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Ozon-Vorhersagen

Die Pioniere der chemischen Wetter-Vorhersage kommen vom Königlich-Niederländischen Meteorologie-Institut. So heißt der Wetterdienst in unserem Nachbarland offiziell. Dort, im Städtchen De Bilt, spielt der Physiker Henk Eskes zusammen mit Kollegen schon länger "Ozon-Orakel": Seit über zwei Jahren betreiben die Forscher test weise ein neuartiges Vorhersage-Modell. Nicht für die bodennahe Wetterschicht. Sondern für die Stratosphäre, das zweite Stockwerk der Erdatmosphäre. Dort, in plusminus 20 Kilometern Höhe, spannt sich die Ozonschicht um die Erde, der lebenswichtige Schutzschild gegen schädliches Ultraviolett-Licht der Sonne.

    von Volker Mrasek

    Im voraus zu wissen, wie viel (oder: wie wenig) Ozon sich über einem Ort X befindet - das verlangt mehr, als nur die Luftzirkulation zu kennen. Eine große Rolle spielt auch die Chemie des Sonnenschutz-Moleküls, das aus drei Sauerstoff-Atomen besteht ...

    Das Wichtigste für die Vorhersage ist, den Transport von Ozon in der Atmosphäre genau zu beschreiben. Denn er bestimmt am stärksten die täglich auftretenden örtlichen Konzentrations-Schwankungen. Aber im Modell stecken auch Grundzüge der Luftchemie. Ozon wird ständig neu gebildet - dadurch, dass Sonnenlicht Sauerstoff-Moleküle aufknackt. Und es wird zerstört, etwa dann, wenn das Ozonloch im Süden aufbricht. Diese chemischen Reaktionen berücksichtigt unser Vorhersagemodell ebenfalls.

    In der Wetter-Vorhersage führt die Stratosphäre bisher ein Schattendasein. Erst seit kurzem gibt es regelmäßige Prognosen auch für diese Gefilde. Sie stammen vom Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wetter-Vorhersage in England. Mit dem dort entwickelten Stratosphären-Modell arbeitet auch Eskens Arbeitsgruppe.

    Und eine zweite europäische Institution liefert den Niederländern zu: der Umwelt-Satellit ERS-2. Der späht auf seiner über beide Pole führenden Bahn mit einem speziellen Ozon-Messgerät in fast jeden Winkel der Erde. 18.000 Einzel-Beobachtungen kommen so pro Tag zusammen. Die Messdaten fließen auch in Eskens Modell ein. Dadurch ist es ständig up to date und rechnet mit realistischen Anfangsbedingungen.

    Was kommt nun dabei raus, wenn Stratosphären-Dynamik und Ozon-Chemie im Rechner eine Ehe eingehen? Henk Eskes ist hochzufrieden mit dem Verlauf der Testphase:

    Es zeigt sich, dass wir die Ozon-Konzentration zuverlässig eine Woche im voraus vorhersagen können. Das ist sehr, sehr gut - besser als heutige Niederschlags-Prognosen! Und vergleichbar mit der Vorhersage großer Hoch- und Tiefdruckgebiete. Die klappt eine Woche im vorhinein auch ganz gut.

    Eine besondere Bewährungsprobe bestand das Modell im vergangenen Herbst. Da benahm sich das Ozonloch über der Antarktis seltsam. Es fiel viel kleiner aus als gewohnt. Und es schloss sich auch wesentlich früher. Wobei am Ende - auch das ganz neu - plötzlich zwei Löcher auftraten ...

    Eine Woche vorher sahen wir in unserem Modell bereits, dass aus dem Ozonloch zwei kleinere werden könnten. Wir schauten uns unsere Daten daraufhin noch mal an. Wir sahen keinen Grund, an ihnen zu zweifeln. Tatsächlich zeigte sich später eine starke Übereinstimmung zwischen unserer Vorhersage und dem, was wirklich passierte.

    Seriöse Ozon-Prognosen über mehrere Tage seien heute möglich - das, meint Vorreiter Henk Eskes, zeigten die bisherigen Erfahrungen in De Bilt. Inzwischen gibt es auch anderswo Arbeitsgruppen, die chemische Wettervorhersage-Modelle entwickeln und testen - etwa in den USA.

    Außerdem geht man daran, das Atmosphären-Orakel zu erweitern.

    Es soll künftig nicht nur vorhersagen, wie dick die Ozonschicht demnächst noch ist. Sondern auch, wie viel schädliche UV-Strahlung sie zum Boden durchlässt. Dann hätte man zugleich eine Art Hautkrebs-Strahlungsrisiko-Vorhersage. Viele Wetterdienste seien daran interessiert, meint Eskes - um auch gleich die Ecke der Erde zu benennen, die einen solchen Service wohl am ehesten brauchen könnte:

    Das Ozonloch driftet manchmal bis über die Südspitze Südamerikas. Die UV-Intensität kann dann sehr hoch sein. Dort wäre eine Vorhersage sehr sinnvoll, um die Leute vor dem Risiko zu warnen.

    Links:

    Königlich Niederländisches Meteorologisches Institut/niederländisch

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