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Organismen als Festplatte

Biologie.- Bio-Ingenieure der Stanford-Universität in Kalifornien haben Bakterien zu digitalen Datenträgern gemacht. Dazu haben sie biologische Zellen so umkonstruiert, dass sie Daten speichern und wieder löschen können.

Von Michael Lange |
    Die Escherichia-Coli-Bakterien, die in der Abteilung für Biotechnologie der Stanford-Universität wachsen, sind lebendige Datenträger. Und sie besitzen nicht nur biologische Information, wie jedes Lebewesen, sondern digitale Information, wie ein Computer. Das Team um Jerome Bonnet hat dazu einen genetischen Schalter konstruiert, der in zwei Richtungen zeigen kann.
    "Wenn der Schalter in die eine Richtung weist, lautet die Information: "Null". Wenn Sie den Schalter umdrehen, wird daraus eine "Eins". Ein bestimmtes Enzym schaltet die Information auf "Eins", ein anderes Enzym schaltet zurück auf "Null"."

    Die Stanford-Forscher mussten zunächst die richtigen Enzyme finden, die den Schalter aus dem Erbmolekül der Bakterien herausschneiden und ihn dann umgedreht wieder ins Erbmaterial einbauen können. Sie fanden die notwendigen Enzyme in Bacterio-Phagen. Das sind Viren, die Bakterien befallen.

    Nun arbeitet dieser Schalter im Erbmaterial der Bakterien wie ein Computer. Informationen lassen sich speichern, löschen oder überschreiben. Das Ergebnis können die Forscher von außen sehen. Denn die Orientierung des Schalters bestimmt, ob ein Gen links vom Schalter aktiv wird, oder ein Gen rechts vom Schalter. Wie die Information sichtbar wird, erklärt der Doktorand Ton Subsoontorn.

    "Die Gene, die uns mitteilen, welche Information vorliegt, nennen wir Reporter-Gene. Sie bringen die Bakterien zum Leuchten. Je nach Richtung des Schalters leuchten sie in verschiedenen Farben: Entweder grün oder rot."

    Weist der Schalter nach links, trägt er die Information Null. Das Gen links vom Schalter wird angeschaltet und lässt die Zelle grün leuchten. Weist der Schalter nach rechts, schaltet er das Gen auf der rechten Seite ein. Dieses Gen lässt die Zelle rot leuchten. Links heißt grün, rechts heißt rot. Eigentlich ganz einfach. Dennoch brauchten die jungen Wissenschaftler 750 Versuche und drei Jahre bis ihr biologischer Datenspeicher funktionierte. Die Abstimmung der Enzyme erwies sich als äußerst kompliziert. Aber noch sind die Bakterien keine lebenden Festplatten. Denn sie speichern in ihrem Erbmolekül nur eine einzige Information: ein Bit. Aber Jerome Bonnet plant bereits eine Speichererweiterung.

    "Wir verwenden einfach noch mehr verschiedene Enzyme, die wir irgendwo aus der Natur entnehmen. Wichtig ist, dass die Enzyme unterschiedliche DNA-Sequenzen erkennen. Wir erzeugen also umso mehr Bits, je mehr Enzyme wir verwenden."

    Über die Anwendung ihrer lebenden Datenträger machen sich die Stanford-Forscher noch keine Gedanken. Sie wollen neue Werkzeuge für die Biologie der Zukunft entwickeln. Was daraus wird, ist offen. Bücher oder Musiksammlungen wird man wohl vorerst nicht in Bakterien speichern können. Ton Subsoontorn setzt auf einfache Informationen, die etwas über die Zellen und ihre Entwicklung aussagen.

    "Man könnte sich eine Art Gedächtnis für biologische Zellen vorstellen. Die digitale Information in den Bakterien könnte angeben, wie oft sich eine Zelle schon geteilt hat. Um das zu zählen, bräuchte man etwa 50 bis 200 Bits."

    Interessant wäre ein solches zellinneres Zählwerk zum Beispiel in der Krebsforschung. Aber bevor es soweit ist, muss das Team aus Stanford zunächst einmal Bakterien mit zwei oder vier Bits Datenspeicher konstruieren; oder sogar acht, das wäre sage und schreibe ein ganzes Byte.