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Palaver mit feinen Nuancen

Anthropologie. - Auf der Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte präsentierten in Tübingen herausragende Wissenschaftler aktuelle Entwicklungen in Astrophysik und Medizin, Genetik und Naturschutz, Chemie und Informatik. Besonders viele Zuhörer fand der Vortrag von Julia Fischer über die Evolution der menschlichen Sprache.

Von Volkart Wildermuth |
    Eine Horde Paviane hat die Nacht sicher in den Bäumen verbracht. Am Morgen rufen die Tiere ohrenbetäubend, die Gruppe findet zusammen und zieht dann gemeinsam weiter. Was sich für die meisten Menschen nach bloßem Geschrei anhört, liefert den Pavianen vielfältige Informationen Und auch die Verhaltensforschern Julia Fischer hat gelernt, die Rufe zu interpretieren.

    "Also es gibt bestimmte Rufe, die sie machen, wenn sie zum Beispiel die Gruppe verloren haben oder wenn sie eben den Kontakt zum Kind verloren haben, dann kann man die Erregung sehr gut raus hören. Wir wissen, die haben bestimmte Rufe, die sie machen, wenn sie zum Beispiel Angst haben oder wenn sie einen Löwen sehen oder ein Krokodil sehen. Also man kann schon viel rausfinden, was gerade passiert, auch wenn man es nicht sieht."

    Vor allem verrät jedes Grunzen, Brüllen oder Knurren auch viel über das rufende Tier. Die Professorin vom Deutschen Zentrum für Primatenforschung in Göttingen hat herausgefunden,

    "dass die Männchen spezifische Eigenschaften in den Rufen gewissermaßen verstärken, je toller sie sind, also die ranghöchsten Männchen, die mit der größten Kampfkraft, deren Rufe hören sich auch anders so an, als von irgendwelchen, sagen wir mal Halbstarken oder Männchen, die dann alt geworden sind und sich nicht mehr so gut verteidigen können."

    Paviane sind wie viele Tiere Experten im Hören, sie sind in der Lage, aus Lauten eine Vielzahl von Informationen abzuleiten. Auch andere Facetten der menschlichen Sprache haben Vorläufer im Tierreich. Ein besonders beeindruckender Hund ist zum Beispiel der Bordercollie Rico, der die Namen von 200 Spielzeugen kennt. Julia Fischer interessiert sich besonders für seine Lernstrategie. Hört Rico ein neues Wort und sieht ein unbekanntes Spielzeug, dann verknüpft er Laut und Gegenstand, das hatte man bis dahin nur Kindern zugetraut.

    "Also diese Hypothese, die man ursprünglich hatte, das ist ganz spezifisch für den Menschen, also das konnte man damit widerlegen und er unterstreicht natürlich, dass gewissermaßen die Beschränkungen nicht auf der Zuhörerseite sind. Der limitierende Faktor ist dann eben auf der Sprecherseite oder auf der Senderseite und das heißt, die Tiere sind anscheinend nicht in der Lage oder sie tun es nicht, über Dinge zu kommunizieren, also dass sie auch bestimmte Ereignisse, mit neuen Lauten belegen und sagen dieses Neue was da kommt, das ist ein Forscher, der mich da beobachtet, ja und sie hält ein Mikrophon in der Hand oder man könnte auch sagen, that’s a researcher, das können wir machen, das können die Tiere nicht."

    Die Besonderheit des Menschen liegt nicht in seiner Fähigkeit, Informationen herauszuhören, Laute mit Bedeutungen zu verknüpfen oder feinste Bewegungen im Sprechapparat millisekundenschnell zu koordinieren. Entscheidend für die Sprache ist der Wille zur Kommunikation. Natürlich beeinflussen Tiere das Verhalten ihrer Artgenossen durch Laute, etwa wenn ein dominanter Pavian einen anderen drohend anknurrt. Aber der Laut ist dabei eher ein Werkzeug, mit dem sich eine bestimmte Reaktion erzielen lässt und weniger die gezielte Übermittlung einer Information. Paviane und andere Tiere haben keine Vorstellung davon, was im Kopf ihrer Artgenossen vorgeht, meint Julia Fischer.

    "Das ist doch ein sehr, sehr großer Unterschied. Das gibt es zwar rudimentär auch bei Affen, dass sie irgendeine Vorstellung haben, wenn der andere was sieht, dass er das dann auch weiß, was er sieht, aber so richtig wie die mentale Welt eines anderen aussieht, dass können sich Affen nicht gut vorstellen. Und das ist natürlich eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt das Bedürfnis zu entwickeln, den anderen zu informieren, den mentalen Zustand des anderen zu verändern, nicht nur sein Verhalten."

    Als die Menschen begannen, sich in den anderen hinein zu versetzen, konnten sie die Sprache entwickeln. Die dafür nötigen Bausteine lassen sich durch das Studium der Vögel, Hunde oder Affen analysieren. Warum sich die Menschen aber andres als die Paviane für die Gedanken ihrer Mitmenschen interessieren, das wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.