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Organisiert von Gen auf

Genetik. – Nach wie vor ist die Biene das wichtigste Insekt für den Menschen: Sie liefert nicht nur einen leckeren Brotaufstrich, sondern sorgt bei der Bestäubung auch dafür, dass die Erträge in Feld und Obstgarten hoch bleiben. Heute eröffnet sich ein völlig neuer Blickwinkel auf die Honigbiene. Die Zeitschrift "Nature" stellt das Genom der Biene vor, gleichzeitig erkunden Wissenschaftler aus aller Welt in einer Fülle von Artikeln in fünf Zeitschriften, was sich aus den DNA-Sequenzen so alles ablesen lässt.

Von Volkart Wildermuth |
    Wer bei Bienengesumm nur an Honig denkt oder an die Gefahr eines Stiches, der unterschätzt Apis mellifera, die Honigbiene. Schließlich handelt es sich um ein außergewöhnliches Insekt. Bienen leben in einem komplizierten Staatswesen, meistern auch komplexe Lernaufgaben, navigieren mit einer Karte im Kopf und informieren die Schwestern mit dem Schwänzeltanz über reiche Nektarvorkommen. Gerade in Deutschland haben sich schon immer viele Forscher für die Biene begeistert, so auch Martin Beye, Professor für Evolutionäre Genetik an der Universität Düsseldorf.

    "Sie zeigt soziale Organisation, zeigt komplexe Verhaltensweisen, oder sie hat auch verschiedene Kasten, das heißt, aus demselben Ei kann sich sowohl eine Arbeiterin und eine Königin entwickeln und es ist natürlich interessant die genetischen Ursachen zu verstehen und dafür brauchen wir ein Genom."

    Das liegt nun vor. Die harten Zahlen lauten: 236 Millionen genetischer Buchstaben, in denen sich gut zehntausend Gene identifizieren lassen. Hier liegen die Ursachen für den sozialen Lebenswandel der Bienen verborgen. Ihnen wollen Martin Beye und seine Kollegen über einen Vergleich von Bienen-DNA und dem schon bekannten Fruchtfliegen- und Mückengenom auf die Spur kommen. Einige interessante Unterschiede konnten sie in den Sequenzen schon entdecken. Beye:

    "Ja aber nur vereinzelt und das ist überraschend. Es scheint so zu sein, dass wir mit demselben Bausatz ganz unterschiedliche Organisationsformen tatsächlich bilden können und es gibt solche Gene die tatsächlich eine deutliche Anpassung an die soziale Lebensform zeigen. Das ist zum Beispiel das royal jelly Protein, also ein Protein, was dafür da ist für die Futterversorgung von Larven."

    Eine Bienenkönigin wird nicht gekrönt, sie wird herangefüttert. Nur Larven, die das Gelee Royal bekommen, können sich über den Rang der normalen Arbeiterin heraus erheben. Das königliche Gelee lenkt ihre ganze Entwicklung in eine andere Richtung. Im Lauf der Evolution der Bienen wurden immer mehr Gene an der Feinabstimmung dieser Entscheidung, Arbeiterin oder Königin, beteiligt. Ein klarer Hinweis auf die Bedeutung der sozialen Organisation für diese Insekten. Die Arbeitsteilung im Stock ist ihr Schlüssel zum Erfolg, sie birgt aber auch Risiken. Von den Tausenden Bienen im Stock pflanzt sich nur die Königin fort. Wenn eine Art aber nur so selten Sex hat, besteht die Gefahr, dass sie genetisch zu einheitlich wird, um sich an neue Umweltbedingungen anzupassen. Die Lösung der Bienen für dieses Problem lässt sich an ihrem Genom ablesen. Vor jeder der seltenen Paarungen durchmischen die Bienen ihre Erbanlagen zehn Mal gründlicher als anderer Tiere und erzeugen so die fehlenden Variationen. Beye:

    "Wenn ich sozial bin, habe ich nur eine Königin, die sich reproduziert. Wir brauchen also um alle genetischen Variationen tatsächlich in einer Population zu finden, eine ständige Durchmischung und das wäre also eine Erklärung dafür."

    Im Genom der Bienen finden sich nicht nur Spuren ihrer sozialen Lebensweise. Die DNA ist auch von den Herausforderungen der Nahrungssuche geprägt, meint Dorothea Eisenhardt:

    "Also ein besonders großer Unterschied zum Beispiel zur Fruchtfliege ist, das die Biene sehr, sehr viel mehr Gene hat, die für Duftrezeptoren kodieren. Und es wird angenommen, dass das daran liegt, dass die Biene ja eine Nektar- und Blütenstaubsammlerin ist und deshalb den Duft von sehr, sehr vielen Blüten sich merken können muss."

    Bienen sind die Gedächtniskünstler unter den Insekten. Den molekularen Details der Lernvorgänge geht Dorothea Eisenhardt am Institut für Neurobiologie der Freien Universität Berlin nach. Das Bienengenom liefert dafür wichtige Hinweise. Eisenhardt:

    "Des weiteren bietet es dann in der Folge dieser Untersuchung die Möglichkeit, dass wir mit Hilfe der Geninformation auch eingreifen können in die Funktion von Genen und so bestimmen können, welche Gene eine Rolle spielen bei diesen interessanten Phänomenen, wie dem Tanzen der Bienen im Stock."

    Das Bienengenom gibt der Erforschung des Bienentanzes, des Insektengedächtnisses und der Sozialstruktur zwischen den Waben neuen Auftrieb. Wahrscheinlich werden in Zukunft noch mehr Bienenstöcke an wissenschaftlichen Instituten stehen. Für die Forschung - und für den Honig natürlich.