zunächst muss ich mal Landwirt sein, denn bei uns baut niemand ökologische Lebensmittel an. Dann muss ich Geschäftsmann sein. Ich muss meine Produkte vermarkten. Ich muss Werbung machen und den Leuten erklären, was das für Essen ist. "

    Seine Mitstudenten sehen das ähnlich. Sie kommen aus Deutschland, Pakistan, Nepal, Indonesien, Taiwan, Eritrea und der Türkei. Sie alle haben bereits einen Abschluss in Agrarwissenschaften, Wirtschaft oder Ernährungswissenschaften.

    Jetzt wollen sie sich spezialisieren. Manche interessieren sich vor allem für Marktforschung: Wer sind überhaupt die Kunden für biologisch erzeugte Lebensmittel? Mit welcher Art von Werbung kann ich versuchen, neue Kunden zu finden? Andere wollen mehr über ökologische Tierhaltung wissen.
    Emran Dschafir aus Pakistan glaubt, dass sich in seinem Land in den nächsten Jahren ein Markt für Öko-Lebensmittel entwickeln wird.

    " Wenn wir es schaffen, den Leuten bewusst zu machen, wie gesund ökologische Lebensmittel sind, dann werden sie sie sicher auch kaufen. Denn früher haben wir in Pakistan keine Düngemittel benutzt und die Leute waren gesünder als sie es heute sind. "

    Die Studenten, die aus Entwicklungsländern kommen, interessieren sich neben der Gesundheit noch für einen anderen Aspekt: Sie wollen lernen, wie arme Bauern gute Erträge erwirtschaften können, ohne teure Pestizide, Herbizide und Düngemittel. Die können sich die meisten sowieso nicht leisten. Sie führen höchstens in ein Abhängigkeitsverhältnis von ausländischen Lieferanten. Das Interesse am ökologischen Anbau ist hier also keine Frage der Ethik. Es wird aus einer Notwendigkeit geboren.

    Dr. Sabine Zikeli koordiniert den neuen Studiengang. Sie will den Studenten zeigen, dass der Weg vom Acker ins Supermarktregal lang ist und voller Tücken. Ein Beispiel:

    " Der Düngemitteleinsatz im ökologischen Landbau ist ja eingeschränkt im Vergleich zum konventionellen – also man düngt ja mit Mist. Und das kann unter Umständen dazu führen, dass die Eiweißgehalte im Korn bei Weizen, anders sind, also etwas niedriger, sind als im konventionellen Landbau. Das wiederum hat Einfluss auf die Backqualität. "

    Wer gutes Bio-Brot backen will, der muss Weizen von verschiedenen Bio-Feldern mischen, um den richtigen Eiweißgehalt hinzubekommen.
    Genau solche Tipps könnten Heike Renner weiter helfen. Sie vergibt Biosiegel und würde den Molkereien und Bauernhöfen, die sie besucht gerne sagen, wie sie ihre Produkte noch verbessern können.
    " Ich habe Ökotrophologie studiert, das sind Haushalts- und Ernährungswissenschaften und ich habe jetzt auch schon viereinhalb Jahre gearbeitet in einer Ökokontrollstelle, nur habe ich da auch gemerkt, dass mir teilweise Wissen fehlt – Grundlagen was den Anbau angeht und auch andere Sachen, Marketing oder so habe ich nie gemacht und da hofe’ ich, dass ich hier einfach noch dazulerne. "

    Die Universität Hohenheim orientiert sich mit dem neuen Studiengang an der gestiegenen Nachfrage für biologisch erzeugte Produkte. Immerhin ist der Öko-Sektor im Lebensmittelbereich ein Sektor, der wächst. Weltweit und auch in Deutschland. Bei uns lag der Umsatz der Öko-Lebensmittel-Branche im Jahr 2000 noch bei 2 Milliarden Euro. 2004 waren 3,5 Milliarden.