"Es ist schon so, dass ich mich darüber freuen kann, ich weiß nicht, also ich hab zum Glück die DDR nicht miterlebt und ich kann von Glück sagen, dass ich im vereinten Deutschland lebe."
Der Dresdner Lukas Brethfeld ist gerade 20 geworden. Er gehört zur Generation Einheit, geboren 1990 in Dresden. Die Freude über die deutsche Einheit teilt der Abiturient mit vielen seiner Altersgenossen. Einer neuen Leipziger Studie zufolge freuen sich rund 64 Prozent aller jungen Ostdeutschen unter 24 Jahren über die deutsche Wiedervereinigung. In der Elterngeneration zwischen Mitte 40 und Mitte 50 ist es gerade mal jeder Zweite, der darüber glücklich ist. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die Prof. Elmar Brähler, Leiter der Medizinischen Psychologie und Soziologie an der Universität Leipzig, durchgeführt hat:
"Die Mehrheit freut sich über die Einheit und vor allem auch die Jungen im Osten freuen sich über die Einheit. Und manchmal denkt man, die Westdeutschen freuen sich noch mehr über die Einheit. Aber die glauben, dass die friedliche Revolution den Ostdeutschen das Glück gebracht hat. Ein bisschen skeptischer sind die Ostdeutschen dennoch."
Wie ticken die Ostdeutschen 20 Jahre nach der Einheit? Und was blieb übrig von der DDR-Identität? Wie bewerten die in der DDR Geborenen ihre einstige Welt einschließlich ihrer biografischen Aspekte? Das sind einige der Kernfragen, die die neue Studie klären wollte. Befragt wurden 2512 west- und ostdeutsche Männer und Frauen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund.
War es höchste Zeit, das SED-Regime zu beseitigen? Nur knapp jeder zweite Ost-Rentner über 75 stimmt dieser Fragestellung zu. Bei den jungen Erwachsenen liegt dieser Wert weit höher. Rund 60 Prozent meinen, dass es höchste Eisenbahn war, das alte SED-Regime abzulösen. Ihre jugendlichen Alterskollegen im Westen stimmen sogar mit 78 Prozent dieser Aussage zu. Fragt man zufällig ausgewählte Jugendliche der 9. oder 10. Klasse in Sachsen nach ihren Kenntnissen über die DDR, sind Antworten wie diese aus Radeburg bei Dresden keine Seltenheit:
"Denen ging es doch gut, im Gegensatz zu meinen Großeltern oder so in der Nachkriegszeit, wenn man das dann vergleicht: Denn alle hatten einen Arbeitsplatz, es gab alles meist günstig, Grundnahrungsmittel und so, und man hatte ein Dach über dem Kopf.
Also ich hätte sie gerne noch miterlebt, muss ich ehrlich zugeben, gerade so, was meine Großeltern so erzählen, dass die auf dem Dorf eigentlich schon Frieden hatten, also von der Stasi haben die nicht so viel mitbekommen. Sie waren glücklich mit dem, was sie hatten, die hatten alles, was sie brauchten."
Die Schülerinnen und Schüler, die nach der Wende geboren wurden, diskutieren weniger über die Frage, was die Deutschen trennt, verglichen mit der älteren Generation. Vielfach ist es auch gar kein Thema für sie, ob sie im Osten oder im Westen Deutschlands geboren wurden. Mit einer Ausnahme. Auf die Frage, ob Westdeutsche Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse behandeln, sind die Ergebnisse eindeutig:
Gerade die jüngste Gruppe der Befragten, die Gruppe unter 25 Jahren stimmt dieser Aussage zu. Nach Ansicht des emeritierten Professors Wolf Wagner, der zuletzt in Erfurt lehrte, ist dies allein mit dem Kulturschock zu erklären, den die DDR-Bevölkerung nach dem Mauerfall durchlebte:
"Der Verlauf direkt nach der Wende 1989/90 war auffällig ähnlich, also zuerst diese Euphorie und dann die zunehmende Entfremdung und nun ist eben die Frage, wie geht das weiter?"
