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Orthodoxe Rabbinerin
Eine der Ersten

Dass eine Frau Rabbinerin wird, ist heutzutage nicht mehr unüblich – zumindest in nicht-orthodoxen Gemeinden. In orthodoxen Gemeinden jedoch war das bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar. In Israel und den USA aber gibt es inzwischen erste orthodoxe Rabbinerinnen. Eine von ihnen ist Lila Kagedan aus New York.

Von Monika Konigorski | 14.01.2016
    Ein orthodoxer Jude in den USA
    Die Rabbinerin Lila Kagedan hat es nicht in allen jüdischen Kreisen leicht. (dpa / picture alliance / Michael Reynolds)
    "Eine Rabbinerin oder ein Rabbiner – das ist für mich eine Person, die offen ist, für alle zugänglich und mitfühlend, eine Person, die sich einem lebenslangem Studium verpflichtet hat. Sie hat sich der jüdischen Gemeinschaft verschrieben und auch der Weltgemeinschaft, eigentlich der ganzen Menschheit. Und dem Ziel, die Welt für die ganze Menschheit zu einem besseren Ort zu machen."
    Ein großes Ziel, das die 34-jährige Lila Kagedan formuliert. Ein anderes hat sie schon erreicht, obwohl sie zwischenzeitlich selbst nicht mehr daran geglaubt hatte: Sie graduierte im Juni letzten Jahres von ihrer New Yorker Jeschiwa ihrem Rabbinerseminar als orthodoxe Rabbinerin.
    "Als ich acht Jahre alt war, fragte meine Großmutter mich, was ich denn werden wollte, wenn ich groß bin, und ich sagte: Ich möchte Rabbiner werden. Sie sagte, oh, das ist aber kein so guter Beruf für ein braves jüdisches Mädchen."
    Im nicht-orthodoxen Judentum in den USA werden schon seit den 1970er-Jahren Frauen ordiniert. Sie nennen sich "Rabbi", wie auch die Männer. Anders bisher bei den Orthodoxen. Zwar wurde bereits im Jahr 2009 eine Frau zur orthodoxen Rabbinerin ordiniert, doch sie verwendete eine neu geschaffene Berufsbezeichnung – "Maharat" – eine Abkürzung für hebräisch "Führungskraft für Jüdisches Recht, Spiritualität und Thora". Die 34-jährige Lila Kagedan ist die erste in den USA, die denselben Titel nutzt wie die Männer.
    "Meine Ausbildung war die gleiche, die auch ein Mann durchläuft, ich habe viele Jahre in Studium und Ausbildung verbracht. Deswegen wollte ich auch den Titel wählen, der am eindeutigsten ist, den die Leute verstehen. Ich möchte in einen Raum kommen können und meinen Namen sagen können – "Rabbinerin Lila Kagedan". Und ich möchte dass die Leute dann wissen, was das bedeutet, was meine Ausbildung ist. Vor allem, weil ich denke, dass ich so den Gemeinden am meisten von Nutzen sein kann."
    Ihr Schritt hat deutlichen Widerstand in der jüdischen Orthodoxie hervorgerufen. Das Rabbinical Council of America, der Hauptverband der orthodoxen Rabbiner in den USA, hat am 30. Oktober letzten Jahres eine Resolution verfasst. Den Mitgliedern des Verbandes wird es untersagt, Frauen zu Rabbinerinnen zu ordinieren. Auch dürfen keine Rabbinerinnen in der Gemeinde oder an jüdischen Hochschulen angestellt werden.
    Aus dem charedischen, dem ultra-orthodoxen Lager kommt ebenfalls scharfe Kritik: Es hieß, die Ausbildungsstätte von Lila Kagedan, Yeschivat Maharat und deren Gründer, Rabbi Avi Weiss, verstießen gegen grundlegende Prinzipien des jüdischen Glaubens. Lila Kagedan widerspricht diesen Vorwürfen mit großer Entschiedenheit.
    "Es gab keinen Hinweis darauf, dass es Frauen verboten sei, Rabbinerin zu werden, in der ganzen Literatur nicht, in keinem Text. Im Jüdischen Recht gibt es diese Auffassungen: Es gibt Dinge, die verboten sind, und es gibt Dinge, die erlaubt sind. Und einer meiner großartigsten Lehrer, Rabbiner Daniel Sperber in Israel, einer der Rabbiner, die mich ordiniert haben, sagte: Es ist verboten, das zu verbieten, was erlaubt ist. Mit anderen Worten: Baut keine willkürlichen Hindernisse auf, um die Menschen daran zu hindern, am jüdischen Leben und an der jüdischen Praxis teilzuhaben."
    Schon vor zehn Jahren, als sie ihr Grundstudium an der Universität beendet hatte, hätte sie gerne die orthodoxe Rabbinerschule besucht. Aber die war ausschließlich Männern vorbehalten. Lila Kagedan stellte sich daher selbst eine Art Rabbinerausbildung zusammen – studierte jüdische Ethik und jüdisches Recht, nahm privaten Unterricht bei Rabbinern und Lehrerinnen, unterrichtete und engagierte sich ehrenamtlich. Danach ein zusätzliches Studium – in Pädagogik. Aber es gab weiterhin keine Möglichkeit für sie, Rabbinerin zu werden.
    Schließlich spezialisierte sie sich auf Medizinethik. Nebenbei bereitete sie sich auf eine Privatordination als Rabbinerin vor – eine Ordination nicht durch ein Rabbinerseminar, sondern durch einen einzelnen Rabbiner, die offiziell aber kaum Anerkennung finden würde.
    "Ich entschied dann, dass ich mir selbst ein Tätigkeitsfeld zusammenbastele, das dem Berufsbild des Rabbiners ähnelt. Ich würde unterrichten, ich würde als ethische Beraterin arbeiten, und ich war eigentlich ganz zufrieden damit."
    Bis sie auf einer Konferenz die Leiterin der Yeschivat Maharat traf, die sie überzeugte, sich für den Ausbildungskurs zur Rabbinerin einzuschreiben.
    "Frauen anzustellen ist in orthodoxen Synagogen noch nicht unbedingt populär. Es ist jetzt nicht so, dass die Synagogen mich anrufen und mein Telefon gar nicht mehr aufhören würde zu klingeln, weil alle sagen: Bitte, bitte, komm zu uns."
    Rabbi Lila Kagedan bleibt aber optimistisch, was die Zukunft von Rabbinerinnen in der Orthodoxie angeht:
    "Jetzt ist das alles noch sehr neu und ungewöhnlich, aber ich glaube fest daran, dass es mit der Zeit viel selbstverständlicher wird, eine Rabbinerin einzustellen."