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Osterinsel
Aufforstungsversuche am Nabel der Welt

Die chilenische Osterinsel Rapa Nui leidet nicht nur an der starken Sonneneinstrahlung und den ausbleibenden Niederschlägen, sondern auch an den Folgen früherer Umweltsünden. Der Rodung von Bäumen folgte massive Erderosion - und die Aufforstung gestaltet sich schwierig.

Von Michael Marek | 12.12.2014
    Die Osterinsel: ein kleines Felsdreieck inmitten des Südpazifik. Rötlich-schwarz glimmt das vulkanische Gestein, frisches Gras überzieht das hügelige Eiland. Rapa Nui heißt die Insel in der Sprache ihrer Einwohner oder: Te Pito O Te Henua – Nabel der Welt. Durch ihre subtropische Lage hat die Osterinsel ein mildes Klima. Es gibt nur wenig Süßwasser, zwei Vulkanseen, kein einziges Bächlein fließt hier. In dem porösen Vulkanboden versickert schnell jeder Niederschlag. Fast baum- und strauchlos präsentiert sich das Eiland am Ende der Welt.
    Man habe den Aito-Baum hier auf der Osterinsel angepflanzt, erzählt Jorge Alejandro Edmunds. Der 34-jährige Wissenschaftler arbeitet für die chilenische Forstbehörde CONAF. Gemeinsam mit seinen Kollegen untersucht er, warum auf der Osterinsel nichts anwächst - und ob es vielleicht Baumarten gibt, die zur Wiederaufforstung geeignet sind. Die starken Winde trügen alles an Mineralien fort, die die Bäume zum Überleben so dringend brauchen, erklärt Edmunds: Die Sonne scheine zwölf Stunden täglich.
    Hinzu käme die Gischt des Ozeans, die mit ihrem salzigen Wasser die frischen Setzlinge bedecke. Viele der Setzlinge kapitulierten vor den meteorologischen Bedingungen. Trotzdem: 70.000 Bäume hätten bisher einen Platz in dem kargen Osterinsel-Boden gefunden und trotzten dem subtropischen Klima. Aber über 200.000 seien nötig, um die voranschreitende Erosion zumindest aufzuhalten. Eine Sisyphusarbeit:
    "Seit 2006 haben wir jetzt die Bäume, die bereits fünf bis sechs Meter gewachsen sind. Überlegen Sie einmal, fünf Meter! Der Boden der Osterinsel ist sehr mager, es gibt keinerlei Mineralien. Wir brauchen also Dünger zum Wiederaufforsten."
    Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass die Insel bis zum 17. Jahrhundert von Wäldern bedeckt war. Sie wurden von den Vorfahren der heutigen Osterinsulaner abgeholzt, um die Moai, die steinernen Statuen zu transportieren, um Kanus und Häuser zu bauen und um die Toten zu verbrennen. Als im 18. Jahrhundert die Insel von den Europäern entdeckt wurde, war das Eiland baumlos, erzählt Osterinsulanerin Uri Avaka Teao:
    "Meine Vorfahren waren davon besessen, diese Statuen zu bauen - ich meine, diese Statuen als Zeichen ihres Ehrgeizes zu schaffen, nur um den anderen Stämmen zu beweisen, wie mächtig sie waren. Es war eine Katastrophe, die Leute zum Bau der Moai zu zwingen. Sie vergaßen darüber, sogar für Nahrung zu sorgen, Fische zu fangen oder Gemüse anzubauen. Sie haben sich nur auf ihre Statuen-Manie konzentriert."
    Ackerboden dem Regen schutzlos ausgesetzt
    Von einem Ökozid spricht der US-Geograf Jared Diamond in seinem Bestseller "Kollaps - warum Gesellschaften überleben oder untergehen". Und so hat sich für Diamond der Untergang auf der Osterinsel abgespielt: Um 1600 sei, so Diamond, sei vermutlich der letzte Baum gefällt worden. Von da ab fehlte nicht nur der wichtigste Rohstoff, um die Steinriesen aus dem Steinbruch zu rollen; es gab kein Feuerholz mehr und keinen Werkstoff für die Kanus, um auf das Meer zum Fischen zu fahren. Die küstennahen Gebiete wurden schnell überfischt und die Vögel ausgerottet. Durch den Kahlschlag war der Ackerboden dem Regen und den kräftigen Passatwinden schutzlos ausgesetzt. Was folgte, war zunehmende Bodenerosion und Nahrungsmittelknappheit. Um die wenigen Ressourcen wurden Kriege geführt. Am Ende aßen die Insulaner - Menschenfleisch.
    Das Fiasko auf der Osterinsel gilt dem Pulitzer-Preisträger als Sinnbild für die weltweit voranschreitende Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
    Heute gebe es wieder einige Waldgebiete, erklärt Biologe Edmunds, die überwiegend aus Eukalyptus-Bäumen bestehen. Die ersten wurden um 1900 gepflanzt und dann später in den 1970er Jahren. Seit 2006 habe man begonnen, die südwestliche Inselspitze aufzuforsten.
    Erosion: "Krebsgeschwür, das die Osterinsel langsam zersetzt"
    Unterstützt werde das Vorhaben von der chilenischen Regierung, vor allem aber von Frankreich. Doch Gelder fließen nur spärlich, und das Wiederaufforstungsprogramm wurde zwischenzeitlich immer wieder auf Eis gelegt. Dabei sei die Wiederaufforstung enorm wichtig, erklärt Wissenschaftler Edmunds, denn nur so könne man das Land vor der Erosion schützen. Sie sei wie ein Krebsgeschwür, das die Osterinsel langsam zersetze.
    Auf die Frage, wie es mit dem Eukalyptus stehe, dem man auf der Insel begegnet, antwortet Edmunds diplomatisch. Der sei nicht gut für die Insel, schließlich verbrauche er zu viel des kostbaren Grundwassers. Außerdem stamme er aus Australien und passe so gar nicht zur Osterinsel. Aber als man ihn einbürgerte, begrünte er als einziger Baum die Insel.
    Mittlerweile hätten die Inselbewohner ihren Eukalyptus lieb gewonnen. Er sei sogar zur Einnahmequelle geworden und finde als Schnitzmaterial sowie als Bau- und Möbelholz Verwendung. Den Eukalyptus aus Umweltgründen zu roden, das käme einem Frevel gleich, so Biologe Jorge Edmunds und ergänzt ernüchternd: Die Touristen aus aller Welt kämen ja nicht wegen der Bäume, sondern wegen der berühmten Statuen.