Durch den Umbruch wurden in der DDR gesellschaftliche Gruppen, Familien- und Freundschaftsverbände von jetzt auf gleich einer völlig fremden Alltagskultur ausgesetzt. Wer nicht untergehen wollte, der musste sich anpassen. Viele Begleitumstände dieser Transformation wurden von Ostdeutschen als ungerecht empfunden. Bis heute gilt für viele das unterschiedliche Lohnniveau bei gleicher Arbeit als größtes Ärgernis. Zu Recht, sagt der Wissenschaftler Wagner:
"Der Prozess, wie die Vereinigung gelaufen ist, ist in vielen Teilen als traumatische Erfahrung da, die auch heute noch anhält, wenn etwa jetzt dieses Frühjahr die Mindestlöhne im Pflegebereich in den Nachrichten dann kommt, dass in den neuen Bundesländern der Betrag um etwa einen Euro niedriger liegt wie in Westdeutschland. Dann wird das als eine willkürliche Diskriminierung, als Gruppe zweiter Klasse gesehen, denn die Lebenshaltungskosten sind in Ostfriesland oder im Saarland nicht viel anders als in den neuen Bundesländern."
Erwartungen, dass sich dieses Gefühl bei der jüngeren Generation auswächst, da sie die DDR gar nicht mehr oder nur als kleines Kind erlebt hat, erfüllten sich nicht. Stattdessen ist das Gefühl der Diskriminierung bei den jungen Ostdeutschen besonders hoch.
Der jährlich durchgeführte Thüringen-Monitor verzeichnet in den Jahren von 2002 bis 2008 einen kontinuierlichen Anstieg der jugendlichen Meinung, wonach Westdeutsche Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse behandeln.
Inzwischen glauben 76 Prozent der befragten Jugendlichen, dass das so ist. Und fühlen sich diskriminiert und der emeritierte Professor aus Erfurt, der eine Westbiografie hat, gibt ihnen recht:
"Also, diese willkürliche Unterscheidung zwischen Ost und West bei der Festlegung von Einkommen, von Mindestleistungen, die müssen ein Ende haben. Je länger sie sich wiederholen, werden sie als eine Art Rassismus wahrgenommen!"
Für Professor Elmar Brähler ist dieser Befund aber auch ein weiteres wichtiges Indiz dafür, dass Ost- und Westdeutsche auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch unterschiedlich ticken:
"Ja, die Ostdeutschen sind neidischer, als die Westdeutschen. Und im Osten ist das Ungerechtigkeitsempfinden höher, man glaubt, ungerecht behandelt zu werden."
Auch bei diesem Thema spiele das unterschiedliche Lohngefüge erneut eine große Rolle für das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen, wie Brähler betont:
"Das Gefühl, nicht für die Leistung belohnt zu werden, und die einen haben viel Geld und die anderen wenig Geld. Auch Einstellungen: Die Westdeutschen sind eher der Meinung, dass unterschiedliche Belohnungssysteme Leistungen stimulieren, während die Ostdeutschen eher den Gerechtigkeitsgedanken in den Vordergrund stellen. Dass es fair zugehen soll. Und dass doch möglichst alle etwas bekommen."
Doch fast ebenso schwer wiegt für viele ehemalige DDR-Bürger der von Westdeutschen geprägte Begriff des SED-Unrechtstaates. Nur 40,8 Prozent der Ostdeutschen gesamt können sich der neuesten Leipziger Studie zufolge der Beurteilung, "die DDR war ein Unrechtsstaat" anschließen. In der Generation der über 75-Jährigen ist es nicht mal jeder Dritte. Ein Ergebnis, das den Forscher Prof. Elmar Brähler nicht erstaunt:
"Die Ostdeutschen freuen sich auch über die Einheit, doch sie sind nicht so rigoros in der Verdammung der DDR-Zeiten. Und die verdammen die DDR-Zeiten deswegen nicht so harsch, wie die Westdeutschen, weil sie bei der Verdammung immer ihre eigene Person mit beteiligt fühlen. Sie wollen zwar das System nicht mehr zurückhaben, aber ihre Lebensleistung nicht schmälern lassen."
Und noch ein interessantes Ergebnis der Studie zum Schluss: Westdeutsche, die nach dem Mauerfall - meist beruflich bedingt - in den Osten zogen, können sich gut vorstellen, später in die alte Heimat zurückzukehren. Ganz anders das Bild bei den Ostdeutschen, die in den Westen zogen. Laut der jüngsten Befragung wollen nur zwei Prozent zurück, sieben Prozent sagen "wahrscheinlich".
