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Paläoanthropologie
Nächste Etappe der "Rising Star"-Expedition

Zum zweiten Mal sucht ein Team der internationalen "Rising Star"-Expedition in einer Höhle bei Johannesburg nach Knochen von Urmenschen. Die schwer zugängliche und besonders enge Höhle war bereits im November Ziel einer Grabungskampagne.

Von Michael Stang | 02.04.2014
    Nach drei Wochen Ausgrabung verließ das Team der Rising-Star-Expedition im November die Höhle, die der Expedition auch den Namen gab. Der Name "aufgehender Stern" ist doppeldeutig: Zu einen könnten die beteiligten Nachwuchswissenschaftlerinnen Pate stehen, zum anderen könnten die dort gefundenen Fossilien gemeint sein. Denn die sechs Forscherinnen, die aufgrund ihrer Expertise und ihrer geringen Körpergröße ausgewählt worden waren, stießen auf einen unerwarteten Fundreichtum, sagt einer der wissenschaftlichen Leiter des Projekts, Steven Churchill von der Duke Universität in Durham, North Carolina:
    "Wir hatten gedacht, dass es dort ein Skelett gibt, welches wir binnen drei Wochen bergen. Nach dem ersten Tag war klar, dass es mindestens sechs Individuen sein müssen. Und nach Abschluss der drei Wochen konnten wir 1.200 Fossilien bergen, die zu mindestens zwölf, vielleicht sogar bis zu zwanzig Individuen gehören."
    Die Knochen wurden nach Johannesburg gebracht, dort gesichert und archiviert. Im Mai steht die wissenschaftliche Bearbeitung der Fossilien an, für die Steven Churchill wieder nach Südafrika reisen wird. Zuvor soll aber noch ein Skelett geborgen werden, welches die Forscher im November aus Zeitgründen noch in der Höhle lassen mussten:
    "Gerade sind zwei der Nachwuchswissenschaftlerinnen wieder in der Höhle und bergen weitere Fossilien, auch wenn wir bereits 1.200 haben. Aber einige Skeletteile sind unterrepräsentiert, etwa Bereiche des Gesichtsschädels. Und das ist auch gelungen: Einen halben Gesichtsschädel konnten die Forscherinnen bergen, ebenso haben sie eine vollständig im anatomischen Verbund verbliebene Hand entdeckt."
    Wie alt sind die gefundenen Knochen?
    Bei der erneuten Ausgrabung wurden mehr als einhundert neue Fossilien geborgen. Noch ist unklar, wie die Knochen in die Höhle gelangt sind. Es spricht einiges dafür, dass alle Individuen zu einer sozialen Gruppe gehörten und gleichzeitig den Tod fanden. Ungewöhnlich ist, dass in der Höhle weder Tierknochen lagen, zudem gibt es keine Nachweise von Werkzeugen oder anderen Hinterlassenschaften. Das große Rätsel ist aber ein anderes: das Alter der Knochen. Weil es in der Höhle keine Tropfsteine gibt, können die Forscher die Fossilien bislang nicht datieren, so Steven Churchill:
    "Wir haben daher keinen Schimmer, wie alt das alles ist. Die Knochen sehen hinsichtlich ihrer Anatomie sehr alt aus, und zwar wie jene Fossilien, die wir aus der Zeit vor 1,5 bis 2 Millionen Jahren kennen. Wir wissen aktuell aber noch nicht, ob es etwas ist, was wir noch nie gesehen haben oder ob es vielleicht eine südafrikanische Variante dessen ist, was wir bislang nur aus Ostafrika kennen: einen frühen Vertreter unserer Gattung Homo."
    Damit steht und fällt alles mit der Datierung. Ein Team aus Australien versucht sich mittlerweile an einer ersten indirekten Zeitbestimmung. Fest steht aber: Sollte sich das hohe Alter der Knochen bestätigen, würde Südafrika in den Fokus der Menschwerdung rücken. Und dann könnte vielleicht auch eine andere bisherige Minderheitenmeinung Gewicht bekommen: Dass nicht die berühmte Lucy-Spezies Australopithecus afarensis als Urmutter unserer Gattung Homo in Frage kommt, sondern die ebenfalls in Südafrika entdeckten Fossilien von Australopithecus sediba.