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Outsourcing von Emissionen

Umwelt. - Nach dem Kyoto-Klimaschutzprotokoll müssen Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Treibhausgas-Emissionen bisher nicht drosseln, dabei produzieren sie in großem und steigendem Umfang Exportgüter - und das in der Regel viel weniger energieeffizient als Industrienationen. Darin sehen Experten ein Aushöhlen des Klimaschutzes.

Von Volker Mrasek | 13.03.2008
    Man könnte ein populär gewordenes Wort aus der Ökonomie benutzen und von Outsourcing sprechen. Industrieländer lagern in steigendem Maße ihre Treibhausgas-Emissionen aus. Denn sie importieren immer mehr Konsumgüter aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort sind die Arbeitskosten niedriger. Meist aber auch die Technologie- und Umweltstandards. Glen Peters von der Universität Trondheim in Norwegen macht das an einem Beispiel deutlich:

    "Wir können uns die Zahlen für Schweden anschauen. Die Kohlendioxid-Emissionen, die in seinen Importgütern versteckt sind, liegen bei rund 75 Megatonnen pro Jahr. Würde man all diese Produkte in Schweden selbst herstellen, mit schwedischer Technologie, dann käme man lediglich auf 25 Megatonnen Kohlendioxid. Das heißt, die Emissionen aus den Importen sind um den Faktor drei größer."

    Schweden gilt als Musterknabe im Klimaschutz. Das Land betreibt viele Kern- und Wasserkraftwerke; zudem setzt es verstärkt auf erneuerbare Energieträger. Schweden produziert deshalb relativ emissionsarm. Doch wenn man sich anschaut, wie und was das skandinavische Land konsumiert, sieht die Bilanz viel schlechter aus. Wegen der längst nicht so sauberen Importgüter. Physiker Peters hat jetzt die Handelsströme zwischen fast 90 Staaten der Erde durchleuchtet. Und die Kohlendioxid-Emissionen abgeschätzt, die sich in den Import- und Exportgütern verstecken. Sie sind ungemein groß:

    "Nach unseren Berechnungen stammt rund ein Viertel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen aus der Produktion von Handelswaren, die importiert und exportiert werden. Die reichen Länder sind dabei Netto-Importeure von Schadstoffen, könnte man sagen. Und die ärmeren Länder Netto-Exporteure."

    Die dominierende Rolle spielt dabei eine stark aufstrebende Wirtschaftsmacht in Fernost: China ...

    "Unsere Studie bezieht sich auf das Jahr 2001. Aber im Fall von China haben wir inzwischen auch jüngere Daten ausgewertet. Und da ist es so: 2001 stammte ein Viertel der chinesischen Treibhausgas-Emissionen aus der Export-Produktion für Industrieländer. 2005, nur vier Jahre später, war es schon ein Drittel."

    Ähnliche Zahlen legen Forscher von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh vor. Ihr Interesse gilt den wachsenden chinesischen Exporten in die USA. Der Informatiker, Ökonom und Professor Scott Matthews:

    "Nicht nur die Einfuhren aus Ländern wie China nehmen zu, sondern auch die darin versteckten Emissionen. Nach unseren Studien haben sie sich in den letzten sechs Jahren mehr als verdoppelt. Man muss einfach sehen: Die USA handeln immer stärker mit Ländern, in denen die Produktion sehr ineffizient ist und die Wirtschaft sehr Kohlenstoff-intensiv."

    Das große Problem dabei: Dieses Outsourcing von Emissionen untergräbt den globalen Klimaschutz. Denn sie werden nicht den eigentlichen Verursachern zugeschlagen, den Industriestaaten. Sondern deren Lieferanten, den Entwicklungs- und Schwellenländern. Und die müssen ihren Treibhausgas-Ausstoß bisher gar nicht drosseln. So etwas sieht das Kyoto-Protokoll lediglich für Industrienationen vor. Ihnen gestattet das Abkommen zwar, sich auch Klimaschutzmaßnahmen in ärmeren Ländern gutschreiben zu lassen. Doch diese so genannten CDM-Projekte köcheln auf verhältnismäßig kleiner Flamme, wie auch US-Forscher Matthews bedauert:

    "Es wird nicht klappen, mit diesen kleinen Projekten etwas an Chinas Emissionen zu ändern. Dafür müssen wir das CDM-Verfahren auch für Großvorhaben öffnen. Es geht schließlich darum, Chinas Energieerzeugung von Grund auf sauberer zu gestalten."