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Oxfam-Studie: Biosprit verschärft Armut und Klimawandel

Aufgrund des steigenden Ölpreises überlegen einige Airlines, ob sich Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen auch für Flugzeuge eignet - also Palmöl statt Kerosin. Doch die Entwicklungsorganisation Oxfam warnt jetzt mit einer neuen Studie zum wiederholten Male vor den Folgen einer solchen Alternative.

Von Philip Banse |
    Die Studie der Entwicklungshilfe-Organisation Oxfam kommt zu dem Schluss, dass Treibstoffe aus Pflanzen überwiegend schlecht sind - für das Klima, aber vor allem für die Ernährung der Weltbevölkerung. Die Agrartreibstoffe seien ein wesentlicher Grund für die Explosion der Nahrungsmittelpreise weltweit, sagt Jan Kowalzig von Oxfam:

    "Die Expertenmeinungen variieren zwischen einer Angabe, dass etwa ein Drittel der Preissteigerungen durch Agrotreibstoffe verursacht sind, bis hin zu zwei Drittel."

    Die EU hat sich das Ziel gesetzt, dass bis 2020 jeder zehnte Liter Treibstoff im Verkehrsbereich von Pflanzen gewonnen werden soll. Obwohl dem Benzin in Deutschland jetzt nicht mehr so viel Pflanzenkraftstoff beigemischt werden soll, wie lange geplant - auch die Bundesregierung will Agrartreibstoffe weiterhin fördern.

    Oxfam hat errechnet, dass die Industrieländer allein im vergangenen Jahr 15 Milliarden Dollar ausgegeben haben, um Kraftstoff aus Pflanzen zu fördern. Damit hätten diese Länder 30 Millionen Menschen in Armut getrieben, weil die Nahrungsmittelpreise explodiert seien, so Oxfam. Diese Analyse wird im Prinzip von vielen Experten geteilt. So haben etwa OECD und auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen die staatliche Förderung von Agrartreibstoffen kritisiert. Denn diese machten nicht nur Nahrungsmittel teuer, sondern seien auch schlecht fürs Klima. Es sei zwar im Prinzip richtig, dass Agrarreibstoffe nur CO2 in die Atmosphäre entlassen, das die Pflanzen vorher der Atmosphäre entzogen haben, so Oxfam-Experte Kowalzig. Dieses vermeintliche Nullsummenspiel sei aber nur die halbe Wahrheit:

    "Das unterschlägt zwei wichtige Faktoren, dass für den Anbau dieser Agrotreibstoffe sehr viel Dünger eingesetzt wird und sehr viel Stickstoff freigesetzt wird, der in die Atmosphäre gelangt und dort als hochpotentes Treibhausgas wirksam ist. Der andere unterschlagene Faktor ist die Umwandlung von Land. Wenn ich Regenwald in Ackerfläche verwandle, entlasse ich erheblich Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre und das zerstört die Bilanz vollständig."

    Diese indirekten, sehr klimaschädlichen Auswirkungen seien EU und Bundesregierung bekannt, sagt Kowalzig, würden aber ignoriert, um nicht das Gesicht zu verlieren. Denn die Politik habe mit der Förderung von Agrartreibstoffen offensichtlich den falschen Weg eingeschlagen. Niemand bringe jetzt jedoch den Mut auf, das einzugestehen.

    "Für uns folgt daraus der Appell an die Politiker, ihre Agrotreibstoffpolitik grundsätzlich zu überarbeiten. Denn es kann nicht angehen, dass wir unsere Abhängigkeit von Öl aus Russland auf dem Rücken hungernder Menschen verringern wollen. Das kann nicht sein. Die deutschen und auch die europäischen Ziele zur Verwendung von Agrotreibstoffen müssen zurückgenommen werden. "

    Danach sieht es jedoch nicht aus. Bei der UN-Artenschutz-Konferenz im Mai in Bonn wurde vereinbart, dass in regionalen Arbeitstreffen ökologische Leitlinien für den Anbau von Energiepflanzen erarbeitet werden sollen. Diese Kriterien sollen bis 2010 stehen. Seine Strategie zur Förderung der umstrittenen Kraftstoffe sei nicht am Ende, sagte Gabriel nachdem er die Beimischungserhöhung zurück genommen hatte:

    "Ganz im Gegenteil. Die Bilder der brennenden Regenwälder haben ja dazu geführt, dass die Bundesregierung in Deutschland und Europa Rohstoffe wie Palmöl für Biokraftstoffe ausschließen will, wenn diese aus Regenwäldern, Mooren oder in Deutschland aus dem Umbau von Grünbrache kommt. "

    Agrartreibstoff so herstellen, dass sie weder Regenwald zerstören noch Nahrungsmittel verteuern - das sei eine gute Idee, kontert Oxfam-Experte Jan Kowalzig, sie sei aber nicht umzusetzen, selbst wenn Treibstoff-Pflanzen nur auf klimatisch undenklichen Flächen angebaut würden:

    "Sigmar Gabriel lässt unter den Tisch fallen, dass, wenn man solche Flächen mit Energiepflanzen bebaut, Nahrungsmittelpflanzen, die dort vorher gestanden haben, woanders hin ausweichen müssen. Die werden dann in den Regenwald oder Feuchtgebiete ausweichen. Und dort verursacht die Umwandlung dieser Gebiete in Ackerflächen große Emissionen und die gehen eindeutig auf das Konto der Agrotreibstoffe. Das unter den Tisch fallen zu lassen, ist nicht redlich. "