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Organisiertes Verbrechen
Prozess gegen "Mafia Capitale" beginnt in Rom

Einschüchterung, Verschwiegenheit und Schmiergelder sind die drei Erfolgsfaktoren von "Mafia Capitale", um öffentliche Aufträge an Land zu ziehen. Nun wird dem organisierten Verbrechen in Rom der Prozess gemacht. Es gibt 46 Angeklagte, 136 Verhandlungstage sind angesetzt. Aus Sicherheitsgründen findet ein Großteil des Prozesses in einem anschlagsicheren Bunker am Rande Roms statt.

Von Jan-Christoph Kitzler | 05.11.2015
    Demonstranten schwenken vor einem klassischen Gebäude in Rom eine Flagge
    Demonstranten unterstützen den Bürgermeister von Rom in seinem Kampf gegen "Mafia Capitale". Heute beginnt der Prozess gegen das organisierte Verbrechen. (imago/ZUMA Press)
    Alfonso Sabella war in den letzten Monaten ein hohes Mitglied der Stadtregierung von Rom, er hatte den schönen Titel "Assessor für Legalität." Aber was er in seiner bisherigen Amtszeit erleben musste war alles andere als ein Vergnügen:
    "Rom ist eine tief korrupte Stadt. Das ist die Stadt, wie ich sie in den letzten Monaten auch im Rathaus erlebt habe. Ich habe einen Verwaltungsapparat vorgefunden, der völlig außer Kontrolle ist. Freie Bahn für das Verbrechen, überall – und das seit Jahren!"
    Nicht, dass man das nicht schon längst geahnt hätte – immer wieder hatte es kleinere und größere Skandale gegeben. Aber der Skandal, den sie "Mafia Capitale" genannt haben, er sprengt alle Vorstellungskraft.
    So ist es fast ein Wunder, dass keine elf Monate nach den ersten Festnahmen schon jetzt der Prozess beginnt. Als Maxiprocesso wird er bezeichnet – wegen der 46 Angeklagten und wegen der 136 Verhandlungstage, die erst mal angesetzt sind. Bis zum Sommer 2016 wollen sich die Richter ein Urteil gebildet haben. Viele halten das angesichts der Fülle an Beweismaterial für sportlich.
    Denn Mafia Capitale war eine gigantische Geldmaschine. Die Ermittler haben zum Beispiel den Unternehmer Salvatore Buzzi abgehört, einen der Drahtzieher. Er rechtfertigte sich für 5.000 Euro, die er einem städtischen Beamten an Bestechungsgeldern überwiesen hat. Monatlich versteht sich:
    "5.000 Euro? Das kommt alles wieder rein. Im letzten Jahr haben wir 40 Millionen Umsatz gemacht. All das Geld haben wir mit den Zigeunerlagern und mit dem Notstand bei der Unterbringung von Migranten gemacht. "
    Öffentliche Aufträge mit Bestechung erkauft
    Mafia Capitale hat in großem Stil öffentliche Aufträge an Land gezogen. Unterbringung von Migranten, Müllentsorgung, Straßen ausbessern - ein lukratives Geschäft – auch für die, die in großem Stil Bestechungsgelder kassiert haben. Die Mafia-Organisation war bestens vernetzt in Politik und Verwaltung. Bis in höchste Stellen. Noch einmal Alfonso Sabella, der Assessore:
    "Zu Mafia Capitale ist es durch die Fusion zweier Organisationen gekommen. Eine ist die 'Gruppe Buzzi', also Korruption. Die andere ist die 'Gruppe Carminati', die gegen den Rechtsstaat geht mit Einschüchterung und Verschwiegenheit. In dem Moment, in dem diese Gruppen unter dem Bürgermeister Alemanno entstehen, haben wir als Ergebnis Mafia Capitale."
    Die Verbrecherorganisation hatte offenbar vor allem unter dem Rechtspopulisten Gianni Alemanno leichtes Spiel. Aber auch dessen Nachfolger ist inzwischen zurückgetreten – ein Commissario, also ein Zwangsverwalter, hat die Stadtregierung übernommen. Kurz vor Beginn des sogenannten Heiligen Jahres, das Menschenmassen nach Rom bringen soll, ist Italiens Hauptstadt im Chaos versunken. So sieht es auch Franco Gabrielli, der als Chef des italienischen Zivilschutzes große Erfahrung hat mit Krisen:
    "Das ist eine Stadt, die schwer krank ist. In den letzten zwei Monaten haben wir gesehen, dass es immer noch sehr, sehr viel zu tun gibt. "
    Prozess ist Mammutaufgabe
    Zunächst einmal aber ist auch der Prozess eine Mammutaufgabe. Die Hauptangeklagten werden aus Sicherheitsgründen nur per Video zugeschaltet. Nach ein paar Verhandlungstagen wird das Gericht in einem anschlagsicheren Bunker tagen. Daran, dass hier eine Mafiaorganisation auf der Anklagebank sitzt, lassen die Staatsanwälte keinen Zweifel. Auch wenn es keine Verbindungen zur süditalienischen Mafia gibt, die Methoden sind ähnlich und haben offenbar auch in der Hauptstadt bestens funktioniert. Mafia Capitale eben.