Der Dresdner Lukas Brethfeld ist gerade 20 geworden. Er gehört zur Generation Einheit, geboren 1990 in Dresden. Die Freude über die deutsche Einheit teilt der Abiturient mit vielen seiner Altersgenossen. Einer neuen Leipziger Studie zufolge freuen sich rund 64 Prozent aller jungen Ostdeutschen unter 24 Jahren über die deutsche Wiedervereinigung. In der Elterngeneration zwischen Mitte 40 und Mitte 50 ist es gerade mal jeder Zweite, der darüber glücklich ist. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die Prof. Elmar Brähler, Leiter der Medizinischen Psychologie und Soziologie an der Universität Leipzig, durchgeführt hat:
"Die Mehrheit freut sich über die Einheit und vor allem auch die Jungen im Osten freuen sich über die Einheit. Und manchmal denkt man, die Westdeutschen freuen sich noch mehr über die Einheit. Aber die glauben, dass die friedliche Revolution den Ostdeutschen das Glück gebracht hat. Ein bisschen skeptischer sind die Ostdeutschen dennoch."
Wie ticken die Ostdeutschen 20 Jahre nach der Einheit? Und was blieb übrig von der DDR-Identität? Wie bewerten die in der DDR Geborenen ihre einstige Welt einschließlich ihrer biografischen Aspekte? Das sind einige der Kernfragen, die die neue Studie klären wollte. Befragt wurden 2512 west- und ostdeutsche Männer und Frauen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund.
War es höchste Zeit, das SED-Regime zu beseitigen? Nur knapp jeder zweite Ost-Rentner über 75 stimmt dieser Fragestellung zu. Bei den jungen Erwachsenen liegt dieser Wert weit höher. Rund 60 Prozent meinen, dass es höchste Eisenbahn war, das alte SED-Regime abzulösen. Ihre jugendlichen Alterskollegen im Westen stimmen sogar mit 78 Prozent dieser Aussage zu. Fragt man zufällig ausgewählte Jugendliche der 9. oder 10. Klasse in Sachsen nach ihren Kenntnissen über die DDR, sind Antworten wie diese aus Radeburg bei Dresden keine Seltenheit:
"Denen ging es doch gut, im Gegensatz zu meinen Großeltern oder so in der Nachkriegszeit, wenn man das dann vergleicht: Denn alle hatten einen Arbeitsplatz, es gab alles meist günstig, Grundnahrungsmittel und so, und man hatte ein Dach über dem Kopf.
Also ich hätte sie gerne noch miterlebt, muss ich ehrlich zugeben, gerade so, was meine Großeltern so erzählen, dass die auf dem Dorf eigentlich schon Frieden hatten, also von der Stasi haben die nicht so viel mitbekommen. Sie waren glücklich mit dem, was sie hatten, die hatten alles, was sie brauchten."
Die Schülerinnen und Schüler, die nach der Wende geboren wurden, diskutieren weniger über die Frage, was die Deutschen trennt, verglichen mit der älteren Generation. Vielfach ist es auch gar kein Thema für sie, ob sie im Osten oder im Westen Deutschlands geboren wurden. Mit einer Ausnahme. Auf die Frage, ob Westdeutsche Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse behandeln, sind die Ergebnisse eindeutig:
Gerade die jüngste Gruppe der Befragten, die Gruppe unter 25 Jahren stimmt dieser Aussage zu. Nach Ansicht des emeritierten Professors Wolf Wagner, der zuletzt in Erfurt lehrte, ist dies allein mit dem Kulturschock zu erklären, den die DDR-Bevölkerung nach dem Mauerfall durchlebte:
"Der Verlauf direkt nach der Wende 1989/90 war auffällig ähnlich, also zuerst diese Euphorie und dann die zunehmende Entfremdung und nun ist eben die Frage, wie geht das weiter?"
