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Osnabrück und Münster
Studienfach Islamische Theologie wächst

Wie der islamische Religionsunterricht an Schulen künftig aussehen soll, wird in NRW derzeit überprüft - ähnlich wie in anderen Bundesländern. Davon unberührt ist der Andrang auf das Lehramtsstudium Islamische Theologie: An den Universitäten in Osnabrück und Münster gibt es mehr Bewerber als Plätze.

Von Heike Zafar | 19.11.2018
    Muslimische Frauen verfolgen am 30.10.2012 eine Feierstunde in der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Nordrhein-Westfalen) anlässlich der Eröffnung des Zentrums für Islamische Theologie.
    Am Zentrum für islamische Theologie an der Uni Münster - hier bei der feierlichen Eröffnung im Jahr 2012 - bewerben sich 1.500 Studienanfänger. Nur 220 können aufgenommen werden (dpa / picture alliance / Rolf Vennenbernd)
    Montag morgen, Vorlesung am Zentrum für islamische Theologie an der Uni Münster. Seit vielen Jahren werden hier, als einzigem Standort in NRW, angehende Islamlehrer ausgebildet. So wie Merve Killic. Sie ist im fünften Semester und froh, sich für dieses Fach entschieden zu haben.
    "Weil ich finde, dass jedes Kind Recht auf Religionsunterricht hat, jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, am Religionsunterricht teilzunehmen und weil ich denke, dass es auf jeden Fall die Integration fördert."
    Und so denkt auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. 2012 hat sie den islamischen Religionsunterricht als ordentliches Schulfach eingeführt, und so ist in Münster - wie in anderen Unistädten in Deutschland - der Studiengang für die staatliche Ausbildung islamischer Religionslehrer gegründet worden.
    Großes Interesse am Fach Islamische Theologie
    Der Bund wollte diese Lehrer und damit auch den Islamunterricht aus den Moscheen in die Schulen holen. In einer Moschee hat auch Merve als Jugendliche Koranunterricht gehabt - seit ihrem Studium hat sie einen völlig neuen Zugang zu ihrer Religion.
    "Das war auch so'n großer Schock am Anfang. Hier an der Uni ist es 100 Prozent wissenschaftlich, man muss alles belegen. Da gibt’s nicht, ja das hab ich von meinen Eltern gehört, sondern man muss alles belegen. Es zwingt mehr zu recherchieren und man ist viel vorsichtiger, wenn man sich über ein Thema äußert und guckt dann eher, bevor man sich eine Meinung bildet."
    Der Andrang auf das Fach islamische Theologie ist groß, in Münster sind es rund 1.500 Bewerber pro Jahr. Es können aber nur 220 Studienanfänger aufgenommen werden, und so wird es lange dauern, bis in NRW der Bedarf an Islamlehrern gedeckt ist, sagt Mouhanad Khorchide, Islamprofessor an der Uni Münster:
    "Wir haben jetzt die erste Kohorte, die demnächst in die Schule geht, die ist im Referendariat. Aber wenn man bedenkt, wir brauchen noch 2.000 Lehrer für den Islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen, das heißt, wir brauchen noch 15 bis 20 Jahre, bis wir flächendeckende Versorgung haben für den islamischen Religionsunterricht"
    Unstimmigkeiten mit Ditib sind in Münster beigelegt
    Das Zentrum für Islamische Theologie in Münster war mit vielen Stolpersteinen gestartet. Der erste Islamprofessor wurde wegen öffentlicher Abkehr vom Islam abgesetzt, auch sein Nachfolger Mouhanad Khorchide stand wegen seiner vermeintlich zu progressiven Haltung zum Islam im Visier der konservativen muslimischen Verbände. Inzwischen sind die Streitigkeiten beigelegt. Mit dem türkischen Verband Ditib gibt es sogar demonstrative Harmonie.
    Unisprecher Norbert Robers: "Am Anfang gab es Schwierigkeiten, die haben wir überwunden und arbeiten hervorragend zusammen, insofern hat sich das aus unserer Sicht zum Positiven verändert."
    Dabei hat die NRW-Landesregierung jegliche Zusammenarbeit mit Ditib in diesem Jahr auf Eis gelegt - unter anderem wegen zweifelhafter Kriegsspiele in Ditib-Moscheen und wegen des Ausspionierens von Türkeikritikern.
    Auch Uni Osnabrück arbeitet weiter mit Ditib zusammen
    Am Zentrum für Islamische Theologie in Münster dürfen Ditib-Funktionäre dagegen weiter über Inhalte und Lehrpersonen mitbestimmen - und wie handhaben andere das? Am Islam-Institut der Uni Osnabrück ist es genauso, sagt Mitarbeiter Cockun Saglam.
    "Der Beirat ist ja bereits 2012 eingeführt worden. Und da war es ausdrücklicher Wunsch, dass Ditib dabei war, und die sind heute auch mit drin - und wir haben bisher eine effektive Zusammenarbeit finden können."

    Auch in Osnabrück ist der Run auf den Studiengang groß, rund 450 Studierende sind für islamische Theologie eingeschrieben, es ist ein Fach, das boomt.
    Demnächst werden weitere Institute dazukommen, sagt der Münsteraner Professor Khorchide, er sieht das mit gemischten Gefühlen:
    "Ich find's gut, dass wir in Deutschland mehrere Zentren für Islamische Theologe haben. Was ich nicht gut finde ist, dass wir mittlerweile in meinen Augen zu viele Zentren haben, so dass wir uns alle fragen: Woher sollen die wirklich gut qualifizierten Kräfte kommen? Nicht nur in Deutschland, sondern auch im deutschsprachigen Raum. Auch in Österreich und in der Schweiz ist das die Frage: Woher sollen die Lehrkräfte kommen?"
    Ziel: Diskurs um den Islam versachlichen
    Und trotz dieses Mangels will Münster das Zentrum für islamische Theologie jetzt noch weiter ausbauen, zu einer eigenständigen islamischen Fakultät, der ersten und einzigen in Europa, sagt Professor Mouhanad Khorchide:
    "Dann sind wir in Westeuropa die größte und erste Fakultät für islamische Theologie. Das sind erfreuliche Entwicklungen, dass hoffentlich dadurch die Aufklärung auch innerislamisch vorangetrieben wird auch auf sachlicher Ebene."
    Und das ist seine Zukunftsvision: "Dass wir nicht nur über Kopftücher, Moscheebauten und so reden, sondern über islamische Theologie, also das Gottesbild , das Menschenbild im Islam. Dass wir dafür sorgen, dass der ganze Diskurs um den Islam sich versachlicht."