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Ozean im Säurestress

Durch den steigenden Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre wird auch im Wasser mehr CO2 gelöst. So entsteht Kohlensäure, die die Kalkschalen der Organismen angreift. In der Arktis werden die Folgen dieser Ozeanversauerung besonders drastisch sein, erwarten Forscher.

Von Christine Westerhaus |
    Das Meereis zieht sich immer weiter in den Norden zurück. Aus dem Süden wandern neue Arten ein und konkurrieren mit den einheimischen um Nahrung. Schon jetzt sind diese Folgen des Klimawandels allgegenwärtig in der Arktis. Doch schon bald wird ein weiterer Stressfaktor die Organismen unter Druck setzen, erwartet Ulf Riebesell vom Geomar, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Wer seine Schale oder sein Skelett aus Kalk bildet, muss damit rechnen, dass diese Stützstrukturen schon in absehbarer Zukunft angegriffen werden.

    "Die Arktis wird schon in nächsten 10 bis 15 Jahren großflächig korrosiv werden für kalkbildende Organismen. Das liegt daran, dass das Wasser jetzt schon eine relativ geringe Kalkübersättigung hat und bei fortschreitender Versauerung innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre schon etwa 30 Prozent des gesamten arktischen Ozeans korrosiv für Kalk ist."

    Das kalte Wasser der polaren Meere bindet zudem mehr Gase und damit auch mehr Kohlendioxid. Riebesells Team hat vor der norwegischen Insel Spitzbergen untersucht, wie sich die Ozeanversauerung auf die Lebensgemeinschaft im arktischen Meer auswirken könnte. Dazu haben die Forscher 50 Kubikmeter Meerwasser samt den darin lebenden Organismen in überdimensionierte Wassertanks eingesperrt. In diese Behälter pumpten sie zusätzliches Kohlendioxid.

    "Aus diesen Studien, die wir vor Spitzbergen gemacht haben, gibt es eigentlich vier Hauptergebnisse, die sich da herauskristallisiert haben. Das eine ist, dass die kleinsten der kleinen im Nahrungsnetz, das sogenannte Picoplankton, am meisten profitiert von der Ozeanversauerung. Die haben also deutlich zugelegt unter hoch CO2 Ansätzen, haben den höheren Ebenen im Nahrungsnetz die Nährstoffe weggenommen und ( ... ) die Konsequenz ist, dass die Fische oder auch dazwischen schon die Stufen, die kriegen weniger Futter und die andere ist, dass auch weniger Kohlenstoffexport stattfindet."

    Weniger Kohlenstoffexport bedeutet, dass weniger CO2 aus der Luft in organischem Material gebunden und in die Tiefe transportiert wird. Auch wenn grundsätzlich mehr Kohlendioxid als Gas im Wasser gelöst ist, wird so weniger Kohlenstoff langfristig im Meeressediment gespeichert. Damit wird der Atmosphäre weniger Kohlendioxid entzogen, was den Treibhauseffekt weiter beschleunigen könnte. Gleichzeitig haben die Forscher beobachtet, dass das arktische Meerwasser unter sauren Bedingungen weniger Dimethylsulfid produziert. Diese auch kurz DMS genannte Substanz kühlt das Klima, weil sie dafür sorgt, dass sich über den Ozeanen Wolken bilden.

    "Das ist erstmal eine unschöne Erkenntnis, weil es bedeuten würde, dass wir den Klimaeffekt, den wir jetzt schon haben, womöglich noch stärker erleben werden, wenn dieses kühlende Klimagas Dimethylsulfid verloren geht oder zumindest in geringerer Dosis frei wird und in die Atmosphäre abgegeben wird."

    Diesen Effekt haben Riebesell und sein Team aber nicht nur in der Arktis beobachtet.

    "Die Mechanismen sind uns noch nicht so ganz klar, warum es dazu kommt, aber unabhängig vom Ökosystem, wo wir das studiert haben, Arktis, Ostsee, vor der norwegischen Küste, immer wieder ist die DMS-Produktion deutlich geringer unter hoch CO2, unter Ozeanversauerungsszenarien."

    Ob sich dieser Effekt in Zukunft verstärken wird, werden weitere Experimente zeigen. Die Folgen der Ozeanversauerung lassen sich in den polaren Gewässern aber auch schon ganz konkret beobachten. In der Antarktis haben Forscher nachgewiesen, dass die Schalen bestimmter Einzeller heutzutage dünner sind, als noch vor 50 Jahren. Es wird deshalb allerhöchste Zeit, etwas gegen die Ozeanversauerung zu unternehmen, meint Klimaforscher Richard Bellerby, einer der Organisatoren der Konferenz in Bergen. Deshalb richtet sich dieses Treffen nicht nur an Forscher, sondern auch an Entscheidungsträger.

    "An der Konferenz werden auch hochrangige Politiker teilnehmen. Das Treffen und der anschließende Bericht werden diesen Entscheidungsträgern die nötigen Informationen verschaffen, um Maßnahmen gegen die Ozeanversauerung ergreifen zu können."