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Osterhasen ohne Bisphenol

Technik. - Die Internationale Süßwaren-Messe in Köln gilt als eine der wichtigsten des Faches. Kein Wunder, dass dort nicht nur neue Leckereien, sondern auch Gerätschaften zu ihrer Herstellung präsentiert werden. Dabei spielt die Gesundheit eine Hauptrolle, beispielsweise bei Gussformen für Schokolade.

Von Hellmuth Nordwig |
    Glonn, ein kleines Dorf bei München, ist ganz wichtig für alle Schokoladenfans. Denn hier, bei der Firma Brunner Schokoladenformen, entsteht, was später den Schoko-Nikoläusen, Osterhasen und Co. ihre Gestalt verleiht. Peter Heßner steht gerade vor einer der großen Kunststoffpressen.

    "Jetzt ist die Maschine geöffnet. Die fertige Form wird mittels eines Roboters entnommen und das Werkzeug wieder geschlossen. Nun erfolgt ein erneutes Einspritzen in das Werkzeug; die Kunststoffmasse wird verteilt und es entsteht später wieder die fertige Form."

    Die Schokoladenformen werden aus dem Kunststoff Polycarbonat hergestellt. Genau wie die Gläser und Fassungen von Brillen, die Visiere von Motorradhelmen, CDs, und auch Getränkeflaschen und Babyfläschchen. Polycarbonat ist durchsichtig, hart, ziemlich kratzfest, splittert nicht und lässt sich gut verarbeiten. Es hat aber einen großen Nachteil: einen Inhaltsstoff namens Bisphenol A. Gilbert Schönfelder, Professor für Toxikologie an der Universität Würzburg:

    "Bisphenol A ist eine Umweltchemikalie, die vor vielen Jahren gelistet wurde als so genannte hormonaktive Chemikalie. Das heißt, es handelt sich um eine Chemikalie, die in lebenden Organismen die Wirkung von Hormonen, speziell von weiblichen Hormonen, Östrogenen, nachahmen kann."

    Deshalb galt in Europa lange Zeit ein relativ strenger Grenzwert, der 2007 etwas gelockert wurde. Ob jedoch Menschen über Getränke und die Nahrung so viel Bisphenol A aufnehmen, dass Gesundheitsschäden auftreten, darüber streiten die Experten. Dr. Wolfgang Völkel vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat dazu Urinproben aus dem Raum München untersucht.

    "Auf Grund unserer Studie und einer sehr großen US-amerikanischen Studie, wo 2500 Probanden auf Gesamt-Bisphenol A untersucht werden, liegen wir ungefähr um einen Faktor 700 bis 1000 unter diesem tolerablen Aufnahmewert."

    Gilbert Schönfelder von der Universität Würzburg hat da andere Erkenntnisse.

    "Wir konnten zeigen, dass Bisphenol A, diese Umweltchemikalie mit östrogenartiger Wirkung, bei schwangeren Frauen aufgenommen wird, dass sie es an das Kind weitergeben und wir es beim Kind wie bei der Mutter wiederfinden."

    Deshalb gibt es schon seit längerer Zeit alternative Kunststoffe, die kein Bisphenol A enthalten. Chemisch gesehen eignen sich vor allem zwei Substanzgruppen als Ersatz für Polycarbonat: Polyamide - aus ihnen werden auch Brillengestelle gefertigt - und das milchig-trübe Polypropylen. Babyfläschchen aus diesen beiden Materialien sind als Bisphenol A-freie Alternativen im Handel. Für technische Anwendungen kann Polycarbonat manchmal durch Polyethersulfon ersetzt werden. Auf der Kölner Messe stellt nun die Firma Brunner erstmals Schokoladenformen vor, die nicht aus Polycarbonat bestehen. Peter Heßner:

    "Wir hatten zwei Kunden, bei denen wir Bisphenol A-freie Formen ausgeliefert haben und die relativ zu den bisherigen Polycarbonatformen getestet haben. Die Ergebnisse waren durchweg positiv. Das Bisphenol A-freie Material, das wir verwenden, haben wir so noch nicht irgendwo anders vorgefunden. Es scheint auch beim Materialhersteller ein ziemlich neues Produkt zu sein."

    Genau deshalb ist Wolfgang Völkel vom Bayerischen Landesamt skeptisch, was solche Alternativen angeht.

    ""Wir können natürlich den Stoff ersetzen, aber wir ersetzen ihn ja durch einen anderen Stoff. Und in aller Regel sind das dann neuere Stoffe, zu denen wir wesentlich weniger Daten haben. Ob man da wirklich auf der sichereren Seite ist, wenn man diesen Stoff, der meiner Meinung nach unproblematisch ist, durch einen Stoff ersetzt, den man noch nicht so kennt?"

    Hier gibt es also noch Arbeit für die Toxikologen. Denn Bisphenol A-freie Kunststoffe sind im Kommen. Es würde sich also lohnen, zu untersuchen, ob man hier nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreibt.