Freitag, 17. Mai 2024

Archiv


Osteoporose: Schuld sind nicht allein die Wechseljahre

Etwas jeder zehnte Deutsche - überwiegend Frauen - bekommt die Krankheit am eigenen Leib zu spüren: Osteoporose, auch Knochenschwund genannt. Mit dem Altern der Bevölkerung ist das Leiden auf dem Vormarsch, allerdings kennen Mediziner immer noch nicht alle Details, vor allem kennen sie nicht alle Auslöser. Wissenschaftler der Universität Münster haben nun neue Erklärungen für die Entstehung der Volkskrankheit herausgefunden.

Von Nina Giaramita | 14.04.2009
    Es ist eine tückische Krankheit. Über Jahre hinweg entwickelt sie sich unbemerkt im Körper - dann, bei einem vermeintlich harmlosen Sturz, kommt es zum Knochenbruch. Osteoporose gilt vor allem als Frauenkrankheit: Ein Drittel erkrankt nach den Wechseljahren daran. Als Auslöser wurde bisher vor allem ein Hormonmangel ins Feld geführt. Denn sobald der Körper die Produktion des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen einstellt, erhöht sich das Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Ein österreichisch-deutsches Wissenschaftlerteam hat nun jedoch neben dem Östrogen einen bisher unbekannten Verursacher auf der Verdachtsliste: Ein Eiweiß, das unmittelbar zum Knochenabbau beitragen soll. Thomas Pap, Leiter des Instituts für Experimentelle Muskuloskeletale Medizin an der Universität Münster:

    "Wie oftmals in der Wissenschaft ist das natürlich Zufall gewesen. Die Wiener Kollegen, die haben eine Maus gehabt, der dieses Eiweiß fehlt, und haben halt gesehen, dass, wenn diese Maus älter wird, dass die auf einmal ganz dicke Knochen kriegt. Sie haben sich halt gewundert, weil sie gesehen haben, dass der Maus eigentlich nur dieses Oberflächenmolekül fehlt - warum hat die dann verdickte Knochen? Und so ist das Ganze dann in Gang gekommen."

    Ihre Entdeckung: Das fehlende Eiweiß hat die Tiere nachhaltig vor Osteoporose geschützt. Das Zusammenspiel dieses Moleküls mit einem weiteren Eiweiß sorgt nämlich offensichtlich dafür, dass vermehrt sogenannte Knochenfresszellen gebildet werden. Diese Zellen sind für den Knochenabbau bei Osteoporose maßgeblich verantwortlich - und können durch Östrogenmangel allein nicht entstehen. Das Hormon ist dennoch weiterhin an den komplexen Vorgängen beteiligt:

    "Östrogenmangel ist ja der wesentliche auslösende Faktor. Was wir jetzt zeigen, ist, dass der Östrogenmangel vor allem dafür sorgt, dass Vorläufer von diesen Knochenfresszellen heranreifen - dass aber der eigentliche Schritt von diesem Vorläufer zur eigentlichen Knochenfresszelle zum größten Teil ausgelöst wird durch dieses Eiweiß, was wir uns angeschaut haben."

    Die entdeckten Mechanismen ähneln denen, die bei Entzündungsvorgängen im Körper wirksam sind - eine Erkenntnis, die für das Wissenschaftlerteam einigermaßen überraschend kam. Und das, obwohl bei der Erforschung von Osteoporose schon seit geraumer Zeit neue Fährten aufgenommen worden sind.

    "Es gibt seit Langem ein ganzes Forschungsgebiet, das sich damit beschäftigt, wie das Immunsystem und der Knochen miteinander verbunden sind. Das ist eine Erkenntnis der letzten zehn Jahren: Dass eben nicht der Knochen und das Immunsystem getrennt voneinander existieren, sondern dass das Immunsystem zum Beispiel über Entzündungsfaktoren auf den Knochen wirkt. Insofern ist es eine Forschungsrichtung, der wir uns verstärkt in den letzten Jahren widmen. Die Beobachtung an sich, die kam schon einigermaßen überraschend - zu sehen, welchen dramatischen Einfluss dieses Oberflächenmolekül auf Knochenreifung letztendlich hat."

    Die Erkenntnisse bieten möglicherweise einen Ansatz für die Entwicklung neuer wirkungsvoller Therapieformen. Trotz dieser hoffnungsvollen Perspektive warnt Thomas Pap davor, von einer baldigen Heilungsmöglichkeit für Osteoporose-Kranke zu sprechen.

    "Im Moment beschreiben wir im Grunde - und das letztendlich an Mäusen - ein Prinzip. Ein neues Prinzip, das uns Einblicke gewährt, wie das Ganze funktioniert und natürlich den Horizont eröffnet für entsprechenden Therapien, aber von der Beschreibung dieses Prinzips bis zum Medikament in der Apotheke vergehen in der Regel zehn Jahre."

    Während sich also die Schulmedizin in kleinen Schritten an die Heilung der Volkskrankheit Osteoporose heran tastet, rät Thomas Pap dazu, dem krankhaften Knochenabbau bereits im Vorfeld die Stirn zu bieten - durch Vorbeugung.

    "Da kann man schon eine Menge erreichen zum Beispiel mit Bewegung und mit bewusster Ernährung. Das darf man nicht unterschätzen, das ist wirklich etwas, womit man wirklich viel erreichen kann!"