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Osmanisches Erbe

Das Kosovo mit seinen 1,7 Millionen Einwohnern bekommt zunehmend wirtschaftliche Unterstützung aus der Türkei: Immer mehr türkische Unternehmen siedeln sich hier an, für sie ist der Kosovo das Eingangstor zum europäischen Markt. Die Voraussetzungen für Investoren sind zumindest im Süden des Landes optimal. Denn hier lebt eine türkischsprachige Minderheit, Nachfahren der sogenannten Balkantürken, die sich seit dem 14. Jahrhundert im europäischen Teil des Osmanischen Reiches angesiedelt haben. Neben Serbisch und Albanisch ist in einigen Regionen des Kosovo auch Türkisch als Amts- und damit Handelssprache zugelassen.

Von Stephan Oszvàth | 19.09.2012
    Eine türkische Hochzeit in Prizren. In einem kleinen Patio sitzt die Braut: Mit vielen Goldmünzen behängt, vor ihr tanzen die Hochzeitsgäste. Unter ihnen ist auch Medita, sie ist die Cousine des Bräutigams. Sie ist in Deutschland geboren. Seit zwölf Jahren lebt sie wieder in Prizren. Sie arbeitet hier für die Bundeswehr. Ihre Familie ist türkisch-albanischer Herkunft. Und sie erklärt, wie eine türkische Hochzeit in Prizren abläuft: Zehn Tage feiern, Hunderte Gäste, viele Tausend Euro teuer.

    "Erst mal zu Hause gefeiert, 500 Leute, gestern ausgeruht, heute geht es weiter."

    Am Rande der Altstadt, an der alten türkischen Steinbrücke, ganz in der Nähe des türkischen Bades steht eine Infotafel für Touristen: Und die ist vielsprachig. Dafina Hodxa hat sie im Rahmen eines Tourismusprojekts erstellt. Finanziert hat es der Arbeiter-Samariter-Bund.

    "Das ist eine Infotafel. Die zeigt die Hauptmoscheen, Kirchen, das hier ist die Steinbrücke, das Hamam. Wir haben hier vier offizielle Sprachen: Albanisch, Serbokroatisch, Englisch und Türkisch. Überall, wo Türken leben, muss Türkisch auch Amtssprache sein."

    So schreibt es die kosovarische Verfassung vor. Im ganzen Kosovo leben vielleicht 25.000 Türken, die meisten in Prizren und Umgebung - etwa 10.000. Mamush, ein Dorf in der Nachbarschaft, wird mehrheitlich von Türken bewohnt. Ihre Sprache ist die Lingua franca hier. Es gibt türkisches Radio in Prizren, einen türkischen Fernsehsender. Und auch türkische Politiker. Levent Bush etwa, er ist Vorsitzender der Türkenpartei in Prizren:

    "Wir stellen momentan den stellvertretenden Bürgermeister, außerdem zwei türkische Stadträte. Wir regieren zusammen mit der PDK, der Regierungspartei von Hashim Thaci. Und wir haben so ungefähr 25 türkische Vereine, Frauengruppen, Jugendliche, türkische Gruppen, die verschiedene kulturelle Veranstaltungen organisieren."

    Informatik und Mathematik: An der Hochschule von Prizren wird der Stoff auf Türkisch gelehrt. Auch in der Emin-Duraku-Grundschule.

    Die Schüler begrüßen den Gast im Stehen, nur Mädchen in Schuluniform. Die Jungs werden getrennt unterrichtet. Matheunterricht. Eines der Mädchen dividiert - die Kreide kratzt über die Tafel. Von draußen ruft der Muezzin zum Freitagsgebet. Direktor Hamdi Hoxha ist ein ehemaliger UCK-Kämpfer, ein Schrank von einem Mann.

    "Prizren ist eine alte Stadt. Deshalb gibt es hier viele Türken. Hier an der Schule haben wir ungefähr 1400 Kinder - und die haben von der ersten bis zur neunten Klasse Unterricht auf Türkisch. Das ist hier Amtssprache."

    Und selbst die Albaner sprechen die Sprache der Minderheit. Etwa Dafina Hoxha. Für sie ist der Sprachenmix Alltag. Ihr Mann Valentin leitet die Regionalförderungsagentur Südkosovo. Auch er ist eigentlich Albaner, spricht aber selbstverständlich türkisch. Und das wird immer wichtiger, denn hier gibt es über 300 türkische Investoren. Für sie ist Kosovo das Eingangstor zum europäischen Markt, sagt er. Autoteile, Textilbranche, Medizintechnik, Lebensmittelindustrie - das interessiert türkische Investoren. Und die türkische Minderheit.

    "Die türkische Minderheit dient hier als Brücke, um mögliche kulturelle Barrieren abzubauen."