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Osteuropa
Klein, aber unabhängig - das Modell der Mediengenossenschaften

Die Medienfreiheit in Osteuropa ist seit dem Regierungswechsel in Polen Mitte November verstärkt wieder ein Thema. Es steht auch nicht gut um die Pressefreiheit in den anderen östlichen Staaten, auch wenn es von Land zu Land Unterschiede gibt. Gemeinsam ist vielen Ländern jedoch, dass Zeitungen Oligarchen gehören, die die jeweiligen Titel für ihre Zwecke missbrauchen.

Von Michael Meyer | 12.03.2016
    Nur 17 Prozent der Bulgaren haben noch Vertrauen in ihre Medien und nur 28 Prozent der Rumänen. Das ist ein Alarmzeichen, meint Christian Spahr, Leiter des Medienprogramms der Konrad-Adenauer- Stiftung für Südosteuropa, aber dafür gebe es Gründe:
    "Ein großer Teil der herkömmlichen Medien, also Fernsehen, Zeitungen stehen unter einem erhöhten Druck von den Medieneigentümern selbst, von Werbekunden, von Politikern auch, ..., aber auf der anderen Seite gibt es einige Initiativen, nicht nur Online-Medien, sondern journalistische Zusammenschlüsse, journalistische NGOs, die mit Geld auch von internationalen Geldgebern investigativen Journalismus ermöglichen, das sind natürlich keine Medien, die jedem schon ins Bewusstsein gedrungen sind, insofern sind es gute Anfänge."
    In den letzten Jahren haben sich gleich einige genossenschaftliche Projekte gegründet, die sich unabhängigen Journalismus auf die Fahnen geschrieben haben. Beispielsweise "bivol" aus Bulgarien, das "Rise Project" in Rumänien oder das OCCRP – das Organised Crime and Corruption Project, das, wie der Name schon sagt, über Korruption und Mafia-Verbrechen berichtet. Christian Spahr sagt, dass es durchaus schon Festnahmen, Beschlagnahme von Schwarzgeld oder Prozesse aufgrund von Berichten gegeben habe.
    Das wohl interessanteste Projekt derzeit ist "Hromadske.tv" aus Kiev. "Hromadske.tv", zu deutsch "öffentliches Fernsehen", wurde kurz vor dem Umsturz des Maidan von Journalisten gegründet, die nicht mehr für die Oligarchen arbeiten wollten. "Hromadske" sendet im Netz, die Macher sind durchaus erfolgreich: 80.000 Nutzer klicken sich pro Tag ins Programm. Natalya Gumenyuk ist Chefredakteurin von "Hromadske":
    "Was wir machen ist beispielsweise tiefergehende Diskussionen über Reformen, was sie bedeuten, also Antworten auf schwierige Fragen, in den Medien der Oligarchen haben sie immer sehr einfache Antworten, wir berichten über die Krim, über die Ostukraine, also beispielsweise fragen wir danach, wie das Leben der Gefangenen an der Front dort ist, kein anderes Medium interessiert das, auch die Verbrechen des Maidan untersuchen wir. Wir versuchen unsere Zeit zu nutzen und machen auch Internationales, die Beziehungen zwischen der Ukraine und anderen Ländern, denn das ukrainische Publikum weiß oft nicht viel darüber."
    Rund 100 Journalisten arbeiten für "Hromadske.TV", das von Spenden lebt und von Investitionen verschiedener Medienförderprogramme, erzählt Natalya Gumenyuk. Die programmliche Linie werde aber stets in der Redaktion entschieden:
    "Im ersten Jahr haben wir zu 70 Prozent von unseren Zuschauern gelebt, in den letzten anderthalb Jahren haben wir größere Spenden erhalten, aber nicht von Oligarchen oder Geschäftsleuten, die haben alle ihre eigene Agenda. Wir haben stattdessen internationale Unterstützer, wie eine Firma aus dem Silicon Valley, das Projekte wie unseres unterstützt, ein holländisches Programm des dortigen Außenministeriums, das Schwedisch-amerikanische Institut, das Kanadisch-amerikanische Institut, Gelder aus der EU und auch aus Deutschland, Fördergelder der Bundesregierung."
    Welches genossenschaftliche Modell die einzelnen Projekte genau haben, sei im Grunde nebensächlich, findet Petra Guasti, Politikwissenschaftlerin an der Uni Mainz. Guasti meint, dass das Wichtigste sei, dass diese Projekte von unten kommen, also "bottom up" in die Gesellschaft wirken. Es gebe durchaus erfolgreiche Medien wie "Project N" in der Slowakei: Dort haben sich mehrere Dutzend Journalisten gegen die Übernahme ihrer Zeitung durch einen Oligarchen gewehrt und ihre eigene Zeitung im Netz gegründet, und das mit großem Selbstbewusstsein, erinnert sich Petra Guasti:
    "Es ist wichtig, wir liefern die Qualität, wir wollen für diesen Medieneigentümer nicht arbeiten, wir wollen weiter investigativ arbeiten. Und das in einem kleinen Land, das zeigt, dass der Beitrittsprozess in der Slowakei etwas positiv beschleunigt hat. (...) Diese Bereitschaft, Demokratie zu schützen, und einfach wach sein, das hat sich alles in dieser Situation gezeigt und das ist sehr gut."