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'Orte des Impressionismus'

Claude Monets Bild vom Pont de l'Europe an der Gare Saint-Lazare ist das Signum dieser Ausstellung: die weißlich geballten Dampfschwaden einer Lokomotive beherrschen die Leinwand, das Ganze ein Eindruck von kräftig pumpender Krafterzeugung, die auch die Häuser im Hintergrund und sogar den fahlen Himmel vereinnahmt.

Ein Beitrag von Christian Gampert |
    Walter Benjamin nannte Paris die "Hauptstadt des 19.Jahrhunderts", Zentrum der Modernisierung und der überfallartigen Veränderung. Und nicht ganz zufällig war dieser Ort Ausgangspunkt der impressionistischen Bewegung, also jener Maler, die erstmals hinausgingen aus dem Atelier und vor Ort malten, die das zu erfassen suchten, was da in Bewegung geraten war - auf den Boulevards und Bahnhöfen und Pferderennbahnen, in den Theatern und Parks und Restaurants. Und die dann weitergingen aufs Land und an die normannische Küste, wo der aufkommende Tourismus ebenfalls manches umwälzte. Dass den Impressionismus viel mit der (damals im Frühstadium befindlichen) Fotografie verbindet, die ja auch das Flüchtige zu erhaschen sucht, dass man typische Sujets, typische Orte dieser Künstler in beiden Medien einmal konfrontieren, sich gegenseitig kommentieren lassen könnte - das ist eine wunderbare Idee. Und fast wundert man sich, dass sie vor dem Basler Kurator Hartwig Fischer noch niemand gehabt hat.

    Die in weniger lichtempfindlichen Abzügen neben die Ölbilder gehängten Fotos aus der Sammlung Peter Herzog dokumentieren beides: Geleise, Bahnhöfe, Gaswerke, Fabrikanlagen in ihrer heute fast anrührenden Einfachheit, aber auch belebte Boulevards mit unendlich vielen Passanten und Pferdefuhrwerken, Lieferanten an den Markthallen oder bürgerlich adrette Spaziergänger unter der Tour Eiffel während der Weltausstellung 1889.

    Auf diesen gestochen scharfen Bildern Massen von Menschen, es ist ungeheuer viel los, man kann in jedem Winkel der Fotos Neues sehen, seltsame Gesten, Begrüßungsgebärden, eine Facon, den Schirm zu halten - lauter zeitbedingte Moden, die es heute nicht mehr gibt. Und genau dieses Phänomen der Gleichzeitigkeit, auch der industriellen Beschleunigung, hat den Kurator Hartwig Fischer in der Zusammenschau von Foto und Ölbild interessiert.

    Die Basler Ausstellung bietet dazu herausragende Beispiele (meist aus der eigenen Sammlung): Pissaros Boulevards, Renoirs lichtflirrende Flirts auf der Schaukel im Park, italienisch anmutende Landschaftsszenen von Degas an der Pferderennbahn mit großbürgerlichen Statisten im Vordergrund. Von Cézanne und besonders Sisley gibt es feine Schilderungen der französischen Provinz, Monet zeigt uns leergefegte Strände an den Felsen von Fécamp, seltsamerweise ist auch van Gogh mit einem grünwuchernden Garten vertreten, bevor dann wiederum Monet mit seinem Steg über den Nymphenteich den Schlusspunkt setzt - ein fast abstraktes Bild, das nur noch von der Farbe erzählt.

    Argentueuil, Etretat, Trouville - Orte des Impressionismus. Sie sind heute vielfach verbaut, landschaftsumgestaltet, vom Tourismus gefressen. Wie auch Paris. Der Nebel, das Glitzern des Sonne auf dem Wasser, das Schillern der Blätter im Nachmittagslicht - alles vorbei. Die Orte, an denen die Impressionisten malten, gibt es nicht mehr.

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