Durch den Umbruch wurden in der DDR gesellschaftliche Gruppen, Familien- und Freundschaftsverbände von jetzt auf gleich einer völlig fremden Alltagskultur ausgesetzt. Wer nicht untergehen wollte, der musste sich anpassen. Viele Begleitumstände dieser Transformation wurden von Ostdeutschen als ungerecht empfunden. Bis heute gilt für viele das unterschiedliche Lohnniveau bei gleicher Arbeit als größtes Ärgernis. Zu Recht, sagt der Wissenschaftler Wagner:
"Der Prozess, wie die Vereinigung gelaufen ist, ist in vielen Teilen als traumatische Erfahrung da, die auch heute noch anhält, wenn etwa jetzt dieses Frühjahr die Mindestlöhne im Pflegebereich in den Nachrichten dann kommt, dass in den neuen Bundesländern der Betrag um etwa einen Euro niedriger liegt wie in Westdeutschland. Dann wird das als eine willkürliche Diskriminierung, als Gruppe zweiter Klasse gesehen, denn die Lebenshaltungskosten sind in Ostfriesland oder im Saarland nicht viel anders als in den neuen Bundesländern."
Erwartungen, dass sich dieses Gefühl bei der jüngeren Generation auswächst, da sie die DDR gar nicht mehr oder nur als kleines Kind erlebt hat, erfüllten sich nicht. Stattdessen ist das Gefühl der Diskriminierung bei den jungen Ostdeutschen besonders hoch.
Der jährlich durchgeführte Thüringen-Monitor verzeichnet in den Jahren von 2002 bis 2008 einen kontinuierlichen Anstieg der jugendlichen Meinung, wonach Westdeutsche Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse behandeln.
Inzwischen glauben 76 Prozent der befragten Jugendlichen, dass das so ist. Und fühlen sich diskriminiert und der emeritierte Professor aus Erfurt, der eine Westbiografie hat, gibt ihnen recht:
"Also, diese willkürliche Unterscheidung zwischen Ost und West bei der Festlegung von Einkommen, von Mindestleistungen, die müssen ein Ende haben. Je länger sie sich wiederholen, werden sie als eine Art Rassismus wahrgenommen!"
Für Professor Elmar Brähler ist dieser Befund aber auch ein weiteres wichtiges Indiz dafür, dass Ost- und Westdeutsche auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch unterschiedlich ticken:
"Ja, die Ostdeutschen sind neidischer, als die Westdeutschen. Und im Osten ist das Ungerechtigkeitsempfinden höher, man glaubt, ungerecht behandelt zu werden."
Auch bei diesem Thema spiele das unterschiedliche Lohngefüge erneut eine große Rolle für das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen, wie Brähler betont:
"Das Gefühl, nicht für die Leistung belohnt zu werden, und die einen haben viel Geld und die anderen wenig Geld. Auch Einstellungen: Die Westdeutschen sind eher der Meinung, dass unterschiedliche Belohnungssysteme Leistungen stimulieren, während die Ostdeutschen eher den Gerechtigkeitsgedanken in den Vordergrund stellen. Dass es fair zugehen soll. Und dass doch möglichst alle etwas bekommen."
Doch fast ebenso schwer wiegt für viele ehemalige DDR-Bürger der von Westdeutschen geprägte Begriff des SED-Unrechtstaates. Nur 40,8 Prozent der Ostdeutschen gesamt können sich der neuesten Leipziger Studie zufolge der Beurteilung, "die DDR war ein Unrechtsstaat" anschließen. In der Generation der über 75-Jährigen ist es nicht mal jeder Dritte. Ein Ergebnis, das den Forscher Prof. Elmar Brähler nicht erstaunt:
"Die Ostdeutschen freuen sich auch über die Einheit, doch sie sind nicht so rigoros in der Verdammung der DDR-Zeiten. Und die verdammen die DDR-Zeiten deswegen nicht so harsch, wie die Westdeutschen, weil sie bei der Verdammung immer ihre eigene Person mit beteiligt fühlen. Sie wollen zwar das System nicht mehr zurückhaben, aber ihre Lebensleistung nicht schmälern lassen."
Und noch ein interessantes Ergebnis der Studie zum Schluss: Westdeutsche, die nach dem Mauerfall - meist beruflich bedingt - in den Osten zogen, können sich gut vorstellen, später in die alte Heimat zurückzukehren. Ganz anders das Bild bei den Ostdeutschen, die in den Westen zogen. Laut der jüngsten Befragung wollen nur zwei Prozent zurück, sieben Prozent sagen "wahrscheinlich".